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Cindy McCain: Die Klischee-Besetzung

First Lady, das wäre eine Rolle, in die Cindy McCain hineingeboren zu sein scheint. Die Frau des republikanischen Präsidentschaftskandidaten John McCain ist eine Getriebene, die unbedingt ins Weiße Haus möchte. Ein Porträt von Till Raether.

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Manche Menschen passen so gut in ihre Rolle, dass sie zum Klischee werden. Beim Film spricht man in diesem Fall von "type-casting": Jemand wird genau nach seinem Typ besetzt. Cindy McCain, 54, ist ein krasser Fall von "type-casting": Alles an der Ehefrau des republikanischen Präsidentschaftskandidaten John McCain, 72, wirkt, als sei sie im großen Besetzungsbüro des Lebens dazu auserkoren worden, eines Tages die First Lady der USA zu werden. Sie passt so gut in ihre Rolle, dass sie fast unsichtbar wird. Aber es wäre ein Fehler, sie zu übersehen. Denn vermutlich wird sie von einem dringenden persönlichen Grund getrieben, First Lady werden zu wollen. Und bei der Wahl wird sie als Frau neben John McCain eine entscheidende Rolle spielen, mehr als Sarah Palin, John McCains eher verunglückter Vizepräsidentinnen- Überraschungscoup.

Cindy McCain kommt aus Phoenix, Arizona, im weitesten Sinne also aus der amerikanischen Provinz. Mit 14 war sie Rodeo-Königin, mit 26 heiratete sie John McCain, viele Jahre lang lebten die Eheleute in Phoenix praktisch Tür an Tür mit Cindys Eltern. Zu dieser bilderbuchartigen Bodenständigkeit kommt eine große Portion Geld: Cindy McCain stammt aus einer sehr wohlhabenden Familie, die John McCain vor allem zu Beginn seiner politischen Karriere finanziell unterstützte. Anderenfalls würde der Ex-Soldat McCain heute von seiner Militärrente leben und hätte nicht die reelle Chance, am 4. November gegen Barack Obama zu gewinnen.

Als Cindys Vater starb, übernahm sie seinen Bier-Großhandel, ihr letztes veröffentlichtes Jahreseinkommen betrug 6 Millionen Dollar. Sie kann also mit Geld umgehen, hat aber selbst nie politische Ambitionen gehabt. Für viele konservative Amerikaner, die den Wohlstand verehren und von Hillary Clintons Ehrgeiz als First Lady abgestoßen waren, eine wunderbare Kombination. Cindy McCain ist von Beruf Sonderschullehrerin. Sie hat vier Kinder, darunter eine Adoptivtochter, Bridget, die sie vor 17 Jahren als Baby in Mutter Teresas Waisenhaus in Bangladesch fand - eine rührende, aber umstrittene Geschichte, deren Details sie gern romantisch verklärt. Am Flughafen in den USA präsentierte sie Bridget ihrem Mann John McCain als seine neue Tochter. Zwei ihrer Söhne sind in der Armee, der jüngere, Jimmy, gehört zur Elite-Einheit der Marines und war bis vor Kurzem im Irak - sie ist also eine Mutter, die die größte außenpolitische Katastrophe der USA nicht nur aus dem Fernsehen kennt.

Um das perfekte Bild abzurunden, bräuchte es dann jetzt noch den einen oder anderen Schönheitsfehler, damit der Rest umso heller strahlt. Ende der 80er wurde Cindy McCain nach zwei Rückenoperationen tablettenabhängig, sie stahl Schmerzmittel von einer Wohltätigkeitsorganisation, die sie selbst gegründet hatte, und verheimlichte es vor ihrem Mann, weil sie, wie sie sagt, "eine perfekte Ehefrau" sein wollte. Ihre Eltern konfrontierten sie mit ihrer Sucht, dann flog der Diebstahl auf, Cindy McCain gestand, bereute, begab sich in Therapie und gilt seitdem als Geläuterte, der nichts Menschliches fremd ist. Und die zum Thema Drogensucht dank eigener Erfahrung mehr beitragen kann als ihrerzeit etwa Nancy Reagan mit ihrem schlichten "Sagt einfach Nein!"-Anti-Drogen-Programm.

Ein Makel also, der sich zu etwas Positivem entwickelt hat. Der Rest ist vernachlässigbar: Als ihr Mann vor langer Zeit in einen Korruptionsskandal verwickelt war, konnte sie ein paar Quittungen nicht finden, die ihn entlastet hätten; und zeitweise waren die Kochrezepte, die unter ihrem Namen auf John McCains Website standen, nicht von ihr. Details, die so unwesentlich sind, als wären sie lanciert worden, damit die mögliche First Lady nicht allzu glatt wirkt.

Cindy McCain, mag man also denken, ist ein gar zu perfekter, langweiliger Gegenentwurf zur unangepassten, kämpferischen Juristin Michelle Obama, der Frau des demokratischen Kandidaten. Im Gegensatz zu ihrer Konkurrentin äußert Cindy McCain sich öffentlich sehr vorsichtig, sehr erwartbar und wenig geistreich. Über ihre Rolle sagt sie: "Ich versuche, eine gute Ehefrau zu sein. Ich möchte, was er möchte, was das Beste für ihn ist." Und als Michelle Obama zugab, angesichts der Nominierung ihres Mannes zum ersten Mal "wirklich stolz" auf Amerika zu sein, sagte Cindy McCain, sie hingegen sei schon immer stolz auf ihr Land gewesen.

