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Angela Merkel: "Sie passt sich an"

Auf dem CDU-Bundesparteitag in Düsseldorf wurde Angela Merkel als Parteichefin bestätigt. Ein Signal in Richtung Kanzlerkandidatur. Auch ein Grund zur Freude? Ein Interview mit Politikwissenschaftlerin Prof. Dr. Brigitte Wehland-Rauschenbach.

Brigitte.de: Allem Anschein nach wird Angela Merkel von der CDU zur Kanzlerkandidatin gekürt werden. Wie finden Sie das?

Brigitte Wehland-Rauschenbach: Ich bin sehr gespannt, ob die CDU sie tatsächlich aufstellen wird, und ob es dann mehr um ihr Geschlecht oder um ihre Politik gehen wird. Man muss aber zwei Dinge unterscheiden: Welche Chancen Frauen überhaupt haben und welche politische Richtung eine Frau vertritt. Ich würde niemals eine Frau wählen, nur weil sie eine Frau ist. Und mit dem Kurs, den Angela Merkel fährt, bin ich nicht glücklich.

Brigitte.de: Trotzdem: Glauben Sie, dass Angela Merkel eine erfolgreiche Kanzlerin wäre?

Brigitte Wehland-Rauschenbach: Sie hat ihre gute Mannschaft rausgeschmissen - sie umgibt sich ja mit einer "Mannschaft" und nicht mit einer "Frauschaft". Sie hat also noch kein Umfeld, das sie trägt. Aber sie hat gezeigt, dass sie durchsetzungsfähig ist. Wenn das das entscheidende Kriterium ist, wäre sie eine gute Kanzlerin.

Brigitte.de: Es werden ja gerne Witze über Merkels Aussehen gemacht. Warum spielt die Optik bei Frauen immer noch so eine große Rolle?

Brigitte Wehland-Rauschenbach: Das gehört zur Rollenfestlegung, die wir in der bürgerlichen Gesellschaft seit Jahrhunderten haben. Beim Mann wird Sachlichkeit und Kompetenz unterstellt. Das setzt sich ja auch in den Medien sehr stark durch. Zum Beispiel Sabine Christiansen: Sie ist die schöne Fragende mit den langen Beinen. Die kompetenten Antworten geben die Männer. Frauen müssen als Geschlecht wirken und Reize haben - besonders heute, wo Personen sehr stark über Bilder vermittelt werden.

Brigitte.de: Was muss passieren, damit sich das ändert?

Brigitte Wehland-Rauschenbach: Die Frauen reproduzieren dieses Bild auch selbst, bislang fehlt einfach der entscheidende mentale Wandel. Deshalb müssen Frauen immer noch einem bestimmten Bild entsprechen. Das sieht man gerade bei Annette Schavan: Sie wird kritisiert, weil sie unverheiratet und kinderlos ist, es wird ihr sogar unterstellt, lesbisch zu sein. Merkel und Schavan bringen einfach bestimmte Dinge nicht mit, die dem gängigen Frauenbild entsprechen.

Brigitte.de: Das klingt nicht gerade so, als wäre Deutschland reif für eine Frau an der Regierungsspitze.

Brigitte Wehland-Rauschenbach: Ich denke schon, dass wir soweit sein könnten. Obwohl wir ein sehr konservatives Land sind. Der Mann ist hier immer noch Ernährer, die Frau arbeitet in Teilzeit. Im Vergleich zu anderen Ländern haben wir viel aufzuholen. Wir haben es nur über die Quote hinbekommen, dass Frauen in der Politik mitmischen. Das Erstaunliche ist ja, dass die CDU mehr Frauen nach oben gebracht hat als die SPD.

Brigitte.de: Wie erklären Sie sich das?

Brigitte Wehland-Rauschenbach: Die Union hat immer eher eine Politik gefahren, die sich an Personen festmacht. Einzelpersonen werden mehr herausgehoben als in der SPD. Bei der SPD läuft das eher von unten, über die Quote. Aber wenn es bei den Sozialdemokraten um Machtpolitik geht, sind die Frauen dann doch nicht die ganz starken.

Brigitte.de: Wie viele Frauen müssen in der Regierung sein, damit sich in der Politik was ändert?

Brigitte Wehland-Rauschenbach: Eine einzelne Frau verändert gar nichts. Merkel funktioniert in den männergemachten Strukturen, sie passt sich ihnen an. Insofern würde sie als Kanzlerin gar nicht als Frau fungieren.

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Prof. Dr. Brigitte Wehland-Rauschenbach ist Professorin für Politische Theorie und Geschlechterfragen am Otto-Suhr-Institut für Politikwissenschaft an der FU Berlin. In der "Berliner Initiative 8. März 2004" hat sie sich für die Wahl von Gesine Schwan zur Bundespräsidentin engagiert.

Interview: Susanne Arndt; Foto oben: CDU; Foto unten: privat

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