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Afghanistan "Viele Frauen verstecken sich und fürchten um ihr Leben"

Afghanistan: Die Situation der Frauen ist desolat
© SAJJAD HUSSAIN/AFP / Getty Images
Die Frauenrechtlerinnen in Afghanistan brauchen dringend Schutz - das fordert "UN Women Deutschland" in einem offenen Brief an die Bundesregierung. Was droht ihnen unter den Taliban?

Mit dem Truppenabzug aus Afghanistan sind vor allem Frauen und Mädchen wieder der Willkür und der Gewalt der Taliban ausgeliefert. Besonders bedroht sind Frauenrechtlerinnen, die in den vergangenen 20 Jahren im Land aktiv waren. Viele müssen um ihr Leben fürchten. "UN Women Deutschland" fordert daher die Bundesregierung in einem offenen Brief dazu auf, sie zu beschützen. Ein Gespräch mit der Vorsitzenden Elke Ferner.

BRIGITTE.de: Was wissen Sie über die aktuelle Lage der Frauen in Afghanistan?

Elke Ferner: Wir sehen ja an den Bildern, dass die Frauen schon wieder aus dem öffentlichen Blickfeld verschwunden sind. Viele verstecken sich und fürchten um ihr Leben und das ihrer Angehörigen. Das gilt vor allem für die Frauenrechtlerinnen, die sich in den letzten 20 Jahren öffentlich rausgewagt haben und sich aktiv für eine andere Zivilgesellschaft und andere Werte eingesetzt haben. Sie befürchten das Schlimmste.

Was wäre das?

Dass sie vergewaltigt und getötet werden und dass alles, was sie an Fortschritten erreicht haben, auf einen Rutsch eingestampft wird.

Sie haben einen offenen Brief an die Bundesregierung verfasst, in dem Sie fordern, afghanischen Frauenrechtlerinnen dringend Schutz zu gewähren – hat man sie vergessen?

Gestern hat Bundesaußenminister Heiko Maas ausdrücklich gesagt, dass der Personenkreis aus deutschen Staatsangehörigen, Ortskräften und NGO-Mitarbeitenden um Frauenrechtlerinnen und Menschenrechtsaktivistinnen erweitert wird. Damit sind jetzt die formalen Voraussetzungen da, um ihnen zu helfen. Allerdings ist es kaum möglich, ohne Geleitschutz zum Flughafen zu kommen.

Wie könnte ein Geleitschutz organisiert werden?

Es wird darauf ankommen, dass es gelingt, das mit den Taliban auszuhandeln. Das Geleit muss mit Soldatinnen und Soldaten und einem robusten Mandat abgesichert werden, sonst ist es für alle Beteiligten zu gefährlich.

Wie groß sind die Chancen, dass die Taliban da mitspielen?

Sie versuchen im Moment, gut Wetter zu machen, sprechen von Amnestie und dass niemand Angst haben müsse. Wie weit man über diese Brücke gehen kann, weiß ich nicht. Wenn die Taliban freies Geleit gewähren würden, wäre das aber ein Signal, dass sie vielleicht doch ernst meinen, was sie sagen. Die Betroffenen vor Ort müssen aber selbst entscheiden, ob sie darauf vertrauen oder nicht.

Was erwartet Frauen, die nicht rauskommen?

Im schlimmsten Fall Scharia pur, also ein Leben ohne zivile Rechte: Mädchen dürfen nicht mehr zur Schule, Frauen nicht mehr in den Beruf. Sie werden aus den Entscheidungsgremien zurückgedrängt werden und es wird auch keinen Schutz mehr vor Gewalt geben. Man kann nur hoffen, dass viele Frauenrechtlerinnen mit ihren Familien rauskommen. Die Frauen werden ihre Familie nicht zurücklassen, während Männer eher bereit sind, auch alleine zu gehen.

Was muss jetzt am dringendsten passieren?

Die Menschen sicher zum Flughafen bringen und sie ausfliegen. Das Nächste, was passieren muss, ist, dass die Nachbarländer unterstützt werden, denn dorthin werden viele Menschen auf dem Landweg fliehen. Die Verhältnisse in den Flüchtlingscamps müssen so sein, dass man eine Weile dort bleiben kann. Es muss gewährleistet sein, dass Kinder in die Schule können, dass es Arbeit gibt und vor allem, dass Frauen und Kinder vor Gewalt geschützt werden.

Es ist aber nicht abzusehen, dass die Taliban wieder verschwinden.

Nein, aber die wenigsten Menschen wollen weit weg von der Heimat, das sehen wir in Syrien. Die meisten haben die Hoffnung, eines Tages wieder in ihr Land zurückkehren zu können.

Brigitte

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