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Verzweifelter Hilferuf einer Krankenschwester: "Wir Pflegekräfte können nicht mehr geben!"

Die emotionalen Worte der Kinderkrankenpflegerin Johanna Uhlig zur Verzweiflung der Pflegekräfte in Deutschland gehen unter die Haut – Gesundheitsminister Jens Spahn antwortet.

"Ich bin erschöpft, verärgert und enttäuscht." Mit diesen Worten beginnt die Kinderkrankenpflegerin Johanna Uhlig ihren verzweifelten Brief an Gesundheitsminister Jens Spahn, den sie am 18. November auf Facebook gepostet hat und der seitdem schon x-tausendfach geteilt wurde. Darin schildert sie, wie sehr die Pflegekräfte in Deutschland und mit ihnen ihre Patienten leiden. Der Druck während der Arbeitsschichten sei massiv, viele der Kollegen seien inzwischen so verzweifelt, dass sie nur noch einen Ausweg sehen: die Kündigung.

Aus aktuellem Anlass kann ich Ihnen sagen, dass keiner meiner Kollegen geblieben wäre, selbst wenn man ihnen deutlich mehr Gehalt angeboten hätte. Die Arbeitsbedingungen müssen sich radikal ändern. 

Seit vier Jahren kümmert sich Johanna Uhlig als Gesundheits- und Kinderkrankenpflegerin um Früh- und Neugeborene sowie Kinder bis 18 Jahre. Oft sind ihre Dienste so hektisch, dass sie nicht einmal dazu kommt, auf die Toilette zu gehen – geschweige denn etwas zu essen oder zu trinken. Für die Patienten könne sie nur noch das Notwendigste tun.

"In einem solchen Beruf gibt es immer wieder Tage, an welchen ein Notfall den anderen jagt und man das Gefühl hat sich vierteilen zu müssen. Das ist normal. Allerdings ist es nicht normal, dass sich aktuell fast JEDER Dienst so gestaltet und man nur noch das Unerlässliche am Patienten verrichten kann."

Johanna Uhlig berichtet von zutiefst verstörenden Momenten in der Altenpflege: "Ältere Herrschaften melden sich zum Toilettengang, aber aus akuter Personalnot werden sie gebeten, es doch 'einfach laufen zu lassen', schließlich hätten sie ja eine Einlage. Patienten äußern Schmerzen, die Pflegekraft jedoch ist im Nachtdienst allein. Sie schafft es durch das hohe Arbeitsaufkommen nicht, zügig ein Schmerzmittel zu verabreichen. Wer kann da noch ohne Angst und mit Vertrauen als Patient in ein Krankenhaus oder Pflegeheim gehen?

Angesichts der enormen Selbstaufopferung sei ihr Partner, so Johanna Uhlig, sehr wütend und besorgt um sie. Doch vielen Pflegekräften bleibe kaum eine Wahl, als "bei der persönlichen Fürsorge Abstriche zu machen, um die Pflege am Patienten auf einem möglichst guten Niveau zu halten." Auch, "aus Angst etwas zu vergessen, nicht korrekt zu dokumentieren und am Ende mit einem Fuß im Gefängnis zu stehen." Johanna Uhlig macht klar:

Wir machen unseren Job gerne! Aber viel mehr können wir Pflegekräfte in Deutschland nicht mehr geben! Das Gesundheitssystem stürzt ein wie ein Kartenhaus. Die stationäre Versorgung ist in der Kranken- und Altenpflege zuweilen katastrophal. 

Viele erfahrene Kollegen, so Johanna Uhlig, hätten ihren Job bereits aufgegeben, weil sie die „immer schlechter werdenden Bedingungen und den drohenden Qualitätsverlust nicht mehr persönlich mittragen konnten“. Auszubildende orientieren sich oft direkt nach der Ausbildung um.

Angesichts der "alarmierenden Signale" warnt Johanna Uhlig auch vor der geplanten generalistischen Ausbildung von Pflegekräften, die ab 2020 die bisherigen Ausbildungen von Alten-, Kranken-, und Kinderkrankenpflege in einer Lehrzeit fassen soll. Niemals könne "das gleiche Wissen vermittelt werden, wie in spezialisierten Ausbildungsberufen":

Dies wird zu Kompetenzverlusten, Fehlern und im schlimmsten Fall zum Tod von Patienten führen. 

Johanna Uhlig appelliert dringend an Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU), sich für ein verlässliches Gesundheitssystem einzusetzen: "Als Pflegekraft verstehe ich nur einen Bruchteil der Finanzierung im Gesundheitswesen. Aber ich weiß, dass einiges in die entgegengesetzte Richtung läuft und Gelder in die falschen Töpfe fließen. Daher bitte ich Sie, Ihren Auftrag als Gesundheitsminister ernst zu nehmen! Kämpfen Sie mit uns allen für ein Gesundheitssystem, in dem Menschen verantwortungsvoll und kompetent versorgt werden können. Pflegekräfte sollten keine Angst um ihren Berufsstand haben müssen!"

Gesundheitsminister Jens Spahn zeigt sich "bewegt" und antwortet

Der Post von Johanna Uhlig hat inzwischen für derart viel Aufsehen gesorgt, dass Gesundheitsminister Jens Spahn darauf aufmerksam geworden ist und der Kinderkrankenpflegerin in einem Video geantwortet hat. Er sei "bewegt" von ihren Zeilen, denn sie zeigten: "Wir müssen wahnsinnig viel arbeiten, um Vertrauen zurückzugewinnen.“ Er zählt verschiedene Maßnahmen auf, die sein Ministerium aktuell umsetze, um die Zustände im Gesundheitswesen zu verbessern – mehr Stellen in den Kliniken, die Refinanzierung von Tarifsteigerungen und Pflegepersonaluntergrenzen auf einigen Stationen. Er wisse, dass diese Maßnahmen noch nicht ausreichend seien, jedoch seien sie "ein erster Schritt."

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