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Alena Schröder Der Fünfziger-Fluch - wie mir ein Schein den Tag versauen kann

Kolumne: 50er Geldschein
© Ladanifer / Adobe Stock
Leute bei kleinen Beträgen mit großen Scheinen behelligen? Bestseller-Autorin Alena Schröder zahlt gern passend – oder gar nicht.

Was ich im Alltag am allerliebsten mache, ist: keine Umstände. Vor allem bei Bezahlvorgängen. Ich finde, Bezahlvorgänge gehören zu den unangenehmsten aller banalen Alltagsinteraktionen zwischen zwei Menschen. Und weil ich diesen Vorgang deshalb so kurz und reibungslos wie möglich gestalten möchte, habe ich es sehr gern passend.

Die Nachteile der 50er-Scheine

Noch hat sich die Kartenzahlung ja nicht in allen Bereichen des Lebens durchgesetzt, ganz ohne Bargeld geht es also nicht. Was mir richtig nachhaltig den Tag versaut, ist, wenn der Geldautomat ausschließlich Fünfziger ausspuckt. Meine anschließenden wortreichen Entschuldigungen und Erklärungen beim Brotkaufen oder am Kiosk, es nicht passend oder wenigstens kleiner zu haben, sind für das Verkaufspersonal wahrscheinlich anstrengender als der Wechselvorgang an sich.

Neulich war ich in einer anderen Stadt und musste dort mit dem Bus fahren. Ich hatte mir vorher nicht die App der örtlichen Verkehrsbetriebe heruntergeladen, und der Fahrkartenautomat an der Haltestelle war defekt. Ich hätte beim Busfahrer mit einem 50-Euro-Schein ein Ticket kaufen müssen, und wenn Sie wie ich in Berlin leben, dann kennen Sie möglicherweise diesen speziellen Busfahrerblick: Ein Blick, der einen sofort zu Staub zerfallen lässt, weil man einem Mann, dessen Job schon reich an Umständen ist, jetzt noch mehr Umstände macht. Eigentlich ist es natürlich kein großer Unterschied, ob man einen Zwanziger oder Fünfziger wechselt. Aber ich höre in meinem Kopf den inneren Monolog des Fahrers, während ich ihm mit unterwürfigem Bedauern meinen Schein hinhalte:

Aha, na schau mal an, die feine Dame, mit’m Fuffziger will’se zahlen, kleiner hat sie’s wohl nicht, na ist ja mal wieder typisch!

Am Ende habe ich gar keine Fahrkarte gekauft, sondern bin ohne gefahren. Mit Schuldgefühlen natürlich, denn ich habe ja eine Beförderungsleistung erschlichen, und wenn das jede:r machen würde, nur weil sie oder er den genervten Blick eines wechselunwilligen Busfahrers nicht erträgt, dann werden ja auch jedes Jahr die Tickets für alle immer teurer. Mein albernes Bedürfnis, einer Einzelperson keine Umstände zu machen, macht dann also der Solidargemeinschaft Umstände – man kommt aus der Sache einfach nicht sauber raus.

Kein Kleingeld für Trinkgelder

Der schlimmste aller Bezahlvorgänge ist im Restaurant oder Café, also überall da, wo man Trinkgeld geben sollte. Ich finde Trinkgeld wichtig und gebe gern viel, aber nichts ist doch entwürdigender, als mit einem viel zu großen Schein zu zahlen und sich rausgeben lassen zu müssen, auf einen selbst festgelegten Betrag, für den sich die Servicekraft dann artig bedanken muss, während sie die Münzen zusammenkramt. Kommt mir auch schon wieder so unangenehm deutsch vor; andere Länder haben das diskreter gelöst, etwa, indem es üblich ist, das Trinkgeld auf dem Tisch liegen zu lassen, das ist doch für alle Beteiligten angenehmer.

Eine Lösung wäre natürlich, das Bargeld abzuschaffen, wie es ja auch hier und da schon überlegt wird. Einfach überall nur schnell die EC-Karte dranhalten und fertig. Nun hat aber nicht jeder Mensch ein Bankkonto, Obdachlose zum Beispiel. Oder Menschen ohne Papiere. Leute, denen ich wirklich am allerwenigsten Umstände und das Leben noch schwerer machen möchte.

Am besten gegen meine Alltagsschüchternheit bei Bezahlvorgängen wäre also, wenn ich unendlich reich werden würde, so ungefähr im Elon-Musk-Segment. Dann könnte ich dafür sorgen, dass niemand papier- oder obdachlos ist, und jede:r in diesem Land ein Bankkonto mit ausreichend Geld darauf und eine EC-Karte hat. Oder ich könnte einfach jedes Kaugummi im Kiosk, jedes Brötchen beim Bäcker, jeden Espresso im Café, jede Busfahrkarte mit einem Fünfziger bezahlen, "stimmt so" sagen und schnell verschwinden.

Brigitte

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