Die beiden Frauen haben im Grunde nur eines gemeinsam: Beide versichern nachdrücklich und fast glaubhaft, nicht um jeden Preis ins Weiße Haus einziehen zu wollen.

Aber wenn man beobachtet, wie Cindy McCain bei Wahlkampf-Auftritten neben ihrem Mann steht, wie sie geduldig tagein, tagaus den gleichen Sprüchen lauscht, wie sie erträgt, dass er sie launig als Kandidatin eines berüchtigten studentischen Schönheitswettbewerbs vorschlägt - dann sieht man eine Frau, deren feine, aber starre Gesichtszüge eine stumme Entschlossenheit ausdrücken, ihre Silhouette ist schmal, hart, voll gespannter Erwartung. Und man bekommt den Eindruck: Von allen, die im Rennen sind, hat sie den stärksten Willen, ins Weiße Haus einzuziehen. Für die Obamas wäre es zwar die Gelegenheit, Weltgeschichte zu schreiben und viele Wunden zu heilen. Für John McCain wäre es die Erfüllung eines Traumes, der schon einmal zerplatzte, als er im Jahr 2000 im Vorwahlkampf ausschied. Für Cindy McCain aber wäre es: tiefe Genugtuung, vielleicht sogar Rache.

Im Vorwahlkampf vor acht Jahren galt McCain lange als Favorit, das Rennen war eng, bis George W. Bush ihn in South Carolina vernichtend schlug. Kurz vor dieser entscheidenden Wahl war ein anonymes Flugblatt aufgetaucht, in dem behauptet wurde, dass McCains dunkelhäutige Tochter Bridget aus Bangladesch gar nicht adoptiert, sondern das Resultat eines Seitensprungs von McCain sei. Dieses Flugblatt und eine aggressive, ebenfalls anonyme Telefonkampagne, die das gleiche Gerücht verbreitete, gelten als wahrscheinliche Ursache für McCains damalige Niederlage gegen den späteren Präsidenten Bush. Und obwohl George W. Bushs Wahlkampf- Team energisch bestritt, mit der Schmutzkampagne etwas zu tun zu haben, war klar, dass in allererster Linie Bush von ihr profitierte; Zweifel sind bis heute geblieben.

Freunde sagen, dass damals etwas zerbrochen ist in Cindy McCain. Sie selbst hat erzählt, wie ihre ahnungslose Tochter erst vor zwei Jahren im Internet auf die Gerüchte von damals stieß und anschließend weinend zu ihr kam. Manche Beobachter vermuten, dass sich Cindy McCain das Drama und die Strapazen des Wahlkampfes nur deshalb noch einmal antut, damit ihr Mann und sie Bush und seiner Frau Laura endlich zeigen können, wie man es besser macht im Weißen Haus. Auf dem Parteitag der Republikaner hatte sie einen Auftritt für ein Hurrikan-Hilfsprogramm, musste die Bühne aber mit Laura Bush teilen, unnachgiebig lächelnd, aber in diesem Augenblicken wirkte sie fast gequält.

Jetzt, in dieser späten Phase des Wahlkampfes, bleibt Cindy McCain nur, keinen Fehler zu machen und zu hoffen, dass ihr Mann keinen macht. Politische Positionen spielen keine große Rolle mehr: Der anfangs linksliberal scheinende Obama ist etwas nach rechts gerückt, und auch der als gemäßigt geltende McCain äußert sich mittlerweile konservativer. Im Grunde haben sich beide in der Mitte getroffen. Ob Cindy McCain am Ende zu perfekt oder gerade perfekt genug für ihre mögliche Rolle war, um John McCain bei den Wählerinnen und Wählern zu helfen - darauf hat sie keinen Einfluss. Sie kann nicht viel mehr tun, als weiter entschlossen ihr eigenes Klischee zu sein. Denn für die Rolle der First Lady kandidiert man nicht; das Schicksal besetzt sie.

Cindy und John McCain: Eine amerikanische Ehe

Cindy Lou Hensley und John McCain lernten sich 1979 in Honolulu kennen, in der Endphase seiner ersten Ehe. Sie war 25, er 42. "Wir schummelten beide bei unserem Alter", erzählt Cindy McCain, "ich machte mich älter, er machte sich jünger." 1980 heirateten sie. Zwei Jahre später begann die Polit-Karriere des Vietnam-Veteranen und ehemaligen Kriegsgefangenen McCain bei den Republikanern, unterstützt von Cindys Familie. Von ihrem Vater erbte sie den drittgrößten Bier- Großhandel der USA, Hensley & Company. Die McCains haben vier Kinder, zwei Töchter und zwei Söhne. Falls John McCain die Präsidentschaftswahl am 4. November gewinnt, möchte Cindy McCain sich unter anderem für das Thema Adoption engagieren.

Text: Till Reather Foto: dpa

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