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BGH: Alleinerziehende müssen nicht Vollzeit arbeiten

Alleinerziehenden Müttern und Vätern kann nicht generell ein Vollzeitjob zugemutet werden - auch nicht, wenn das Kind ganztags betreut wird. Das entschied der Bundesgerichtshof.

Das neue Unterhaltsrecht, das Anfang 2008 in Kraft getreten ist, hat viele getrennt lebende Elternteile verunsichert. Vor allem Frauen, die sich allein um Kinder kümmern, befürchteten, durch die neuen Regelungen benachteiligt zu werden. Würde man ihnen den Unterhalt streichen, sobald das Kind seinen dritten Geburtstag feiert? Würden sie dann gezwungen sein, sich einen Vollzeitjob zu suchen?

Auch die Familienrichter selbst waren sich nicht einig und hatten darum die Frage an den Bundesgerichtshof weitergegeben. Anhand eines Falles aus Düsseldorf, bei dem eine Frau ihren Ex-Lebensgefährten auf Unterhalt verklagt hat, sollte der ein Grundsatzurteil fällen. Jetzt gaben die Karlsruher Richter die mit Spannung erwartete Entscheidung bekannt: Ihrer Ansicht nach könne man von alleinerziehenden Müttern und Vätern nicht generell verlangen, ab dem dritten Lebensjahr des Kindes einen Vollzeitjob anzunehmen. Die Doppelbelastung sei womöglich zu hoch, weshalb dem Erziehenden nur ein Teilzeitjob zuzumuten sei. Das gelte auch dann, wenn das Kind ganztags im Kindergarten oder in der Schule betreut werde und zwar unabhängig davon, ob das Paar verheiratet war oder in einer eheähnlichen Beziehung zusammenlebte.

Wie lange die Alleinerziehenden von der Vollzeit-Arbeitspflicht befreit werden und wie hoch die Unterhaltszahlungen sein sollen - darüber sollen laut BGH weiterhin die Instanzgerichte individuell entscheiden.

Katharina Mosel, Fachanwältin für Familienrecht, begrüßt das BGH-Urteil: "Die Entscheidung ist richtig und kommt für mich auch nicht überraschend", sagte sie gegenüber BRIGITTE.de. Zuvor habe in der Öffentlichkeit der Eindruck geherrscht, dass Männer grundsätzlich nur noch drei Jahre lang für die Frau zahlen müssten und dann die Unterhaltsverpflichtungen los seien. "Das BGH-Urteil zeigt, dass das vollkommener Blödsinn ist - und das macht Mut." Mosel rechnet allerdings damit, dass in Sachen Unterhaltsrecht noch lange nicht das letzte Wort gesprochen ist. "Das neue Gesetz zwingt die Richter dazu, sich den Einzelfall viel genauer anzusehen - das bietet mehr Raum zur Einigung, macht es aber auch komplizierter", so die Anwältin. "Es wird noch einige Nachbesserungen geben."

So hat der Bundesgerichtshof schon jetzt angekündigt, dass zur Urteilsfällung Fallgruppen geschaffen werden müssten, die sich zum Beispiel nach Alter, Zahl der Kinder oder Betreuungsmöglichkeiten richten. Dadurch soll vermieden werden, dass sich verunsicherte Richter einfach wieder an den alten Unterhaltsregeln orientieren. Ein Vorwurf, den auch Katharina Mosel in den letzten Wochen öfter gehört hat. "Das darf natürlich nicht sein."

miroFoto: Getty Images

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