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Welttierschutztag Ariane Kari gibt Tieren eine Stimme

Ariane Kari: Eine Gruppe Ferkel steht auf einer grünen Wiese
© Светлана Лазаренко / Adobe Stock
Am 4. Oktober ist Welttierschutztag. In Deutschland treibt jetzt eine Frau die Aufklärungsarbeit voran: Ariane Kari ist die erste Tierschutzbeauftragte der Bundesregierung. Ihre Überzeugung: Wissen schützt Tiere.

BRIGITTE: Können Sie laut schreien, Frau Kari?

Ariane Kari: Also, gemessen habe ich meine Lautstärke noch nie. Um den Tieren eine Stimme zu geben, muss ich das auch nicht. Ich überzeuge lieber mit Argumenten, das geht auch in aller Ruhe.

Sie sind die erste Tierschutzbeauftragte des Bundes – hätte es dieses Amt nicht schon längst geben müssen?

Viele Menschen sind ganz verblüfft, dass es dieses Amt bisher noch gar nicht gab. Zumal in zahlreichen Bundesländern durchaus schon Tierschutzbeauftragte arbeiten und das sehr erfolgreich. Aber eigentlich wird das Tierschutzrecht ja auf Bundesebene gestaltet, da liegt die Kompetenz für gesetzliche Änderungen.

Sie selbst waren in Baden-Württemberg schon Vize-Beauftragte. Und davor mehrere Jahre als Amtstierärztin in einem Veterinäramt tätig. Was war die größte Sauerei, die Sie während Ihrer Einsätze im Tierschutzvollzug gesehen haben?

Da habe ich schon viel erlebt. An einem Tag habe ich 46 Hunde und einen Kongo-Graupapagei aus einem Haushalt geholt. In einem anderen Fall haben wir Schweine in einem stockdunklen Keller vorgefunden, die dort unerlaubt gehalten wurden. Die standen da bis zum Bauch in ihren Exkrementen. Wir mussten erst warten, bis sich ihre Augen wieder ans Licht gewöhnt hatten, zum Glück war es an diesem Tag ein bisschen diesig. Aber dann sind sie rausmarschiert, haben gegrunzt und direkt angefangen zu wühlen. Die haben sich so gefreut, draußen zu sein, die wollten gar nicht mehr runter von der Wiese. Und in ihrer neuen Unterkunft haben sie sich sofort im Stroh gewälzt– das hat sich mir doch sehr eingeprägt.

Hört sich nach einer geglückten Befreiung an. Schweine sollen ja schlauer sein als Hunde, warum behandeln wir sie so viel schlechter?

Der Hund ist ein Heimtier, ein Gefährte, ein Familienmitglied. Schweine werden vor allem zu landwirtschaftlichen Zwecken und letztendlich zur Fleischproduktion gehalten. Da gibt es kaum emotionale Nähe. Für Hunde sind viele bereit, Platz im eigenen Bett oder auf der Lieblingsseite des Sofas zu machen. Wegen einem Schwein aber aufs tägliche Wurstbrot verzichten, das möchte nicht jeder. Deshalb finde ich es wichtig, dass möglichst viele Menschen wissen, wie großartig Schweine sind. Und was diese Tiere für Bedürfnisse haben. Die sind Kontaktlieger, die mögen es, sich an befreundete Tiere zu schmiegen. Und sie sind nicht nur sehr intelligente, sondern auch sehr saubere Tiere.

Aber auch viele "Hundefreundinnen und -freunde" scheinen noch nicht begriffen zu haben, dass ihren Lieblingen unnötig Leid zugefügt wird. Wo liegen die Missverständnisse, die bis zur Qualzucht führen?

Grundsätzlich gilt: Wissen schützt Tiere. Und Unwissen führt zu Tierleid. Aber bei qualgezüchteten Heimtieren kommt zur Unwissenheit meist noch Ignoranz. Es irritiert mich immer wieder, wie häufig da Fakten einfach ignoriert werden: Möpse und Bulldoggen, die schnorcheln, sind nicht süß, sondern krank. Und das ist auch kein beruhigendes Geräusch in der Nacht, wie mir eine Halterin mal erzählt hat. Die Hunde röcheln aus Atemnot. Den Tieren werden durch die Zucht Beeinträchtigungen zugefügt, damit sie dem Kindchenschema entsprechen. Es ist verheerend, wie viel kurzatmige Tiere – übrigens auch Katzen – in den Tierkliniken landen, die schon bei leicht erhöhten Außentemperaturen kollabieren. Diese Tiere müssen viele Operationen über sich ergehen lassen. Sie werden krank gezüchtet und dann operiert, um wieder fitter zu werden.

Sie haben sich für den verpflichtenden "Hundeführerschein" stark gemacht, wie es ihn schon in Niedersachsen gibt, warum?

Schauen Sie sich die vielen Hunde an, die während der Corona-Zeit gekauft wurden, ohne Überlegungen, wo das Tier im Urlaub bleibt oder wer die Tierarztkosten zahlt. Die Tierheime haben jetzt bis zu 40 Prozent mehr Tiere, und die waren ja bislang auch schon überlastet. Bei einem verpflichtenden Sachkundenachweis müssen sich mögliche Hundehalter und Hundehalterinnen schon vorab Gedanken machen, z. B. auch über die Rasse, Kosten und Herkunft. Das würde den Missständen in den Tierheimen genauso entgegenwirken wie der Qualzucht oder dem illegalem Welpenhandel. Und dann kommt zum Tierschutz natürlich auch noch die Gefahrenabwehr für den Menschen: Könnten Halterinnen und Halter das Verhalten ihrer Hunde besser einschätzen, würde das viele Beißvorfälle verhindern. Daher halte ich die gesetzliche Regelung in Niedersachsen für den richtigen Weg auf Landesebene.

Sehen Sie Wissensdefizite auch in so wichtigen Bereichen wie der Justiz?

Ja, darum will ich Recht und Tiermedizin besser miteinander vernetzen. An den meisten Unis wird Tierschutzrecht noch nicht mal gelehrt, aber wo es schon Seminare gibt, da werden sie sehr gut angenommen. Ich bin sicher: Wenn es mehr Juristinnen und Juristen gibt, die sich mit diesem Thema beschäftigen, dann gucken die im Rechtsverfahren auch genauer hin – egal wie das Tier genutzt wird.

Ernähren Sie sich vegan?

Mittlerweile größtenteils ja. Nach dem Ende meines Tiermedizinstudiums habe ich immer mehr darauf geachtet, mich tierleidfrei und umweltschonend zu ernähren. Bei mir war das ein schleichender Prozess, bei dem es nicht nur um den Fleischverzehr ging. Das war für mich zu kurz gegriffen. Ich habe mir irgendwann die Frage gestellt: Wie geht es den Kühen, die im Akkord Milch produzieren, die ich morgens trinke? Was passiert mit dem Kalb, das jede Milchkuh pro Jahr gebärt, um überhaupt Milch zu geben?

Ariane Kari wurde 1987 in Pforzheim geboren und ist Fachtierärztin für Tierschutz. Diesen Sommer trat die Mutter eines einjährigen Kindes ihr neu geschaffenes Amt im Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft an: als erste Beauftragte der Bundesregierung für Tierschutz.

Brigitte

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