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Birgit Schäfers Sie kämpft für mehr Aufklärung bei Brustimplantaten

Frau hält Implantate in der Hand
© Rawpixel.com / Adobe Stock
Was sie hinter sich hat: eine Ärzte-Odyssee
Was schuld daran ist: ein Brust-Implantat
Wofür sie kämpft: mehr Aufklärung

Die Sache sei sicher, hatte man Birgit Schäfers versichert. Implantate seien heute quasi unzerstörbar. Eigentlich wollte die Rechtsanwaltsfachangestellte 2010 nur eine Bruststraffung machen lassen. Sie hatte 40 Kilo abgenommen, litt unter der überschüssigen Haut. Der Arzt empfahl ihr, Silikonkissen einsetzen zu lassen, "für ein schönes Ergebnis". Schäfers stimmte zu. "Ich wusste nicht, was das für Folgen haben würde", sagt die 55-Jährige heute. "Die Implantate haben mich schwer krank werden lassen."

2018, acht Jahre nach der Operation, gründete sie eine Selbsthilfegruppe, kurz darauf einen Verein, der über ein fast unbekanntes Krankheitsbild aufklärt: "Breast Implant Illness", kurz BII, die Brustimplantat-Krankheit. Dabei geht es nicht um die Komplikationen, die durch die OP an sich entstehen können, etwa die Entzündung des Gewebes rund um die Silikonkissen. Es geht um Symptome, die den ganzen Organismus betreffen, wie schwere Hautausschläge, Gelenkschmerzen, Migräne. Wie viele betroffen sind, weiß man nicht genau. Manche Fachleute gehen davon aus, dass bei einem Viertel der Frauen mit Implantaten gesundheitliche Probleme auftreten. "Es gibt eine hohe Dunkelziffer, betroffen sind ebenso Transfrauen und Männer mit etwa Brustmuskelimplantaten", sagt Schäfers. Allein die von ihr gegründete Community "Krank durch Brustimplantate" hat weit über 5000 Mitglieder.

Wer sich an die Gruppe wendet, hat oft Ähnliches erlebt wie Schäfers: unspezifische Symptome, für die Ärzt:innen weder Ursache noch die richtige Behandlung fanden. Bei Schäfers begann es vier Jahre nach der OP mit Juckreiz am ganzen Körper, Sehstörungen, Gliederschmerzen. Sie hatte offene Stellen im Mund, Reizhusten, Herzrythmusstörungen. "Ich habe eine Arzt-Odyssee hinter mir." Die Diagnose lautete irgendwann immer: alles psychosomatisch.

Silikonimplantate: Das kann passieren

Per Zufall wurde sie 2016 auf eine amerikanische Facebook-Gruppe aufmerksam, in der sich neben Betroffenen auch plastische Chirurginnen und Immunologen äußerten. Sie erfuhr, dass generell alle Silikonimplantate Autoimmunreaktionen auslösen können, die dem chronischen Erschöpfungssyndrom ähneln. Schäfers entschied sich, ihre Implantate herausnehmen zu lassen: ein aufwendiges und teures Verfahren, das von den Krankenkassen selten und nur teilweise übernommen wird, etwa wenn ein Implantatdefekt nachweisbar ist. Birgit Schäfers zahlte ihre Explantation selbst. Sie hatte keine Kraft mehr zu kämpfen. Ihr Verein stellt heute alle Infos für den Antrag zur Kostenübernahme zur Verfügung und unterstützt beim Widerspruch.

Bei ihrer Explantation stellte man fest, dass eins der Implantate aufgelöst war: "Ein Super-Gau, weil das umliegende Gewebe mit Silikon geflutet und kontaminiert wird." Aber auch bei unbeschädigten Implantaten treten dauerhaft Minidosen Silikon aus, das Immunsystem reagiert mit einem stetigen Kampfmodus, manchmal kollabiert es. Als weitere Ursache für BII wird ein möglicher Bakterienbefall des Implantats vermutet. Allergiker:innen scheinen von den Autoimmunreaktionen stärker betroffen zu sein. Bei manchen verschwinden die Symptome nach der Explantation. Der Silikon-Schaden bei Schäfers war dafür zu massiv. Sie ist jetzt Frührentnerin, hat einen Schwerbehindertenausweis. Und möchte andere vor ihrem Weg bewahren. "Breast Implant Illness" ist bislang keine offizielle medizinische Diagnose, entsprechend unzureichend ist die Risiko-Prophylaxe in Form medizinischer Aufklärung. Schäfers drängt den Gesetzgeber immer wieder, das zu ändern.

Sie selbst informiert auf ihrer Website (krank-durch-brustimplantate.com) über die Gefahren, verweist auf aktuelle Studien, zeigt mögliche Lösungen auf und tritt an Institutionen und Chirurgenvereinigungen heran, um die Patientensicherheit zu verbessern. Sie und ihr 15-köpfiges Team aus Medizinern, Schmerztherapeutinnen und Psychologen arbeiten ehrenamtlich. Eine individuelle Beratung kostet Geld, davon werden Flyer und Info-Broschüren bezahlt. Birgit Schäfers Ziel ist es nicht, dass Implantate verboten werden. Aber sie sagt, es werde nun mal ein Medizinprodukt implantiert, das sehr toxisch wirken könne. "Also muss standardmäßig so deutlich aufgeklärt werden, dass man wirklich abschätzen kann, worauf man sich einlässt."

Brigitte

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