Anzeige

Arzt beantwortet Fragen zu AstraZeneca, die sich jeder gerade stellt

Corona aktuell: AstraZeneca
© oasisamuel / Shutterstock
Die Einschränkung der Corona-Impfung mit AstraZeneca sorgt für Verunsicherung in der Bevölkerung. Impfarzt Prof. Dr. Löscher hat uns die gängigsten Fragen zu den Impfungen beantwortet.

Die Corona-Impfungen mit AstraZeneca wurden für Menschen unter 60 Jahren gestoppt. Das haben Bund und Länder aufgrund einer aktualisierten Altersempfehlung der STIKO (Ständigen Impfkomission) am Dienstagabend beschlossen. 

Grund für die Maßnahme ist das Auftreten von Hirnvenenthrombosen in zeitlichem Zusammenhang mit der AstraZeneca-Impfung. In Deutschland sind bislang 31 solcher Fälle bekannt, neun davon verliefen tödlich, ein Großteil der betroffenen waren junge Frauen.

Die Zusammenhänge müssen nun näher untersucht werden. Da es sich bei den Betroffenen jedoch um Menschen unter 65 Jahren handelt, ist der Impfstoff für Ältere nach wie vor freigegeben. Trotzdem herrscht Verunsicherung in der Bevölkerung. Was bedeutet eine Hirnvenenthrombose überhaupt? Welche Menschen sollten sich jetzt nicht mehr mit AstraZeneca impfen lassen – und wer muss sich keine Sorgen machen? Diese Fragen haben wir Prof. Thomas Löscher vom Berufsverband Deutscher Internisten (BDI e.V.) gestellt. Als erfahrener Arzt für Innere und Tropenmedizin arbeitet er gerade selbst in einem Impfzentrum.

Wie bildet sich die Hirnvenenthrombose denn überhaupt?

"Man nimmt an, dass durch die Impfung Antikörper entstehen, die sich selten auch gegen unsere Blutplättchen, die sog. Thrombozyten, richten. Diese sind für die Blutgerinnung zuständig und damit lebenswichtig. Wissenschaftler der Uni Greifswald und anderer Forschungseinrichtungen konnten zeigen, dass diese Antikörper zu einem Abfall der Thrombozyten führen können und dazu, dass diese in Blutgefäßen verklumpen – wie es normalerweise geschieht, wenn man etwa eine Verletzung hat und ein Schorf entsteht. Wenn so etwas in den Gefäßen im Körper passiert, können sich Thrombosen bilden. Aus noch nicht geklärten Gründen sind diese vor allem bei jüngeren Frauen beobachtet worden und in ansonsten ungewöhnlichen Lokalisationen aufgetreten wie in den Hirnvenen oder auch in Darmvenen und in Arterien.

Und wenn man die Häufigkeit dieser Fälle auf die Altersgruppe umrechnet, muss man schon sagen, Hoppla, das ist ein wichtiges Signal. Da hat die STIKO richtig gehandelt und gesagt, Stopp, wir schauen uns das genauer an – auch weil für diese Altersgruppe das Risiko an Covid schwer zu erkranken oder zu sterben ja relativ gering ist. Da muss man natürlich auch das Risiko sehr seltener aber schwerer Nebenwirkungen der Impfung im Vergleich sehen."

Zunächst war der Impfstoff nur für jüngere Menschen zugelassen – jetzt plötzlich nur für ältere. Wie kann dieser Tausch sein?

"Dass der AstraZeneca-Impfstoff in Deutschland von der STIKO zunächst nur für Menschen bis 64 zugelassen war, lag einfach dran, weil es bei den Älteren ganz wenig Daten gab. Die Daten kamen dann aber, daraufhin hat die STIKO die Impfung ohne Altersbeschränkung freigegeben – das hatte nichts mit Nebenwirkungen zu tun. Jetzt sieht man eben diese sehr seltenen, aber schwerwiegenden Nebenwirkungen insbesondere bei jüngeren Frauen, da ist es völlig richtig, darauf zu reagieren."

Gibt es generelle Ausschlusskriterien für die AstraZeneca-Impfung außer das Alter?

"Dafür ist die Datenlage noch zu sparsam. Es gibt kein Medikament, das wirkt, das nicht auch Nebenwirkungen hat. Also wenn jemand schon einmal eine Thrombose oder Entzündung der Hirnvenen hatte, würde ich nicht mit AstraZeneca impfen. Wenn jemand eine Beinvenenthrombose hatte, sehe ich das nach der derzeitigen Datenlage zumindest bei Älteren nicht als Risiko. Auf der anderen Seite ist es auch Quatsch, wenn Behörden wie die Europäische Arzneimittelagentur so tun, als wenn die Impfung überhaupt kein Risiko darstellt, das stimmt einfach nicht. Es gibt vor allem bei jüngeren Frauen ein geringes aber relevantes Risiko für diese sehr seltene aber schwerwiegende, möglicherweise tödliche, Nebenwirkung."

Was würden Sie denn jemandem raten, der jetzt einen Impftermin mit AstraZeneca hat, aber verunsichert ist?

"Also wenn er mindestens 60 Jahre alt ist und keine speziellen Risikofaktoren hat – Richtung Gerinnungsstörung, Embolien, schweren Thrombosen – dann würde ich auf jeden Fall zur Impfung raten. Weil das Risiko der schweren Nebenwirkungen in diesem Alter ja im Grunde nicht bekannt ist. Und generell muss man sagen: Die älteren Leute vertragen alle aktuellen Corona-Impfungen viel besser. Jüngere fühlen sich nicht selten 1 bis 3 Tage krank, während Ältere das oft problemlos wegstecken und nichts bemerken."

Vielen lieben Dank für das Gespräch!

mjd

Mehr zum Thema

VG-Wort Pixel