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Influencerin Anna Adamyan "Der Wunsch nach einem Kind wird materialisiert"

Anna Adamyam
© Anna-Lena Kreutz
Ein unerfüllter Kinderwunsch ist keine Seltenheit mehr. In Deutschland ist etwa jedes siebte Paar betroffen. Anna Adamyan und ihr Mann sind eines davon. Weil sie auf natürlichem Weg nicht schwanger werden konnte, hat die Influencerin viereinhalb Jahre Kinderwunschbehandlungen über sich ergehen lassen. Nach einigen Tiefschlägen endlich mit Erfolg. Für unsere starke Frau des Monats haben wir mit Anna Adamyan über ihre Kinderwunschreise, ihre Petition und ihre Kraftquellen gesprochen.

Liebe Anna, du bist gerade im 4. Monat schwanger, herzlichen Glückwunsch! Wie geht es dir?

Anna Adamyan: Mir geht es sehr gut! Ich habe natürlich ein paar Begleiterscheinungen der Schwangerschaft, weil ich täglich sehr viele Medikamente nehmen musste, die das ein wenig verstärkt haben. Aber ich habe mich sogar darüber gefreut, weil mir das oft auch Sicherheit gegeben hat, als dann die Übelkeit anfing. Nach all den Jahren bin ich gebrandmarkt, auch wenn man das auf Instagram oft nicht sieht, aber natürlich haben die letzten vier Jahre Kinderwunschbehandlung und die zwei Schwangerschaften davor etwas mit mir gemacht. Deshalb war ich bisher immer froh, dass ich das jetzt alles spüren darf. 

Du hast es gerade schon angedeutet: Der Weg zur Schwangerschaft war alles andere als leicht, obwohl du schon mit 21 Jahren wusstest, dass du ein Baby willst und im perfekten Alter warst, um schwanger zu werden. Warum wollte es bei euch nicht klappen?

Bei mir sind es viele Baustellen. Ich habe Endometriose und Adenomyose. Die spielen mit Sicherheit auch ein Rolle und sind ein Faktor, warum es bei uns so lange nicht geklappt hat, aber auf der Kinderwunschreise und der damit einhergehenden Diagnostik kamen noch mehr kleine Päckchen hinzu, die das im Gesamten sehr komplex gemacht haben. Ich gelte auch als Low Responderin, was bedeutet, dass ich wenige Eizellen habe und die oftmals auch von der Qualität nicht so gut sind. Ob das mit der Endometriose zusammenhängt, kann man nicht sagen, aber das war im Grunde mein Hauptproblem in Kombination mit der Adenomyose, die die Einnistung erschwert hat.

Mittlerweile hast du zahlreiche Kinderwunschbehandlungen über dich ergehen lassen und zwei Fehlgeburten erlitten. Wie hast du das emotional ausgehalten?

Das habe ich mich tatsächlich auch oft gefragt. Ich bin ehrlich, ich merke jetzt erst so richtig, wie viel das die letzten Jahre war. Natürlich ist mir währenddessen bewusst gewesen, dass all das, was ich durchmache, nicht normal und schlimm ist, aber ich habe funktioniert, weil ich die ganze Zeit diese Hoffnung in mir hatte, die mich vorangetrieben hat. Ich wusste, das Wunder wird zu uns kommen und damit meine ich jetzt nicht nur auf dem Weg der Schwangerschaft. Wir als Paar waren uns einig, welche Schritte und Wege wir gehen und dass auch Adoption eine Möglichkeit für uns gewesen wäre. Dadurch, dass wir für uns alles abgeklärt hatten, hat mir das auch ein Stück weit Leichtigkeit gegeben. Außerdem sind wir in einer sehr privilegierten Situation, was das Finanzielle angeht. Ich kann diese Behandlung machen, so lange ich das will und körperlich aushalte.

Das war auch der Deal zwischen meinem Mann und mir: Wenn ich sage, ich kann das nicht mehr, dann ist das ok.

