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Alles nur noch Fake? Bloggerin rechnet mit Coachella ab

Coachella: Bloggerin rechnet mit dem Festival ab
© Presley Ann / Getty Images
Das Coachella-Festival steht für gute Laune und tolle Outfits – jedenfalls vor der Instagram-Linse. Eine Bloggerin rechnet jetzt mit der Szene ab. Unserer Autorin spricht sie aus der Seele.

Wow, ein Riesenrad in meinem Insta-Feed! Davor Mädels mit bunten Haaren, dahinter die untergehende Sonne … Ein schönes Bild. Wäre nicht schon meine ganze Timeline voll mit demselben Motiv. Willkommen zur Coachella-Zeit!

Wer Rang und Namen in der Blogger-Szene hat (oder davon träumt), für den ist das Coachella eine feste Instanz: Jedes Jahr lockt das Mega-Festival in der Nähe von L.A. Influencer und Insta-Sternchen aus aller Welt an. Und die Timelines der Follower sind plötzlich voll von den immer gleichen Motiven – inklusive entsprechender Marken- und Produktverlinkungen, versteht sich. 

Bloggerin Luisa kritisiert – und erntet tausendfache Zustimmung

Wer zwar in Kalifornien ist, es aber nicht aufs Festival geschafft hat – Ticketpreise liegen im drei- bis vierstelligen Bereich –, postet Fotos von einer der zahllosen Partys, die um das Festival herum aufploppen wie die Schmeißfliegen. Der Hype um Coachella ist groß wie nie. Doch mittlerweile wird die Kritik an dem (einstigen) Musikfestival immer lauter.

Eine derjenigen, die mit dem Groß-Event abrechnet, ist Luisa Eckhard alias Luísa Líon. Die 28-Jährige ist als Bloggerin Teil der Szene und gibt auch unumwunden zu, selbst zur Euphorie beizutragen. In einem emotionalen Instagram-Post schreibt sie sich jetzt aber ihren Frust von der Seele. Denn das Festival verkomme mehr und mehr zum Schaulaufen, sagt sie – um die Musik ginge es fast niemandem mehr.

Folge des Hypes seien zum einen überteuerte Preise, wie Luisa bemängelt. Zum anderen aber, und der Vorwurf geht vielleicht viel tiefer, vermittle das Festival – mal wieder – ein völlig verzerrtes Bild von Mitmenschen und vermeintlicher Normalität: "Hier bekommen selbst die hübschesten Mädels Komplexe, weil es immer wen schöneres, dünneres, größeres, 'perfekteres' gibt." 

Ohnehin ein Phänomen der "Insta-Gesellschaft" – doch dieser Massenauflauf der Blogger-Szene bringt den Realitätsverlust tatsächlich auf ein anderes Level. Ja, Festivals waren schon immer auch Ausdruck eines Lebensgefühls, sei es das Tomorrowland, Rock am Ring oder Woodstock. Doch bei Coachella, einst träumerisch besungener Sehnsuchtsort der Anfang Zwanzigjährigen, scheint es mehr als anderswo nahezu nur noch um Kommerz zu gehen.

"Es ist wie ein Catwalk", erzählt Luisa in ihrer Story. Outfits, Haare, Looks und Partys stünden im Mittelpunkt – "wen man kennt, mit wem man was gemacht hat, und an fünfter Stelle vielleicht kommt die Musik".

Und ja, ganz ehrlich: Bis auf Beyoncé (Timeline rauf, Timeline runter) habe ich vom Line Up fast nichts mitbekommen. Dafür weiß ich, dass Caro Daur im Helikopter kam. Und welche Tasche ich mir fürs nächste Festival UNBEDINGT zulegen sollte … #furladesertvibes 

Offenbar spricht Luisa jedenfalls vielen aus der Seele: Mehr als 50.000 Likes erntete sie schon für ihren Post. Sicher – auch das bringt wieder Reichweite, die der Bloggerin zugutekommt. Trotzdem wirkt ihr Text glaubwürdig. Ihre Worte nimmt man der gebürtigen Hamburgerin auch deshalb ab, weil sie das Coachella schon vor Jahren besuchte. Der Vergleich der alten Fotos mit denen aus jüngerer Zeit ist krass – von "normalen" Bildern mit Freunden hin zu hochprofessioneller Selbstinszenierung.

Eine Kollegin aus der BRIGITTE.de-Redaktion, die das Festival vor zwei Jahren besucht hat, bestätigt übrigens: "Da war alles noch kleiner und überschaubarer." Beauty-Redakteurin Karo hat allerdings auch Verständnis für das Spektakel in der kalifornischen Wüste. "Wer sich ein Ticket kauft, der weiß, worauf er sich einlässt", sagt sie. 

BRIGITTE.de-Redakteurin Karo war vor zwei Jahren beim Coachella: "Da war alles noch kleiner."
BRIGITTE.de-Redakteurin Karo war vor zwei Jahren beim Coachella: "Da war alles noch kleiner."
© privat / Brigitteonline

Pünktlich zum Sonnenuntergang werde vor dem berühmten Riesenrad gepost und geknipst, was das Zeug hält, berichtet Karo. "Alles für die Instagram-Community! Da kann man seinen Lieblingsact auf der riesigen Bühne schnell mal vergessen." Ohnehin hätten die großen Stars sie nicht begeistert. Gänsehaut kam ganz woanders auf: "Bei James Bay, der damals auf einer kleinen Bühne auftrat. Solo und nur mit Gitarre – ein intimer Moment bei diesem großen Schaulaufen."

Feiern in der Wüste – und ein umstrittener Besitzer

Kritiker monieren an dem Festival unterdessen noch ganz andere Punkte. Zwei Wochenenden hintereinander wird die kalifornische Wüste zur Party-Hochburg – ausgerechnet ein Ort, der immer wieder mit Wasserknappheit kämpft. It-Girl Cara Delevingne hat sogar einen eigenen Hashtag des Boykotts erfunden: #nochella. Der Hintergrund ist allerdings ein völlig anderer. "Ich weigere mich, zu einem Festival zu gehen, dessen Besitzer gegen die LGBT-Gemeinschaft und für Waffen ist", schreibt das It-Girl in seiner Insta-Story. Gemeint ist der US-Unternehmer und Milliardär Philip Anschutz, dessen Firma das Festival betreibt.

Gründe, das Coachella nicht zu besuchen, gibt es also viele. Den Besucherstrom wird das vermutlich nicht stoppen.

Übrigens: Woodstock markiert gemeinhin das Ende der Hippie-Ära – ab da war die Bewegung endgültig Mainstream.

Ungeachtet aller Kritik: Wunderschöne Outfits gibt es auf dem Coachella natürlich tatsächlich zu sehen. 😉 Neugierig? Schaut mal hier: 

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