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Lina Thomsgård: Die Frauen-Finderin

Die Schwedin Lina Thomsgård wollte nicht mehr hinnehmen, dass überall nur männliche Experten auftreten und interviewt werden. Mit ihrem "Gerechtigkeitsbüro" im Internet findet sie kompetente, kluge, witzige, außergewöhnliche Frauen.
Lina Thomsgård, PR-Beraterin aus Stockholm, setzt sich mit ihrem "Gerechtigkeitsbüro" für mehr Expertinnen ein.
Lina Thomsgård, PR-Beraterin aus Stockholm, setzt sich mit ihrem "Gerechtigkeitsbüro" für mehr Expertinnen ein.
© Frida Sjogren

Man kann sagen, dass alles anfing, weil Lina Thomsgård, 32, die Schnauze voll hatte. "Sie existieren nicht", war der Satz, den sie hörte, als sie den Manager des besten Musikclubs Stockholms fragte, warum bei ihm keine weiblichen DJs auflegen. Linas Antwort war: Gib mir 24 Stunden, und du hast eine Liste mit 100 Namen. Das war im März 2010, sie arbeitete damals noch beim Plattenlabel EMI. Sie fuhr nach Hause, erstellte eine Seite bei Facebook, nannte sie "Rättviseförmedlingen", was auf Schwedisch ungefähr so viel heißt wie "Gerechtigkeitsbüro", und postete einen Aufruf, dass sich weibliche DJs melden sollten. Sie ging in die Küche, machte sich einen Tee, und als sie zurück an ihrem Computer war, hatte sich ihr Aufruf wie ein Buschbrand auf der Plattform verbreitet. Am nächsten Morgen konnte sie eine Liste mit 133 Namen präsentieren.

Seitdem ist Lina Thomsgård, die mittlerweile eine PR-Agentur besitzt, so etwas wie die Herrin der Expertinnen-Listen geworden. Listen mit Namen von kompetenten, klugen, witzigen, außergewöhnlichen Frauen, ob aus der Musikszene, der Biologie, Architektur, der Forschung, der Politik. Listen, die Firmen und Organisationen oder auch Einzelnen - wie etwa Journalisten - helfen, ein Prinzip zu durchbrechen, das die Welt immer noch dominiert. "82 Prozent aller Meinungsführer, egal auf welchem Gebiet, egal auf welcher Tagung, in welcher Talkshow, in welcher Zeitung, sind weiße Männer", sagt Lina Thomsgård.

Ihre Idee scheint so einfach zu sein und ist doch neu: Du suchst jemanden? Frag die Masse, wer eine Expertin für Liberia ist, wo man eine Geologin findet, die in der Mongolei lebt, oder eine Filmwissenschaftlerin, die sich mit Stummfilmen auskennt. Ihre Facebook-Seite hat mittlerweile knapp 16.000 Mitglieder und wöchentlich rund 40.000 Besucher. Inzwischen arbeiten viele Freiwillige bei "Rättviseförmedlingen" mit, in Schweden ist es zu einem Social-Media-Phänomen geworden, über das alle Medien berichten. Lina Thomsgård, die Frau, die sagt, dass Optimismus und Zorn der Antrieb für ihr Projekt waren, hat Preise bekommen und will ihr Gerechtigkeitsbüro in diesem Jahr auch in Italien, in Großbritannien und den USA etablieren.

Egal, in welchem Land, das Prinzip soll überall gleich bleiben: Jeder kann Lina kontaktieren, sie fragt eventuell noch einmal kurz nach und veröffentlicht dann die Suche. Innerhalb von Stunden melden sich manchmal hunderte Menschen, die eine in Frage kommende Frau kennen - oder sich gleich selbst vorschlagen. "Warum nicht", sagt Lina, "ich bewerte niemanden und seine Fähigkeiten. Alles, was ich getan habe, ist, eine Tür zu öffnen für mehr Geschlechtervielfalt. Ich mache die Frauen dieser Welt sichtbar."

Text: Beatrix Gerstberger BRIGITTE 9/2013

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