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Ungewollt schwanger? Die Serie "Bauchgefühl" bricht mit dem Tabu

Laura Berlin
© ZDF/Lisa Eidenhammer
2022 wurden in Deutschland über 100.000 Abtreibungen durchgeführt. Rein statistisch gesehen bricht jede fünfte Frau ihre Schwangerschaft ab. Aber kaum eine redet darüber. Die Serie "Bauchgefühl" tut es und klärt darüber auf, was es für Betroffene bedeutet, ungewollt schwanger zu sein.

"Mein Bauch gehört mir." Das war der Slogan, der die Abschaffung von Paragraf 218 und damit die Legalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen forderte. Erstmals in den 1970er-Jahren. 2024 sind wir nicht viel weiter. Leider. Das Thema ist gerade wieder brandaktuell. Seit März 2023 tagt eine Kommission zur reproduktiven Selbstbestimmung und Fortpflanzungsmedizin, die nun endlich die Empfehlung ausgesprochen hat, Schwangerschaftsabbrüche bis zur zwölften Woche zu legalisieren.

Schwangerschaftsabbruch – noch immer eine Straftat

Auch wenn das bedeutet, dass sich vielleicht bald etwas ändert, gilt zurzeit in Deutschland nach wie vor das Verbot. So steht es in Paragraf 218 des Strafgesetzbuchs (StGB) im Abschnitt "Straftaten gegen das Leben", in dem auch Mord und Totschlag aufgeführt werden. Nur wenn bestimmte Bedingungen erfüllt sind, bleibt eine Abtreibung straflos, dann dürfen weder die Schwangere noch das medizinische Personal strafrechtlich verfolgt werden.

Folgende Bedingungen gelten: Die zwölfte Schwangerschaftswoche darf nicht überstritten sein, eine Beratung bei einer anerkannten Schwangerschaftskonfliktberatungsstelle ist verpflichtend und eine dreitägige Bedenkzeit muss eingehalten werden. Die Kosten für einen Abbruch werden nur infolge einer Vergewaltigung von der Krankenkasse übernommen oder wenn eine Gefährdung der Gesundheit der Schwangeren zu fürchten ist. Ganz schön viele Regelungen, die nicht gerade dazu beitragen, dass Betroffene über ihre Abtreibungsgeschichten frei sprechen. Entstigmatisierung und Offenheit der Thematik gegenüber wären aber wichtig, um Betroffenen helfen zu können, die sich mit ihrer ungewollten Schwangerschaft allein gelassen fühlen.

"Bauchgefühl" stellt die freiwillige Abtreibung in den Vordergrund

Die ZDFneo-Serie "Bauchgefühl" hat sich dieser Aufgabe angenommen und erzählt – ohne nach einfachen Lösungen zu suchen – anhand eines Einzelschicksals, welche Herausforderungen ein Schwangerschaftsabbruch mit sich bringt. Denn tatsächlich gehen Abtreibungen immer noch häufig mit negativen Bewertungen einher und führen daher zu Scham der Betroffenen. Laura Berlin, die in der Serie die unfreiwillig schwangere Lena spielt, bestätigt das. 

In unserer Gesellschaft bleibt der freiwillige Schwangerschaftsabbruch anscheinend nach wie vor ein großes Tabu-Thema, wobei die Angst vor sozialer Stigmatisierung oft im Vordergrund steht. Das hat mich überrascht und in gewisser Weise auch geschockt – Laura Berlin

Sowohl Protagonistin Laura Berlin als auch Regisseurin Esther Rauch erhoffen sich durch die Serie, den Diskurs anzuregen und dadurch etwas verändern zu können. Im Interview mit Brigitte erzählen die beiden, warum "Bauchgefühl" auch nach so vielen Jahren Kampf um das Recht auf weibliche Selbstbestimmung immer noch am Nabel der Zeit ist – wenn nicht sogar mehr, denn je.

Interview mit Esther Rauch und Laura Berlin

BRIGITTE: Frau Rauch, Ihre Serie behandelt ein sehr sensibles, emotionales Thema. Wie sind Sie vorgegangen? 

Esther Rauch: Inhaltlich war es für mich ganz wichtig, die Geschichte einer einzigen Frau zu erzählen. Man kann gerade bei diesem Thema nicht sagen, "so läuft das ab" und das liegt sicher auch daran, dass immer die Straftat mitschwingt. Es gibt keine Norm, weil Schwangerschaftsabbruch gesellschaftlich nicht als normal behandelt wird.

Stimmt. In Deutschland ist Schwangerschaftsabbruch gesetzlich nach wie vor eine Straftat. Denken Sie, dass sich in Zukunft etwas ändern wird?

Esther Rauch: Ich hoffe es zumindest. Aber wenn Trump in den USA androht, bei Wiederwahl im ganzen Land Schwangerschaftsabbruch zu verbieten, macht mir das Angst. Ich glaube, Schwangerschaftsabbruch muss entkriminalisiert werden. Ich persönlich halte sehr viel von den Beratungsstellen für Schwangerschaftskonfliktberatung. Ich glaube aber, dass diese Beratung freiwillig stattfinden muss und dass es eine Anlaufstelle geben muss, wenn eine Frau ein Kind zum Beispiel aus finanziellen Gründen nicht bekommen kann. Der Zwang zu einer Beratung, um einer Strafe zu entgehen, kann keine Lösung sein.