Das hat mir Kraft gegeben und Druck genommen. Diese Möglichkeiten haben sehr sehr viele Frauen nicht. Insgesamt habe ich sehr viel Glück – mit meinem Job, meinen tollen Freund:innen und meiner Familie, die mir sehr viel Rückhalt gegeben haben und wofür ich ganz, ganz doll dankbar bin. Und ich befand mich in Therapie während der Kinderwunschbehandlung; das tat mir gut.

Was hat die Kinderwunschreise als Paar mit euch gemacht? Wie kann man sich gegenseitig unterstützen?

Uns hat diese Zeit gestärkt, wofür ich sehr dankbar bin, denn das hätte auch anders sein können. Wir haben immer viel geredet, das war sicher auch manchmal holprig, weil ich sehr gerne rede und mein Mann eher zurückhaltender ist. Aber für mich ist Reden der Key. Wir können schließlich nicht erwarten, dass unser Gegenüber Gedanken lesen kann, weder ich von ihm, noch er von mir. Umso wichtiger ist es, Bedürfnisse zu kommunizieren und das haben wir viel gemacht und das hat uns sehr geholfen. Außerdem war uns wichtig, dass es nicht immer nur um den Kinderwunsch geht. Wenn man etwas unternimmt, man nicht nur darüber spricht, sondern auch mal auf andere Gedanken kommt. Und wir haben jede:r auch noch unsere eigene Welt. Er mit dem Fußball und ich meine auf Instagram – das tut gut, dass jede:r noch sein eigenes Ding rockt. Trotzdem ist das manchmal auch gar nicht so einfach, weil man gerade als Frau, die ganzen Symptome während eines Zyklus auch spürt. Daran nicht zu denken, ist utopisch.

Du hast es gerade schon angesprochen: Kinderwunschbehandlungen sind ziemlich teuer und die Krankenkassen übernehmen nur noch anteilig die Kosten. Wie ist das aktuell?

Die meisten gesetzlichen Krankenkassen übernehmen in der Regel drei Versuche à 50 Prozent. Allerdings nur, wenn man über 25 Jahre alt ist, aber nicht älter als 42 Jahre (bei den meisten Krankenkassen), verheiratet, wenn man ein heterosexuelles Paar ist und bestenfalls beide bei der selben Krankenkasse versichert ist. Teilweise steuern manche Bundesländer noch einen gewissen Prozentsatz unabhängig von diesen Faktoren dazu. Insgesamt ist es aber schwierig. Ich habe beispielsweise meine Diagnose "Primäre Sterilität", also Unfruchtbarkeit, mit 21 bekommen. Damals hieß es: "Frau Wilken, ihre Werte sind gut… gut genug, um JETZT mit einer künstlichen Befruchtung zu starten." Ich habe damals sehr bei der Krankenkasse dafür gekämpft, als ich mit 22 erstmal mit Social Freezing, also Eizellen einfrieren, begonnen habe. Ich habe Widerspruch eingelegt, mir Hilfe von Anwälten geholt, weil ich es wirklich nicht verstehe, wie man so strikt sagen kann: unter 25, keine Chance. Zumal es nun mal so ist: umso jünger, desto besser, selbst wenn schon Probleme da sind. Und auch wichtig: Ich kann nichts dafür. Ich habe mir das nicht ausgesucht, noch durch einen schlechten Lebensstil verursacht.

Dass man verheiratet sein muss, ist absolut überholt und macht nur unnötig Druck. Das Thema Kinderwunsch oder auch kein Kinderwunsch ist schon ohne all das mit so viel gesellschaftlichem Druck belastet. Davon, wie Single-Frauen oder gleichgeschlechtliche Paare behandelt werden, ganz zu schweigen.

Auch die drei Versuche sind nicht viel, wenn man bedenkt, dass der Körper keine Maschine ist und man den auch erstmal kennenlernen muss. Nicht jeder Körper reagiert gleich auf unterschiedliche Stimulation. Da braucht es manchmal einfach mehrere Versuche, um rauszufinden, was klappt.

