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"Haben sie euch ins Hirn geschissen?" Intensivpflegerin postet Wut-Story zu Corona-Ignoranz auf Instagram

Jenny hat kein Verständnis für Menschen, die die Krise auf die leichte Schulter nehmen.
"Es trifft auch junge Menschen!" Jenny aus München kämpft täglich als Fachkraft für Anästhesie und Intensivpflege an der Corona-Front. Jetzt berichtet sie mit heftigen Worten auf Instagram, wie anstrengend die Arbeit im Krankenhaus ist und warnt besonders junge Leute, das Coronavirus ernst zu nehmen.

Es sind schockierende Worte, mit denen Jenny in einer Instagram-Story auf ihrem Account jenny_van_lotus von ihrer Arbeit auf der Intensivstation eines Krankenhauses in München berichtet: "Die Nacht war echt scheiße. Ich hatte Nachtdienst auf der Intensivstation. Ich habe gestern um 21 Uhr angefangen. Das ging bis heute morgen um 7. Ich dachte, ich kann dann nach Hause gehen, aber dann kam ein Anruf und ich musste gleich ins nächste Krankenhaus zu einer anderen Intensivstation, um einem sehr jungen Lungenpatienten zu helfen, dem es sehr schlecht ging. Der musste an die Herz-Lungen-Maschine."

Bei ihrer Arbeit begegnet Jenny immer wieder jüngeren Corona-Infizierten: "Die meisten unserer Patienten sind älter, aber wir haben auch junge Patienten. Der jüngste war zwischen 20 und 30. Ein Sportler, kerngesund, keine Vorerkrankungen, kein Raucher – beatmet auf der Intensivstation.

Angesichts der herausfordernden Arbeit im Krankenhaus und dem Leid ihrer Patienten ist es für Jenny schwer zu ertragen, dass viele Leute noch immer die Regeln der aktuellen Ausgangsbeschränkungen missachten: "Diese Story ist für all diejenigen, die es immer noch nicht gecheckt haben. Ich sehe in den Insta-Storys der Leute ständig, dass sie sich immer noch mit Freunden treffen, zum Kochen oder zum Fernsehabend. Da denke ich jedes Mal: Haben sie euch eigentlich ins Gehirn geschissen? Habt ihr noch ein Hirn?

Das hat alles Gründe, warum man sagt, nur mit den Leuten, mit denen man zu Hause lebt, und warum es diese Ausgangsbeschränkung gibt. Selbst im zweiten Weltkrieg hatten wir sowas nicht und es ist wirklich kein Spaß.

Jenny möchte insbesondere jüngere Menschen davor warnen, das Coronavirus nicht ernst zu nehmen: "Man hört in den Medien immer, es trifft hauptsächlich die Alten. Jein … Die jungen Leute stecken die Infektion besser weg, das heißt aber nicht, dass junge Leute nicht auf die Intensivstationen kommen. Wir haben sehr wohl sehr viele junge, beatmete Patienten, denen es echt scheiße geht. Bei den alten Leuten ist aber die Sterberate deutlich höher. Kurz zusammengefasst: Es trifft alle, ob jung oder alt."

Ihr emotionales Video beendet Jenny mit einem eindringlichen Appell: "Leute, bleibt zu Hause! Ihr könnt ja rausgehen und kurz frische Luft schnappen. Aber muss man jeden Tag einkaufen gehen und frische Semmeln beim Bäcker holen? Ich kann doch auch so planen, dass ich nur alle vier Tage Lebensmittel hole. Aber da bummeln die Leute mit einem leeren Einkaufswagen im Supermarkt herum, weil sie Langeweile haben. Der Drogeriemarkt ist voll, vor der Eisdiele stehen 20, 30 Leute und wollen sich eine Kugel Eis holen. Muss das unbedingt sein? Es gibt eine Ausgangssperre und das heißt: Man soll so gut wie möglich zuhause bleiben."

"Viele Leute wollen jetzt ihr Verhalten ändern"

Zu den Auswirkungen ihrer Story auf Instagram haben wir mit Jenny, die ihren vollständigen Namen zum Schutz der Privatsphäre ihrer Patient*innen nicht nennen möchte, ein kurzes Gespräch am Telefon geführt. Hier schildert sie, wie die Leute auf ihren dringenden Appell reagieren und berichtet außerdem, wie es um die Materialausstattung in ihrem Krankenhaus steht.

Liebe Jenny, deine Wut-Story zu den Zuständen auf den Intensivstationen und die Gefahren des Coronavirus auch für junge Menschen sorgt gerade für viel Aufsehen. Hast du das Gefühl, deine Botschaft, dass die Leute bitte endlich zu Hause bleiben sollen, ist jetzt angekommen?

"Definitiv, ja. Ich kriege ganz viele Anfragen und Nachrichten zu dieser Story. Die Leute bedanken sich dafür, dass ich sie mit dieser Story aufgerüttelt habe. Sie schreiben, ihnen sei vorher nicht bewusst gewesen, wie wichtig es ist, dass alle an einem Strang ziehen und wollen jetzt ihr Verhalten ändern."

Du sagst, es gibt zwar noch freie Intensivbetten, aber die Krankenhäuser seien jetzt schon stark belastet - was glaubst du, wie lange halten die Ärzt*innen und Pflegekräfte diese Belastung aus?

"Da ist natürlich die Sache mit der Arbeitskleidung und den FFP3-Masken, das ist extrem anstrengend. Nach 30 Minuten atmet man durch den Mund, weil man nicht mehr durch die Nase atmen kann. Nach 3 bis 4 Stunden mit diesen Masken ist man fix und fertig. Dann macht man Pause, muss sich wieder einschleusen und dann noch mal 3 bis 4 Stunden. Nach so einem Arbeitstag kann man nichts mehr machen. Nach fünf solcher Tage kriecht man und braucht erst mal frei. Wenn das viele Wochen so weitergeht und noch eine riesengroße Welle an Infizierten kommen sollte, ist die Frage, ob man das über mehrere Wochen hinweg körperlich schaffen kann. Deswegen mein Appell: Es ist extrem wichtig, dass sich so wenig Leute wie möglich infizieren, damit diese Welle nicht kommt. 

Wie sieht es bei euch mit der Schutzausrüstung aus?

"Wir haben Mundschutz, Kittel, Gesichtsvisierhauben und Handschuhe. Wie in allen Kliniken ist auch bei uns das Material rar, wir müssen schauen, dass wir nicht verschwenderisch arbeiten. Unsere Standardlieferanten liefern nicht mehr. Unsere Masken kommen aus China und den USA, das Material ist bunt zusammengewürfelt. Natürlich haben wir Angst, dass wir irgendwann kein Material mehr bekommen. 

Momentan haben wir aber trotzdem noch eine sehr gute Qualität in der Patientenversorgung in den Kliniken und man braucht keine Panik haben. Damit das so bleibt, ist es aber wichtig, dass wir eine große Ansteckungswelle verhindern. Also – haltet noch ein paar Wochen die Füße still, entlastet die Krankenhäuser, nehmt Rücksicht und helft dabei, dass so wenig Leute wie möglich sich anstecken."

Liebe Jenny, vielen Dank für diese Informationen und alles Gute für dich und deine Kolleg*innen!

mh Brigitte

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