Frau Berlin, hatten Sie bereits vor Drehbeginn Berührungspunkte mit dem Thema Abtreibung?

Laura Berlin: Ich verfolge die Debatte um die Paragrafen 218 und 219a schon länger, weil mir die Relevanz dieser Entscheidung schon vor "Bauchgefühl" bewusst war. Denn es geht um das grundlegende Recht der Frau auf Selbstbestimmung über den eigenen Körper. Lange dachte ich, dass ich keine Frau persönlich kenne, die bereits einen freiwilligen Schwangerschaftsabbruch hatte. Statistisch gesehen kann das aber nicht sein. 

Als Grundlage für die Rolle der Lena wurden Ihnen zwölf Interviews von Frauen vorgelegt, die einen freiwilligen Schwangerschaftsabbruch erlebt und von ihren individuellen Erfahrungen erzählt haben. Wie war das für Sie, diese Berichte zu lesen? 

Laura Berlin: Die Serie basiert streng genommen zwar nicht auf den Interviews, aber sie waren eine wichtige Informationsquelle für mich. Noch immer wird viel über das Thema geschwiegen, denn die Betroffenen haben oft Angst vor Verurteilung und Stigmatisierung. Für viele war auch die Entscheidung und der ganze Prozess ohnehin schon schwer genug und sie möchten sich keinen weiteren Fragen oder Urteilen aussetzen. Es hat mich betroffen gemacht, wie viel Unrecht diese Frauen oft aushalten müssen. 

Gab es bestimmte Punkte, die Sie als Regisseurin unbedingt unterbringen wollten, Frau Rauch? 

Esther Rauch: Für mich war es Voraussetzung, eine Frau zu skizzieren, die keine zwingenden äußeren Gründe für einen Abbruch hat. Und: für die diese Entscheidung von Anfang an klar ist. Zwar führt sie einen inneren Kampf damit, wie genau das für sie aussehen wird, aber sie hat keine Zweifel an der Entscheidung. Lenas "Nicht jetzt" ist ein Grund für einen Abbruch! Es ging mir nicht darum, ein Pro und Kontra zu zeigen oder gar zu moralisieren, sondern verschiedene Haltungen aufeinanderprallen zu lassen.

Und "Bauchgefühl" schaut auch dann hin, wenn es wehtut …

Esther Rauch: Das war das Zweite, was mir wichtig war. Dass wir eine Frau zeigen, die sich dem stellt, die wissen will, wogegen sie sich entscheidet. Die den Fötus am Ultraschall sehen will. Und gleichzeitig zeigen wir dem Publikum auch Lena beim Abgang und den Fötus in der Kloschüssel.

Frau Berlin, in der Serie stellt Lena ihren Mann vor vollendete Tatsachen. Sie möchte das Kind nicht. Haben Sie innere Konflikte verspürt? 

Laura Berlin: Die Entscheidung, die Lena trifft, ist definitiv keine, die sie leichtfertig trifft. Ich finde nicht, dass sie ihren Partner aus ihrer Entscheidung oder von ihrem Weg ausschließt oder seine Gefühle ignoriert. Für beide ist es schwer. Aber es ist Lenas Körper und ihre Entscheidung. Diese Auffassung teile ich auch persönlich.

"Bauchgefühl" erspart den Zuschauer:innen wenig. Eine Mitarbeiterin versucht Lena umzustimmen und setzt sie unter moralischen Druck. Vor der Klinik laufen Demonstrierende auf und beschimpfen Lena als Mörderin. Wie hat sich das für Sie angefühlt?

Laura Berlin: Ich möchte mir nicht anmaßen zu behaupten, dass ich wirklich nachvollziehen kann, was es für einen Menschen bedeutet, diese Entscheidung zu treffen. Es ist ein sehr vielschichtiger, schwieriger und emotionaler Weg. Aber gerade die Szene, in der Lena von Demonstranten umzingelt wird und ihr Geschrei und ihre Drohungen aushalten muss, ging auch bei mir sehr tief.

Wie würden Sie die Kernbotschaft der Serie zusammenfassen?

Esther Rauch: Es geht mir um ein Sichtbar-Machen. Darum, das Schweigen zu brechen und Frauen nicht mehr das Gefühl zu geben, dass sie schlechte Menschen sind, weil eine Schwangerschaft und ein Kind für sie nicht infrage kommt. Es gibt viele Frauen, die schon mal in so einer Situation waren. Zu wissen, man ist nicht die einzige, nicht allein damit. Es gibt die unterschiedlichsten Gründe, warum sich eine Frau für einen Abbruch entscheidet. Aber ich behaupte mal, keine Frau macht sich diese Entscheidung leicht. Und jede Frau würde diese Entscheidung lieber nicht treffen müssen.

 

Laura Berlin
Laura Berlin
© PR


Laura Berlin ist eine deutsche Schauspielerin und Model. Sie lebt in Berlin. In "Bauchgefühl" spielt sie die schwangere Lena. 

Esther Rauch
Esther Rauch
© Andreas Dobslaff


 

Esther Rauch ist eine österreichische Filmregisseurin und Drehbuchautorin. Für ZDFneo setzte sie die Serie "Bauchgefühl" über ungewollte Schwangerschaft und Schwangerschaftsabbruch in Szene, zu der sie gemeinsam mit Anneke Janssen auch das Drehbuch schrieb. 
 

Verwendete Quellen: spiegel.de, amnesty.de, tagesschau.de

Brigitte

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