Was hat euch der Kinderwunsch bisher gekostet?

Das sind schon über 50 000 Euro. Eine ICSI– das ist das teuerste Verfahren – kann schon mal über 10 000 Euro für einen Versuch kosten. Auch wenn wir uns das leisten können, bricht es mir trotzdem das Herz, wenn mir Frauen schreiben: "Hey Anna, das hier ist mein letzter Versuch. Ich kann mir keine weiteren mehr leisten. Hast du irgendwelche Tipps für mich?“. Selbst 50 Prozent der Kosten sind für viele Paare unbezahlbar. Der Wunsch nach einem Kind wird materialisiert. Ich wünsche mir ja keinen Ferrari, sondern im Grunde eine:n potentielle:n Steuerzahler:in, darüber sollte sich Deutschland doch eigentlich freuen, vor allem weil wir hier in Deutschland auch keine so hohe Geburtenrate haben. 

Gemeinsam mit der Ärztin und Bloggerin Sarah Plack hast du die Petition #KiWuFuerAlle gestartet. Was fordert ihr?

Im Grunde würden wir uns wünschen, einfach alles über den Haufen werfen, aber gezielt geht es erstmal darum, die Altersgrenzen zu ändern, sowohl nach oben als auch nach unten, Heirat sollte keine Voraussetzung sein und die Gleichstellung gleichgeschlechtlicher Paare und Single-Frauen sowie die Anhebung der Bezuschussung, als auch der möglichen Versuche. Denn das war früher anders. Da wurden mehr Versuche zum Teil zu 100 Prozent übernommen und das ist noch gar nicht so lange her.

Du hast auf Instagram eine riesige Community und teilst sehr viele Details, die andere eher hinter dem Berg halten. Wie sind die Reaktionen?

Generell ist die Kinderwunsch-Community richtig stark gewachsen, weil auch immer mehr Menschen mit der Thematik in Berührung kommen. Und natürlich ist es bei mir auf Insta auch eine kleine Bubble geworden. Hier sind viele mit einem Kinderwunsch, viele mit Endometriose, mit Adenomyose, mit denen ich mich auch sehr viel austausche.

Ich könnte mir vorstellen, dass dir viele Frauen mit unerfülltem Kinderwunsch sehr dankbar sind, dass du ihnen ein Gesicht gibst und ihren Weg sichtbar machst.

Ich glaube, ich war auch eine der ersten, die diese Themen öffentlich gemacht hat. Gerade beim Kinderwunsch habe ich auch das Gefühl, die meisten Prominenten sprechen erst darüber und auch über Fehlgeburten, wenn es vorbei ist. Live mitnehmen, macht kaum eine Person – also zumindest nicht von denen, die eine gewisse Reichweite haben. Ich bin aber auch ein sehr offener Mensch. Mich hat das nie gestört, über unangenehme Dinge zu reden und habe schon vor sechs Jahren thematisiert, dass ich wegen der Endometriose während der Periode Durchfall habe vor Schmerzen. Was aber ein Punkt ist, den ich verstehen kann, ist, dass man sich damit natürlich auch zur Zielscheibe macht und es gibt sie immer da draußen, die Personen, die alles besser wissen und einen kritisieren und die sagen: "Ja, wenn du das öffentlich machst, musst du das auch alles aushalten können". Und da haben viele verständlicherweise keine Lust drauf. 

Bei dir hat es jetzt geklappt und du hast das erste, kritische Trimester geschafft. Viele Frauen lüften erst jetzt das Geheimnis um ihre Schwangerschaft. Du hast es von Anfang an geteilt. Warum hast du dich für diesen Weg entschieden?

