Anzeige

Zensus 2011: Wir werden gezählt!

Der Zensus 2011 ist die größte Befragung seit der umstrittenen Volkszählung in den 80er Jahren. Was kommt auf uns zu? Und ist der Datenschutz wirklich gewährleistet? Wir beantworten die wichtigsten Fragen.

image

Wann beginnt die Befragung und wer wird befragt?

Offizieller Start ist der 9. Mai. An diesem Tag beginnt die direkte Befragung an der Haustür. Etwa jeder zehnte Einwohner Deutschlands wird nach Zufallsprinzip ausgewählt und nach vorheriger Ankündigung (per Postkarte) aufgesucht. Eltern müssen für ihre minderjährigen Kinder Auskunft geben. Auch Ausländer, Bewohner von Altenheimen und sogar Gefängnisinsassen werden erfasst. Der Termin lässt sich nach Absprache ändern, niemand muss dafür Urlaub nehmen.

Die etwa 7,5 Millionen Besitzer von Häusern und Eigentumswohnungen werden vollständig befragt. Sie (oder die Verwalter der Wohnungen) erhalten die Fragebögen per Post. Doch eigentlich hat die Erhebung schon im Jahr 2008 begonnen, ohne dass wir etwas gemerkt haben. Seither wurden schon zahlreiche Daten aus den Melde-, Grundbuch- und Finanzämtern sowie Arbeitsagenturen und weiteren Behörden zusammengeführt und gespeichert.

Wenn ich als Hauseigentümer keinen Fragebogen erhalte, muss ich mich dann selbst melden?

Nein, diese Pflicht besteht nicht.

Wo kann ich mich vorab informieren?

Auf der offiziellen Behörden-Webseite www.zensus2011.de kann man die Fragebögen anschauen. Ausdrucken kann man sie nicht. Offizielle Begründung: Man befürchtet, einige Menschen könnten sie für das Original halten und zurücksenden. Eine Hotline ist auch eingerichtet: 0611/75 20 11. Mitglieder einer datenkritischen Bürgerinitiative und auch Journalisten haben Testanrufe gemacht und kamen zum Urteil: Die Mitarbeiter waren zwar sehr freundlich, aber teilweise nicht gut vorbereitet und manche gaben sogar falsche Auskünfte. Man sollte sich also aus mehreren Quellen informieren.

Kann ich erfahren, was schon über mich gespeichert wurde?

Unklar. Ob die Behörden Auskunft geben müssen, darüber gibt es unterschiedliche Auffassungen von Juristen. Datenschutzbeauftragte sagen: Einfach bei den Landesstatistikämtern nachfragen und es versuchen.

Was wird genau erfragt?

Die Fragebögen sind sehr detailliert. Es wird zum Beispiel nach Schulabschlüssen gefragt, nach Nebenjobs ab 1 Stunde pro Woche (auch bei Schülern), nach Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, Mutterschutz, staatlichen Leistungen. Man muss sogar die genaue Tätigkeit angeben: "Blumenverkäuferin" statt einfach "Verkäuferin" oder "Zollbeamtin im gehobenen Dienst" statt "Beamtin". Der Gebäude- und Wohnungsbogen ist ebenfalls sehr genau. Erfragt wird z.B. das Baujahr, welche Heizung die Wohnung hat, ob Dusche oder Badewanne, die Zahl der Bewohner.

Gibt es auch sehr "heikle" Fragen?

Ja, zum Beispiel nach dem Migrationshintergrund ab 1955, also teilweise bis zu den Großeltern zurück. In vielen EU-Ländern gibt es diese Frage nicht. Sehr umstritten sind die Fragen zur Religion. Muslime sollen ihre genaue Glaubensrichtung angeben (sunnitisch/schiitisch/alevitisch), auch Buddisten und Hindus sollen Angaben machen. Angehörige öffentlich-rechtlicher Religionsgemeinschaften (wie katholische und evangelische Kirche) müssen Auskunft geben, andere nicht. Heikel erscheinen auch die Fragen, ob man mit einem Partner zusammenlebt, mit dem man nicht verheiratet ist oder was man in den letzten vier Wochen unternommen hat, um eine Arbeit zu finden.

Was ist mit Menschen, die kein Deutsch verstehen? Die Befrager haben Bögen in 13 verschiedenen Sprachen dabei.

