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Abtreibungsverbot in Texas Hexenjagd 2.0: Mit Kopfprämien gegen Frauen

Abtreibungsverbot in Texas
© CameraCraft / Shutterstock
Texas hat jetzt das schärfste Abtreibungsgesetz der USA – selbst nach einer Vergewaltigung ist der Abbruch verboten. Für Denunziant:innen gibt es Geldprämien.

Während alle Welt auf Afghanistan blickt, wo die Taliban drohen, jegliche Frauenrechte zunichte zu machen, werden sie auch in der ältesten Demokratie der Welt beschnitten: Im Bundesstaat Texas gilt seit dem 1. September das extremste Abtreibungsgesetz der USA. Die Heartbeat Bill, die der republikanische Gouverneur Greg Abbott unterschrieben hat, verbietet Schwangerschaftsabbrüche, sobald der Herzschlag des Fötus erkennbar ist. Dies kann schon in der sechsten Schwangerschaftswoche der Fall sein, zu einem Zeitpunkt, an dem Frauen oft noch gar nicht wissen, dass sie schwanger sind.

Das Abtreibungsverbot gilt auch bei Vergewaltigung und Inzest, wobei Letzteres oft nichts anderes als sexuelle Gewalt in der Familie bedeutet. Selbst Opfer solcher Verbrechen dürfen nicht abtreiben, wenn sie das doppelte Unglück hatten, geschwängert zu werden. Einzige Ausnahme der Regelung: medizinische Notfälle.

Kopfgeld: Der Staat bläst zur Hexenjagd 2.0

Hinzu kommt: Erstmalig sind nicht die Behörden dafür zuständig, ein Gesetz rechtlich geltend zu machen, sondern Privatpersonen. Jede:r Bürger:in ist berechtigt und wird dazu ermutigt, zivilrechtlich nicht nur gegen Frauen vorzugehen, die abtreiben wollen, sondern auch gegen die Menschen, die sie dabei unterstützen. Die Regelung kann also zu kostspieligen Klagen gegen Freund:innen und Angehörige führen, die eine schwangere Frau zu ihrem Abtreibungstermin fahren, gegen Eltern, die für den Abbruch zahlen, oder gegen Beschäftigte im Gesundheitswesen.

Die Juraprofessorin Melissa Murray veranschaulichte mögliche Folgen des Gesetzes in der "New York Times" so:

Wenn eine Barista bei Starbucks hört, wie du über deine Abtreibung sprichst, und dass diese nach der sechsten Woche stattgefunden hat, ist die Barista berechtigt, die Klinik zu verklagen, bei der du abgetrieben hast, und jede andere Person, die dir geholfen hat, etwa den Uber-Fahrer, der dich hingefahren hat.

Aber damit nicht genug: Wer erfolgreich klagt, bekommt nicht nur die Gerichtskosten erstattet, sondern zusätzlich eine Prämie von mindestens 10.000 US-Dollar, die die verurteilte Person bezahlen muss. Mit diesem "Kopfgeld" wird ein sehr großer finanzieller Anreiz geschaffen, Frauen in Not zu denunzieren. Betroffene und deren Angehörige haben nicht nur das Abtreibungsverbot zu fürchten, sondern auch Bespitzelung und Verrat durch Nachbar:innen, Kolleg:innen oder sogar Fremde. Es heißt, dass Abtreibungsgegner:innen bereits dazu aufgerufen hätten, "anonyme Hinweise" zu geben. 

Auch Präsident Joe Biden empört sich

Bis zum letzten Moment hatten Fe­mi­nis­t:in­nen versucht, das Gesetz zu verhindern, auch der US-Präsident ist empört: Wie zahlreiche Frauenrechtlerinnen betonte Joe Biden, dass das Gesetz verfassungswidrig sei. Es verstoße gegen das Grundsatzurteil des Obersten Gerichts von 1973, das Abtreibungen landesweit legalisiert. Doch schon jetzt bieten texanische Abtreibungskliniken keine Abbrüche mehr an. Ungewollt Schwangere müssen für den Eingriff auf andere Bundesstaaten ausweichen – sofern sie dazu in der Lage sind.

Es ist immer noch möglich, dass das Gesetz gekippt wird. Ist es jedoch erfolgreich, drohen andere konservative Staaten wie Georgia oder Kentucky nachzuziehen, die bislang mit ihren eigenen Heartbeat Bills gescheitert sind. Das Abtreibungsgesetz ist ein Sieg christlicher Fundamentalist:innen und ein schmerzhafter Schlag gegen die Selbstbestimmung von Frauen: My Body, no Choice.

Quellen: Texas Tribune, SPON, Planned Parenthood

Brigitte

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