In dem Moment, wo ich mich dafür entschieden habe, die ICSI live öffentlich zu teilen, war klar, dass ich meine Follower:innen nicht über den Verlauf im Dunkeln lassen kann. Da fiebern so viele mit. Ich habe Hunderte von Nachrichten bekommen, mit Bildern, auf denen Menschen Kerzen für mich angezündet haben. Das war unglaublich rührend, dass da draußen so viele Menschen sind, die uns dieses Kind genauso gewünscht haben, wie wir uns selbst.

Für mich war so oder so schon immer dieser 12. Woche-Aberglaube vollkommener Bullshit. Ich finde es erschreckend, wie viele noch denken, dass danach nichts mehr schief gehen kann.

Wir wissen nie, was passieren kann und es ändert nichts, wenn andere Menschen an meiner Schwangerschaft teilhaben und ich meine Ängste, die ich natürlich auch ab und an habe, nicht verbergen musste. Diese Regel trägt vielmehr dazu bei, dass Fehlgeburten noch mehr tabuisiert werden, weil Frauen, die das vor der 12. Woche erleben, oft nicht darüber sprechen können. Man holt dann ja nicht bei seinen Freund:innen von vorne aus und erzählt erst das Positive und dann das Negative. Ich finde es schwierig, dass Frauen damit Angst gemacht wird. Wenn sich ein Paar dafür entscheidet, weil es das selbst so will, ist das natürlich etwas anderes. Für mich war jedenfalls klar, ich gehe damit offen um, weil ich auch mit allem anderen offen umgegangen wäre.

Du hast dazu auch zum Teil unsensible Nachrichten bekommen, wie gehst du damit um?

Grundsätzlich finde ich Kritik immer gut, der Ton macht halt die Musik. Es gibt auch Nachrichten, die mich ärgern und über die ich mich aufrege, aber das mache ich dann nur zu Hause. Dann beruhige ich mich und antworte erst dann, weil ich nicht so sein will wie diese Menschen und ich möchte das auch nicht weitergeben. Natürlich muss man sich nicht alles gefallen lassen, aber auch das kann man nett und respektvoll kommunizieren und das mache ich auch bewusst. Gerade bei denen, die mich absichtlich provozieren wollen. Ich kann ja auch nicht von meinen Follower:innen einen respektvollen Umgang erwarten, ohne dann mit gutem Beispiel voranzugehen. Mir bringt es einfach nichts, Negativität zu spreaden, denn das ändert meine Probleme nicht. Sei es der Kinderwunsch oder die Endometriose. Da kann niemand etwas dafür. Meistens sind es die Leute, die es sich selbst anders wünschen und mir tut das dann eher Leid. Deshalb belastet mich das auch nicht und ich glaube, Karma wird das schon richten.

Hast du Angst, dass doch noch etwas schief geht?

Grundsätzlich habe ich ein sehr großes Urvertrauen und war ab Start der künstlichen Befruchtung sehr positiv. Ich hatte die ganze Zeit ein gutes Gefühl und habe das auch jetzt noch, aber natürlich bin ich nicht frei von Sorgen und Ängsten, allein schon aufgrund dessen, was ich erlebt habe. Aber ich weiß auch von Freundinnen, die nicht eine solche Kinderwunschgeschichte haben, dass sie genauso mit Sorgen und Ängste kämpfen und das total normal ist. Das gehört einfach dazu, weil man Verantwortung in sich trägt. Ich glaube, dass das auch nicht mehr aufhört, auch nicht, wenn das Kind dann da ist. Weil man sich um etwas sorgt, dass man liebt. 

Vielen Dank für das Gespräch und alles Gute für euch.

Anna Adamyan mit Händen auf dem Bauch
© Anna-Lena Kreutz

Anna Adamyan, 26, ist Influencerin und klärt auf Instagram über Themen wie Endometriose, Adenomyose und Kinderwunschbehandlungen auf. Gemeinsam mit der Ärztin Sarah Plack hat sie die Petition #KiWuFürAlle gestartet, mit der sie für eine faire Kostenübernahme von Kinderwunschbehandlung kämpfen. Aktuell ist Anna mit ihrem ersten Kind schwanger. 

Brigitte

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