Immer weniger Menschen haben Lust, sich überhaupt noch an der Bundestagswahl zu beteiligen - laut Forsa-Umfragen sind mittlerweile rund 30 Prozent der Deutschen Nichtwähler. Die Studentin Juana Zimmermann will nicht tatenlos zusehen: Gemeinsam mit Freunden versucht sie im "Wahlurnenblog" wieder Begeisterung für die Demokratie zu erwecken. Die 22-Jährige scheut sich auch nicht, auf der Straße mit Politikverdrossenen zu diskutieren. Was entgegnet sie den klassischen Nichtwähler-Meinungen? Für BRIGITTE.de hat sie ihre Argumente zusammengefasst.
Die Unzufriedenheit verstehe ich, aber Nichtwählen ist kein Protest, jedenfalls keiner, der wahrgenommen wird. Wenn Sie wirklich ein Zeichen setzen wollen, geben Sie eine ungültige Stimme ab - dann wird Ihr Protest wenigstens gezählt. Alles andere ist kein politisches Statement, sondern Im-Bett-Liegenbleiben.
Auch, wenn der Zynismus bequemer ist: Merkel und Steinbrück sind natürlich NICHT das Gleiche. Ein greifbarer Unterschied ist etwa der Mindestlohn: Einer ist dafür, eine dagegen. Und Sie? Finden Sie Mindestlohn gut oder schlecht? Dann haben Sie schon einen konkreten Grund, doch zu wählen. Und das ist nur ein Punkt von vielen.
"Keine Chance"? Das weiß doch kein Mensch, nach einer Wahl kommen manchmal ganz überraschende Koalitionen an die Regierung. Und wenn Ihre Partei nicht mitregiert, wird sie trotzdem weiter die Punkte, die Sie wichtig finden, im Gespräch halten. Die Piratenpartei schafft es wohl eher nicht in die Regierung, aber das Thema Netzpolitik ist durch ihre Existenz für alle Parteien wieder viel präsenter geworden.
Auch das können Sie nutzen. Sie möchten nicht, dass "diese Ökos" mitregieren, die Steuern erhöhen und noch Kantinen empfehlen, einen fleischfreien Tag einzulegen? Dann gehen Sie zur Wahl, und machen Sie was dagegen. Wenn Sie Kandidaten und Standpunkte nicht begeistern, können Sie trotzdem gegen die Maßnahmen stimmen, die Sie auf keinen Fall haben wollen.
Klar, haben Sie den. Möchten Sie rechtsextreme Parteien schwächen? Jede Stimme für eine andere Partei, egal welche, macht für rechtsextreme Parteien das Kuchenstück kleiner, und sorgt dafür, dass sie nicht mit am Regierungstisch sitzen.
Natürlich, bei einer Fünf-Prozent-Hürde kann wirklich jede Stimme den Unterschied machen, ob diese Grenze geknackt wird, oder nicht.
Wir sind alle keine Politikwissenschaftler. Kein einzelner Mensch durchschaut im Detail sämtliche aktuellen Krisen. Aber Sie können sich einzelne Punkte rauspicken, zu denen Sie eine Meinung haben. Gleichgeschlechtliche Ehe - ja oder nein? Da haben alle Parteien klare Positionen. Wenn ich mich kurz schlau mache und die Themen ansehe, sehe ich schnell, wen ich wählen möchte.
Ist es aber nicht. Gerade im Internet finden Sie in wenigen Minuten heraus, was die Parteien wollen. Und bedenken Sie: Es geht darum, was die Parteien MIT IHNEN machen möchten. Da wollen Sie nicht ein paar Google-Suchen investieren, um das in die richtige Bahn zu lenken?
Das stimmt - aber die Steuergelder sind eigentlich dafür da, Ihr Leben zu verbessern. Haben Sie das Gefühl, dass das gerade nicht passiert? Dann gehen Sie wählen und stimmen Sie für Leute, denen Sie Ihr Geld eher in die Hand drücken wollen.
Das tut sie, ganz konkret. Wenn Ihre Lieblingspartei ein halbes Prozent oder mehr der Gesamtstimmen bekommt, erhält sie automatisch Geld für jeden Unterstützer. Wenn Sie eine kleine Partei finanziell am Leben erhalten möchten, ist Ihre Stimme eine sehr unkomplizierte Geldspende. Und ein halbes Prozent - das ist wirklich ein Bereich, wo jede Einzelstimme zählt.
Nehmen Sie die Kinder mit, das ist sowieso eine gute Idee. Wir müssen mal weg von diesem "Politik ist für Erwachsene"-Denken. Kinder sehen doch schon die Wahlplakate, da können Sie Ihnen erklären, dass wir hier keinen König mehr haben, sondern jeder mitbestimmen darf, wer der Chef im Land ist. Speziell in dieser Wahl möchten ein paar von den Plakat-Köpfen mehr Kitas bauen, andere nicht. Warum ist das so? Darüber kann man prima reden. Die Kinder sind ja schon mittendrin, da sollte man sie nicht unterschätzen.
Das Projekt "Die Wahlurnenblog"
Nichtwähler für die Wahlurne begeistern - das ist das Ziel von Juana Zimmermann und Christian Hufnagel. In Interviews und Straßenumfragen gehen sie der Frage auf den Grund, warum so viele von uns keine Lust mehr haben, wählen zu gehen. Mehr Informationen zum Projekt gibt es auf Twitter und natürlich direkt im Wahlurnenblog.