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Ich bin Feministin Darf ich trotzdem heiraten?

Ich bin Feministin: Darf ich trotzdem heiraten?
© manifeesto / Adobe Stock
Für die einen ist die Hochzeit der große Kindheitstraum, für die anderen ein verstaubtes Konzept. Unsere Autorin fragt sich, ob sie als Feministin überhaupt heiraten dürfte? Schließlich ist die Ehe nicht ohne Patriarchat zu denken.

Eine Traumhochzeit in Weiß. Am besten auf einem alten Weingut in der Toskana. Mit herrschaftlicher Terrasse, einem Pool umrahmt von Orangenbäumen. Pastellfarbene Kleider, lachende Gesichter. Und 150.000 Euro ärmer. So viel kostet die Liebe heutzutage. Jedenfalls wenn wir Instagram und Co. Glauben schenken. 

Was kostet Amore?

In den vergangenen Jahren hat mir der Algorithmus etliche dieser oben genannten Traumveranstaltungen in den Instagram-Feed gespült. Und obwohl ich nie den Wunsch nach einer großen Hochzeit in mir trug und es mich eher kalt ließ, wenn meine Freundinnen von Brautkleidern und Verlobungsringen schwärmten, regt sich auf einmal etwas in mir. Ich fange an, Gefallen an dem Hochzeitsgedanken zu finden, aber ich kann es nicht zugeben. Denn: Ich bin ja Feministin, ich darf heiraten nicht gut finden. Die Ehe ist doch immer noch ein Konstrukt, welches geschaffen wurde, um Frauen klein zu halten. 

Dazu muss gesagt sein, dass sich ein solches Hochzeitsspektakel natürlich die wenigsten Menschen leisten können, meiner selbst eingeschlossen – aber träumen darf man ja … wobei, möchte ich überhaupt in diese Kapitalismus-Falle treten? Wünsche ich mir wirklich eine weiße Hochzeit mit allem drum und dran oder einfach eine lebenslange Partnerschaft auf Augenhöhe, die ohne das Spektakel auskommt? Ihr merkt, mein innerer Konflikt ist hiermit geboren. Auf der einen Seite finde ich den Gedanken schön, ein Fest für die Liebe zu feiern, zusammen mit meiner Familie und Freund:innen. Auf der anderen Seite weiß ich, dass die Institution Ehe nicht ohne das Patriarchat gedacht werden kann – und somit wegmüsste, oder?

Ehe und Feminismus – das kann nicht gutgehen

Die Ehe ist sozusagen das erstgeborene Kind des Patriarchats, das die Unterdrückung der Frauen und ihre Ungleichheit mit den Männern zentriert und institutionalisiert. "Auch wenn wir vielleicht das Gefühl haben, dass die Ehe heute anders funktioniert als noch vor 50 Jahren, viele Ehegesetze abgeschafft wurden, so ist sie doch immer noch ein Instrument zur Unterdrückung der Frau", erklärt Politikwissenschaftlerin Emilia Roig in "Das Ende der Ehe".

Es gäbe zwar mittlerweile ein neues, hippes Bild der Ehe mit vielen Instagram-Seiten und Pinterest-Boards, die den Eindruck vermitteln, dass die Institution gar nicht mehr die gleiche sei wie vor 40 oder 50 Jahren, das sei aber ein Trugschluss, fügt Roig hinzu. Wenn wir unsere Beziehung vor dem Staat geltend machen wollen – also heiraten – sparen wir Steuern. Der Staat ist hier keine neutrale Entität, er fördert das Konzept gezielt. Denn die kostenlose Care-Arbeit wird in Hetero-Ehen meist von Frauen geleistet, wenn Frauen diese Care-Arbeit nicht machen würden, müsste der Staat sie anders organisieren und das wäre vermutlich sehr viel teurer. Die Ehe entlastet den Staat. 

Für Frauen, die weniger verdienen als ihre Männer, dient die Ehe zwar auch als eine finanzielle Absicherung. Jedoch ist sie gleichermaßen der Nährboden, aus der finanzielle Unsicherheit überhaupt erst entsteht, solange es in der Gesellschaft Ungerechtigkeiten gibt, die es Frauen eben nicht ermöglicht, unabhängig von ihren Männern zu leben.

Der Wunsch zu heiraten, kommt oft von Frauen

Frauen mögen heutzutage noch so feministisch und selbstbestimmt leben, die Hochzeit ist für viele immer noch ein großes Lebensziel, auf das sie hinarbeiten. Ein Kleid in Weiß, der Brautvater, der seine Tochter dem künftigen Ehemann übergibt, der Brautstraußwurf sowie die romantische Hochzeitsnacht. Sogar die Traditionen, die wir feiern und romantisieren, sind eigentlich zutiefst sexistisch. 

Das weiße Kleid steht für die Jungfräulichkeit und Reinheit der Braut, bei der Übergabe durch den Brautvater an den Ehemann wandert die Braut vom Besitztum des einen Mannes in das des anderen über. Und der Brautstrauß, um den sich alle reißen? Es möchte doch niemand unverheiratet oder als trauriger Single zurückbleiben?! Und da schließt sich der Kreis. Früher wollten Frauen heiraten, weil es ihre einzige Möglichkeit war, für sich zu sorgen. Sie durften in ganz vielen Berufen nicht arbeiten und führten ohne einen Mann ein deutlich ärmeres Leben. 

Heute wollen Frauen heiraten, weil ihnen in unserer patriarchal geprägten Gesellschaft von klein auf eingeredet wird, dass sie ohne Mann (und ohne Kinder) weniger wert sind. Dieser Gedanke ist tief im Unterbewusstsein verankert. Mir war zwar bewusst, dass die Ehe patriarchal ist, dachte mir aber jüngst ja auch, dass sich so eine Hochzeit aus Liebe mit dem Versprechen, alles zu teilen und füreinander zu sorgen, in guten und in schlechten Zeiten, doch ganz schön anhört.

Liebe ohne Ehe? Das geht

Es lohnt sich also zu hinterfragen, warum wir den Drang haben, zu heiraten. Was ist unser Ziel? Wollen wir einfach unsere Liebe bekunden und dafür ein Fest mit all unseren Herzensmenschen feiern? Das geht auch ohne den Schein vom Standesamt. Wollen wir finanzielle Absicherung? Dann wäre es sinnvoll vorher zu klären, wer und in welcher Form durch eine Hochzeit profitiert oder benachteiligt wird. Solange diese Punkte durchdacht und uns bewusst sind, kann eine Ehe auf Augenhöhe durchaus funktionieren. Wobei der Zufriedenheitsgrat der Partnerschaft wohl weniger von der Ehe als einem liebe- und respektvollen Miteinander bestimmt wird.

Denn Liebe geht auch ohne Ehe. Emilia Roig merkt beispielsweise an, dass das Ende der Ehe mit sich bringen würde, dass die monogame Beziehung nicht mehr das ultimative Lebensziel eines jeden Menschen ist. Dass wir abseits Geschlechterkategorien denken und viel mehr Freiraum erlangen, unser Leben zu gestalten. Warum wir überhaupt noch an der Ehe festhalten? Menschen wollen häufig lieber einem vorgefertigten Skript folgen, weil ihnen das Sicherheit und einen Rahmen bietet, an dem sie sich langhangeln können. 

Ein feministischer Akt wird die Hochzeit wohl nie. Dafür sind ihre Traditionen zu alt, ihre Historie zu tief verwurzelt mit dem Patriarchat, ich glaube dennoch, dass man auch als Feministin selbstbestimmt heiraten dürfen sollte. Solange man sich bewusst ist, warum man es tut. 

Brigitte

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