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Mütter sind am stärksten belastet Dauerkrisenmodus: Verteilung der Care-Arbeit wieder auf Vor-Pandemie-Niveau

Eine Mutter arbeitet, während ihr Kind zu Hause ist
© Marina Andrejchenko / Adobe Stock
Schon zu Beginn der Pandemie stellte sich heraus: Die Last der Sorgearbeit tragen hauptsächlich die Frauen. Eine repräsentative Umfrage zeigt jetzt, dass statt einer Verbesserung die Verteilung der Care-Arbeit sogar wieder auf Vorkrisenniveau angekommen ist. Klar, dass während der aktuellen Krankheitswelle wieder die Mütter zu Hause bleiben.

Die Krankenhäuser sind überlastet, nicht zeitkritische Eingriffe werden abgesagt oder verschoben: In Deutschland tobt eine Krankheitswelle. Influenza, das RS-Virus und weiterhin Corona-Infektionen sorgen reihenweise für Ausfälle. Besonders betroffen sind in den Wochen vor Weihnachten die Kinder. Sie stecken sich in der Kita und Schule an und bringen die Viren mit nach Hause. Doch wer passt jetzt auf das kranke Kind auf? Meistens die Mütter.

Umfrage zeigt: Mütter sind deutlich stärker belastet als der Rest der Bevölkerung

Eine aktuelle repräsentative Umfrage des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) hat ergeben: Mütter sind deutlich stärker belastet als der Rest der Bevölkerung. "Sie berichten im Hinblick auf die familiäre, finanzielle und Arbeitssituation sowie die Gesamtsituation am häufigsten, äußerst oder stark belastet zu sein", heißt es in der Mitteilung des Instituts.

Belastungen durch die finanzielle und die Gesamtsituation sind zuletzt sogar noch einmal gestiegen, während sie für den Rest der Bevölkerung (auch Väter) rückläufig waren. "So klagten 40 Prozent der Mütter gegenüber 27 Prozent der Väter über starke oder äußerste finanzielle Belastungen." Durch die Panelstruktur der Umfrage können Veränderungen über die Pandemiejahre sichtbar gemacht werden, da die rund 5.136 Teilnehmer:innen zu verschiedenen Zeitpunkten seit April 2020 befragt werden.

Frauen fangen in der Regel die Betreuungslücken auf

"Kitas und Schulen sind zwar seit Langem wieder geöffnet. Aber offenbar sind die Betreuungsausfälle, etwa durch häufige Erkrankungen, so groß, dass die Erwerbstätigkeit mit Kind deutlich beeinträchtigt ist", sagt Prof. Dr. Bettina Kohlrausch, die wissenschaftliche Direktorin des WSI. "Und weiterhin fällt das Problem ganz überwiegend auf die Mütter zurück", ergänzt sie.

War die Aufteilung der Sorgearbeit während der Pandemie ein wenig in Richtung Gleichgewicht gerutscht, zeigt sich nun wieder ein anderes Bild. Die Verteilung der Sorgearbeit zwischen Müttern und Vätern ist in etwa wieder auf dem Niveau vor Beginn der Corona-Pandemie. 63 Prozent der Mütter gaben an, den überwiegenden Teil der Kinderbetreuung zu leisten, während es bei den Vätern lediglich sechs Prozent waren.

Wer bleibt also wieder zu Hause, wenn die Kleinen mit Schnupfnase im Bett liegen? Die Mütter. Sie melden sich "Kindkrank" und müssen damit auf einen Teil des Gehaltes verzichten oder sogar gänzlich die Stunden reduzieren, weil die Arbeit sonst nicht mehr zu schaffen ist.

Die Aufhebung der Homeoffice-Pflicht hat die Situation verschärft

Einen erheblichen Beitrag könnte die Aufhebung der Homeoffice-Pflicht geleistet haben. Viele Väter ­– noch immer häufiger in Vollzeit beschäftigt – pilgern zurück in die Büros. Die Homeoffice-Quote ist auf dem niedrigsten Stand seit Beginn der Befragungen, heißt es in der Mitteilung des WSI. Im November gaben 11,5 Prozent der Befragten an, überwiegend oder ausschließlich zu Hause zu arbeiten – weniger als halb so viele wie auf dem Höhepunkt der Pandemie.

Wo im Homeoffice eine Aufteilung auf beide Elternteile deutlich besser möglich war, ist es das jetzt nicht mehr – der finanzstärkere Job gewinnt in der Regel den Zuschlag. Bei der noch immer vorherrschenden Gender-Pay-Gap stecken die Frauen im Beruf daher meist zurück. Der oft beschworene Wechsel "weg von der Präsenzkultur im Job lässt sich an diesen Zahlen nicht ablesen", so WSI-Forscher Helge Emmler. Zum Leid der Mütter.

Die Verteilung der Sorgearbeit ist wieder auf dem Niveau wie vor der Pandemie

Hinzu kommt: Bereits zu Beginn der Pandemie hatten Wissenschaftler:innen vorausgesagt, dass sich die Verbesserung der Aufteilung von Sorgearbeit höchstwahrscheinlich nicht über die Pandemiezeit hinaus festigen wird. Genau dies sei nun eingetroffen, so WSI-Direktorin Kohlrausch. "Im Gegenteil sehen wir eine Verschärfung der Ungleichheit, wenn wir uns die Verteilung der Belastungen zwischen Müttern und Vätern ansehen", so Kohlrausch weiter. Die Aufgabe, die Ausfälle der Betreuung durch Kitas, Schulen und Krankheit aufzufangen, bleibe überwiegend an den Müttern hängen.

Mütter sind seit drei Jahren im Dauerkrisenmodus und anstatt, dass sich jetzt endlich etwas verbessert und das klassische Rollenmodell ad acta gelegt werden könnte, verschärft sich die Lage erneut. Es scheint, als hätte die Gesellschaft in Pandemie-Zeiten in Sachen Gleichverteilung der Sorgearbeit lediglich ein Konstrukt aus Karten erbaut – beeindruckend auf den ersten Blick, doch beim kleinsten Windhauch zum Einstürzen verdammt.

Warum Care-Arbeit der finanziellen Unabhängigkeit von Frauen schadet:

Verwendete Quelle: wsi.de, tagesschau.de, zeit.de

Brigitte

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