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Gesche Joost: "PRISM geht über die Grenzen des Akzeptablen hinaus"

Barack Obama besucht Berlin - und trifft dort auch auf Protest gegen seine kürzlich enthüllte Internet-Überwachung. Kann Politik die Privatsphäre noch schützen? Ein Gastkommentar von Gesche Joost, Netzpolitikerin im Kompetenzteam von Peer Steinbrück.

PRISM – der Datenskandal der US-Sicherheitsbehörde NSA

Prof. Gesche Joost: "Online-Dienste in die Pflicht nehmen"
Prof. Gesche Joost: "Online-Dienste in die Pflicht nehmen"
© Imago/Metodi Popow

"Dass der Datenschutz bei Google, Facebook und Co. nicht ganz so hoch angesiedelt ist, war bekannt. Ich war allerdings geschockt, als ich über die Ausmaße der gezielten Auswertung persönlicher Daten durch die USA erfahren habe – und es kommen täglich neue Details zum Vorschein. Es geht um die Auswertung von E-Mails, Chat, Fotos und Videos, Log ins – also um die persönlichsten Daten, um ganz private Kommunikation! Wie in einem Prisma – daher der Name des Programms – werden diese Daten zusammengeführt, im Prisma ausgewertet, um dann gebündelt vorzuliegen. Deutsche Bürgerinnen und Bürger sind wohl besonders stark betroffen. Nach Angaben der US-Regierung dient das Programm vor allem der Terror-Bekämpfung. Die Überwachung durch PRISM geht weit über die Grenzen des Akzeptablen hinaus. Bürgerinnen und Bürger verlieren so das Vertrauen in die Sicherheit ihrer Privatsphäre im Netz. Die Vorstellung, dass jeder durch seine Nutzung von Google oder Facebook plötzlich zum Kreis derer gehöre, die flächendeckend überwacht werden, ist wirklich erschreckend. Ich bin hier für Sicherheit mit Augenmaß in den Grenzen unserer rechtsstaatlichen Ordnung.

Wie können wir Bürgerinnen und Bürger in ihrer Privatsphäre schützen und gleichzeitig eine wirksame Strafverfolgung und Gefahrenabwehr gewährleisten? Das müssen wir gemeinsam auf europäischer Ebene abbilden – hier muss der Datenschutz massiv verbessert werden. Hier brauchen wir starke Allianzen – über die Grenzen von Deutschland hinaus, denn das Netz macht nicht vor Ländergrenzen halt. Gleichzeitig wollen wir die Online-Dienste in die Pflicht nehmen, für besseren Schutz der Privatsphäre zu sorgen – und zwar schon in der Standard-Einstellung.

Das Internet ist Grundlage einer vernetzten Gesellschaft. Gut vernetzt zu sein bedeutet für mich, von jedem Ort aus arbeiten zu können – und damit können viele Familie und Beruf besser vereinbaren. Es bedeutet auch, gute Bildungsangebote online nutzen zu können – zu jeder Zeit und in jedem Alter. Die neuen Bildungsformate der internationalen Universitäten sind wirklich großartig – zum Beispiel die Internetseiten Udacity oder iUniversity. Gut vernetzt zu sein heißt auch, Gleichgesinnte zu finden und an gesellschaftspolitischen Diskussionen direkt teilnehmen zu können – und das ist eine Vision einer offenen, transparenten Politik, die auf Teilhabe und Teilnahme aufbaut. Neue Beteiligungsformate entstehen hier, wie Website Adhocracy. Das ist eine gute Richtung für ein gesellschaftliches Miteinander."

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