Muss ich die Interviewer in die Wohnung lassen? Nein. Sie müssen lediglich kurze Angaben zu ihrer Person machen und sagen, wer sonst noch in der Wohnung lebt. Dann können Sie sich den Fragebogen aushändigen lassen, diesen in aller Ruhe ausfüllen und per Post zurücksenden. Auch ein Online-Formular gibt es. Wenn sie mögen, können Sie das Formular aber auch gemeinsam mit dem Interviewer ausfüllen. Vorsicht: Lassen Sie sich den Ausweis zeigen. Sicher werden diverse Gauner versuchen, die Zensus-Zeit für ihre Zwecke zu nutzen.

Wie werden die Interviewer ausgesucht und überprüft? Das ist nach Bundesländern unterschiedlich. In einigen Ländern gibt es Aufrufe in den Medien, in einigen werden Beamte, zum Beispiel Lehrer, angeschrieben und aufgefordert, sich zu melden. 80 000 Interviewer werden benötigt. Alle sind zur Geheimhaltung verpflichtet. Niemand soll in seiner direkten Nachbarschaft Befragungen durchführen. Um Schummeleien zu vermeiden, soll es Kontrollanrufe und –befragungen geben. Die Entlohnung ist nicht üppig: In Hamburg beträgt sie zum Beispiel 7,50 Euro pro Fragebogen.

Wie schicke ich den Fragebogen zurück?

Wenn Sie den Fragebogen mit normaler Post senden, gibt es immer die Gefahr, dass er verloren geht oder in falsche Hände gerät. Also sollten sie das Geld für ein "Einschreiben mit Rückschein" investieren. Wer online antwortet, erhält ein geschütztes Passwort. Experten bezweifeln aber, dass dies vor Hackerangriffen hundertprozentig sicher ist. Wahrscheinlich am besten: Sie geben den Fragebogen persönlich bei der "Erhebungsstelle" ab.

Was passiert, wenn ich verreist bin?

Dann werden Sie mehrfach angeschrieben, bzw. aufgesucht. Das alles kann sich mehrere Wochen hinziehen. Unklar ist, was passiert, wenn jemand zum Beispiel auf einer Weltreise ist und gar nichts von der Befragung weiß. Wenn Vermieter oder Verwalter nicht angeben (können), wer genau in der Wohnung lebt, können die Mieter auch direkt befragt werden. Nachbarn oder Arbeitskollegen dürfen übrigens nicht "ersatzweise" befragt werden. Diese häufig zitierte Behauptung hat sich als Gerücht entpuppt.

Und wenn ich nicht antworten möchte?

Für Verweigerer sind je nach Bundesland unterschiedlich hohe Buß- und Zwangsgelder vorgesehen. Aber natürlich kann z.B. niemand überprüfen, wie viele Stellenanzeigen Sie in den letzten Wochen gelesen haben. Und Sie können auch versuchen, juristisch gegen die Befragung vorzugehen. Sehr informativ ist die Web-Seite des Arbeitskreises Vorratsdatenspeicherung

Wo gibt es die größten Datenschutzprobleme?

Diverse Vorschriften sollen den Datenschutz garantieren. So gibt es ein "Rückspielverbot", das bedeutet: Weder das Sozialamt noch andere Behörden dürfen erfahren, was Sie geantwortet haben. Das größere Problem sehen Kritiker deshalb in Pannen und kriminellen Attacken. Jeder erhält eine Ordnungsnummer, die mit der Person verknüpfbar ist. Erst nach vier Jahren sollen die Daten gelöscht werden. Doch was geschieht, wenn ein Interviewer Fragebögen verliert? Wenn jemand in den Erfassungsstellen das schnelle Geld wittert, die Daten klaut, so wie es im Fall der Steuer-Sünder mit ihren Schweizer Konten geschehen ist? Denn eines ist klar: Der Staat verfügt schon über viele Daten, aber bisher sind sie nicht in einer zentralen Datenbank gespeichert. Dies ist auch ein großer Unterschied zur Volkszählung 1987.

Was kostet die Befragung und wann ist sie fertig?

Mindestens 710 Millionen Euro. Bund und Länder teilen sich die Kosten. Die ersten Ergebnisse sollen im November 2012 vorliegen, genauere Auswertungen 2013.

Text: Beate KomaFoto: Photocase

Mehr zum Thema

VG-Wort Pixel