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Initiative Brand New Bundestag Wir wollen mehr Diversität, bitte!

Brand New Bundestag: Szene aus dem Bundestag, Armin Laschet steht am Rednerpult
© JOHN MACDOUGALL/AFP / Getty Images
Der deutsche Durchschnittsabgeordnete ist weiß, männlich, um die 50. Die Initiative "Brand New Bundestag" will das ändern und unterstützt bewusst diversere Kandidat:innen. Etwa Rasha Nasr, 29, aus Dresden.

BRIGITTE: Frau Nasr, haben Sie schon einmal ausgerechnet, wie viele Stimmen Sie für ein Bundestagsmandat brauchen?

Rasha Nasr: Nein, das mache ich bewusst nicht. Ich will allerdings schon so viel Prozent kriegen wie mein Vorgänger, der SPD-Direktkandidat von 2017.

Der holte aber nur 13 Prozent. CDU, Linke und AfD erreichten jeweils mehr als 20.

Ich weiß. Und auch dass 13 Prozent für den Sprung ins Parlament nicht reichen, das war auch bei meinem Vorgänger so. Aber es gibt noch die Landesliste, da habe ich Platz vier, das könnte klappen. Und ein Sitz im Bundestag ist ja auch nicht mein einziges Ziel.

Worum geht es Ihnen noch?

Ich will den Menschen zeigen, dass Politiker:innen anders sein können als die, wegen denen sich derzeit so viele von den etablierten Parteien abwenden: authentischer, am Gemeinwohl interessiert statt am eigenen Vorteil, offen für parteiübergreifende Bündnisse. Und ich möchte auf die Probleme aufmerksam machen, die mich und viele andere beschäftigen. Als Tochter von Eltern, die kurz vor der Wende aus Syrien in die DDR eingewandert sind, weiß ich, wie es sich anfühlt, wegen der Hautfarbe auf der Straße angepöbelt zu werden. Oder wie nervig es ist, als junge Frau nicht ernst genommen zu werden. Und ich kriege seit meiner Kindheit mit, wie frustrierend es für viele Ostdeutsche ist, für dieselbe Arbeit weniger Geld zu bekommen als Westdeutsche.

Wieso kommen diese Themen Ihrer Meinung nach in der Politik zu kurz?

Gerade auf Bundesebene sind viele Politiker:innen nun mal weder jung noch weiblich, selten aus Ostdeutschland und ohne Migrationshintergrund. Als ich 2017 in die SPD eintrat, tat ich das auch deshalb, um solche Themen auf die Agenda zu setzen. Und um andere zu ermutigen, sich das auch zuzutrauen. Beides kann ich im Wahlkampf sehr gut. Auch wenn ich danach nicht im Bundestag lande.

Seit Dezember bekommen Sie dabei extra Rückenwind: Zusammen mit zehn anderen Politiker:innen werden Sie von der Initiative "Brand New Bundestag" (BNB) unterstützt, die das Parlament bunter und jünger machen will. Wie kam es dazu?

Eine Freundin erzählte mir davon. Als Politikwissenschaftlerin fand ich das sofort spannend: Die Idee stammt ja aus den USA, dort hat "Brand New Congress" die Demokratin Alexandria Ocasio-Cortez mit Coachings und Campaigning in den Kongress gebracht. Klappt das hier auch?, fragte ich mich. Mir war klar, dass ich bei der SPD eine Direktkandidatur anstreben würde. Und die Ziele von BNB sind auch meine: soziale Gerechtigkeit, nachhaltige Wirtschaft, Klimaschutz. Also habe ich mich beworben.

Wie lief der Auswahlprozess ab?

Ich musste einen Fragebogen ausfüllen: Wer ich bin, wofür ich stehe. Und mich mit einem Video vorstellen. Eine Jury prüfte alles. Darin saßen zum Beispiel die Autorin Kübra Gümüay und der Inklusionsaktivist Raul Krauthausen, also lauter Vertreter:innen von Gruppen, die BNB ins Parlament bringen möchte. Dann hieß es: Wir wollen dich unterstützen.

Wie sieht das konkret aus?

Ich nehme an Trainings teil, lerne, wie man Interviews gibt. Außerdem stehe ich im Austausch mit den anderen Kandidat:innen. Die haben zwar völlig unterschiedliche Hintergründe, brennen aber alle für die Vision, die Ideen von Bewegungen wie Fridays for Future in die Parlamente zu bringen. Das inspiriert total! Und dann ist da natürlich noch die Aufmerksamkeit, die ich durch BNB bekomme. Viele Türen, durch die ich gehen konnte, etwa meine Direktkandidatur, hätten sich ohne die bundesweiten Berichte über meine Unterstützung durch BNB nicht so leicht geöffnet. Ich wurde sehr sichtbar, auch für Genoss:innen außerhalb von Dresden.

Die BNB-Kandidat:innen verstreuen sich über ganz Deutschland. Just in Ihrem Wahlkreis gibt es aber noch einen zweiten, den Direktkandidaten der Grünen. Nehmen Sie einander nicht die Stimmen weg?

Zum Teil mag das stimmen. Aber wir haben unterschiedliche Schwerpunkte: Kassem Taher Saleh hat den Fokus auf Asyl- und Klimapolitik, ich auf sozialer Gerechtigkeit. Außerdem kämpfen wir beide für eine progressive Politik und unterstützen uns somit auch gegenseitig. Am Ende sind ja nicht die Grünen mein politischer Gegner, sondern die AfD.

Wie wollen Sie denn die Menschen überzeugen, statt der AfD lieber die SPD zu wählen?

Ich will, dass wir im Osten ein neues Selbstbewusstsein bekommen. Das will die AfD nicht. Die will spalten. Selbstbewusste Ostdeutsche passen ihr da gar nicht, getreu dem Motto "Je schlechter es Deutschland geht, desto besser für die AfD". Dieses Weltbild und Politikverständnis ist mir unbegreiflich. Als SPD haben wir Lösungen und arbeiten nicht mit Überschriften, die Angst machen. Wir wollen Zuversicht vermitteln, dass es besser werden kann.

Trotzdem hat die SPD – wie auch CDU und FDP – Nachwuchssorgen. Und unter den BNB-Kandidat:innen sind viele ohne Parteibuch. Woran liegt’s?

Die Parteien müssen sich mehr mit dem beschäftigen, was Engagierte wirklich umtreibt. Den Grünen gelingt das zum Teil, einige der Fridays-for-Future-Aktivist:innen sind ja Mitglied. Auch bei der Dresdner SPD hatte ich gleich das Gefühl: Ich kann hier was bewegen. Ich finde aber, dass auch die Aktivist:innen in der Pflicht stehen. Sie sollten ihre Forderungen stärker in die Parteien hineintragen. Wir leben in einer repräsentativen Demokratie, die Parteien sind dafür zuständig, die Parlamente zu besetzen. Wer etwas verändern will, muss sie ins Boot holen.

Rasha Nasr29, ist in Dresden SPD-Direktkandidatin für die Bundestagswahl am 26. September. Als Tochter syrischer Einwanderer in Dresden geboren, arbeitete sie nach ihrem Politikstudium u. a. als Integrationsbeauftragte. Seit 2017 leitet sie das Büro eines SPD-Landtagsabgeordneten. Die Initiative "Brand New Bundestag" (bnb.de) wurde 2019 gegründet und finanziert sich per Crowdfunding. 

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BRIGITTE 15/2021 Brigitte

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