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80. Geburtstag: Gedenken an Anne Frank

Ihr Tagebuch ist ein wichtiges historisches Dokument der Judenverfolgung im Dritten Reich: Am 12. Juni 2009 wäre Anne Frank 80 Jahre alt geworden. Ein Porträt.
Anne Frank: Sie wurde nur 15 Jahre alt.
Anne Frank: Sie wurde nur 15 Jahre alt.
© Anne Franks Haus Amsterdam/Anne Frank Fonds Basel

Journalistin werden. Das wollte sie. Eigentlich ein ganz normaler Mädchentraum. Doch in Anne Franks Geschichte ist nichts "normal". Die letzten zwei Jahre ihres Lebens verbrachte sie mit ihrer Familie in einem Versteck in Amsterdam - ständig in Angst, entdeckt und verraten zu werden. Ein Albtraum, der am 4. August 1944 Wirklichkeit wurde.

Anne Frank: Ein Leben im Exil

Geboren wird Annelies Marie Frank am 12. Juni 1929 in Frankfurt am Main. Ihre Eltern, Otto und Edith, sind Deutsche jüdischer Herkunft, die es zu Wohlstand gebracht haben. Doch die Familienidylle hält nicht lange an: Als die Nazis 1933 an die Macht kommen und Otto Franks Bankgeschäft durch die Wirtschaftskrise in Mitleidenschaft gezogen wird, entschließen sich Otto und Edith gemeinsam mit ihren beiden Töchtern Margot und Anne nach Amsterdam auszuwandern. Mit dieser Entscheidung sind sie nicht allein: Rund 25.000 deutsche Juden flüchteten zwischen 1933 und 1938 in die Niederlande - eine Tatsache, die die niederländische Regierung mit der Zeit zu immer strikteren Einwanderungsgesetzen zwingt.

Anne Frank als Baby 1930 im Frankfurt am Main
Anne Frank als Baby 1930 im Frankfurt am Main
© AFF Basel / AFS Amsterdam

Anne Frank fühlt sich wohl in Amsterdam, beschreibt die ersten Jahre als "sorglos" und "unbekümmert". Sie und ihre Schwester Margot gehen dort zur Schule, schnell lernen sie fließend Niederländisch. Das Verhältnis zu ihrer Mutter hingegen ist oft von Spannungen gekennzeichnet. Später unterstellt Anne in ihrem Tagebuch ihrer Mutter "kein Feingefühl, kein mütterliches Verständnis". Ihren Vater hingegen bewundert sie als den "liebste(n) Schatz von einem Vater". Doch trotz aller Differenzen liebt Anne Frank ihre Mutter und nennt sie sogar ihre "beste Freundin".

Anne Frank: "Ich werde, hoffe ich, dir alles anvertrauen können"

Als am 15. Mai 1940 die Niederlande von den Nazis besetzt werden, endet für die Franks das friedliche Leben im Exil. Ab diesem Zeitpunkt werden auch in Amsterdam die Juden diskriminiert, verfolgt und denunziert. Für den ursprünglichen Plan, Ediths Brüdern nach Amerika zu folgen, ist es jetzt zu spät.

Zu ihrem 13. Geburtstag am 12. Juni 1942 bekommt Anne Frank ein Tagebuch geschenkt. Ihr erster Satz lautet: "Ich werde, hoffe ich, dir alles anvertrauen können, (...) und ich hoffe, du wirst mir eine große Stütze sein". Zu diesem Zeitpunkt ahnte sie schon, auf welches Leid sie und ihre Familie sich einstellen mussten.

Anne Frank: Sie wurde nur 15 Jahre alt.
Anne Frank: Sie wurde nur 15 Jahre alt.
© Anne Franks Haus Amsterdam/Anne Frank Fonds Basel

Nur knapp einen Monat später scheint das Schicksal der Familie Frank besiegelt: Annes ältere Schwester Margot bekommt von den Nazis einen Aufruf, sich unverzüglich in Deutschland zu melden. Solch ein Brief war damals keine Seltenheit: Viele der im Ausland lebenden deutschen Juden wurden gezwungen, in ihre Heimat zurückzukehren, um in Lagern für das Regime zu arbeiten. Die Alternative ist eindeutig: Würde Margot sich weigern, bedeutete dies eine Verhaftung der gesamten Familie.

Leben im Versteck

Es gibt nur eine Lösung: Anne Frank und ihre Familie müssen sich verstecken. Im Hinterhaus von Otto Franks Firma in der Prinsengracht 263 haben Annes Eltern schon seit geraumer Zeit an einem Unterschlupf gebaut. Auch die befreundete Familie van Pels zieht mit in das Versteck: Hermann van Pels, ein Geschäftspartner von Annes Vater Otto, seine Frau Auguste und der gemeinsame Sohn Peter. Anfangs kommen die beiden Familien im Versteck gut miteinander aus, doch die extreme Situation führt immer mehr zu Anspannungen - nicht nur zwischen den einzelnen Familien, sondern auch untereinander, vor allem zwischen Anne Frank und ihrer Mutter. Eines Tages vertraut Anne ihrem Tagebuch an: "Diese zu heftigen Sätze sind lauter Äußerungen von Wut, die ich im normalen Leben mit ein paarmal Aufstampfen in meinem Zimmer, hinter verschlossener Tür, oder mit Schimpfen hinter Mutters Rücken ausgelebt hätte."

Anne Frank als Baby 1929
Anne Frank als Baby 1929
© AFF Basel / AFS Amsterdam

Versorgt werden die Franks und van Pels während dieser Zeit von einigen Mitarbeitern aus dem Betrieb. Eine harte Zeit für alle, doch Anne Frank bleibt so wie sie immer war: fröhlich, lebensbejahend, lustig. Auch ihr Schreibstil ist teilweise richtig komisch, so notiert sie über Hermann van Pels: "In der Firma wurde er wegen seiner Gewürzkenntnisse angestellt, doch nun zeigt er sich von der wurstigen Seite, was uns keineswegs unangenehm ist. Er wollte Bratwurst, Geldersche Wurst und Mettwurst machen...". Eine Freundin von Annes Schwester Margot beschreibt Anne Frank als "ein sehr keckes Mädchen, das immer im Mittelpunkt stand. Sie war ein Hansdampf in allen Gassen".

Gleichzeitig ist Anne Frank jedoch sehr erwachsen für ihr Alter - vielleicht zu erwachsen. Von den Helfern, die die Familien während der Zeit im Versteck mit Lebensmitteln und Büchern versorgen, will sie ganz genau wissen, was draußen in der Welt passiert; ihrem Tagebuch vertraut sie dann die gehörten Geschichten über Verhaftungen und Vergasungen an. Später wird die Helferin Miep Gies sagen: "Ich konnte nicht glauben, dass Menschen zu so etwas fähig waren. Anne aber doch".

Wenn sie schreibt, ist sie ganz in ihrer eigenen Welt. Und sie schreibt offen und ehrlich über alles, was sie denkt und über alle, die sie kennt: Ihre eigene Familie, die Familie van Pels, die Helfer.

Und im November 1942 kommt noch jemand, über den sie schreiben kann: Fritz Pfeffer, ein befreundeter Zahnarzt der Familie. Auch er ist aus Deutschland geflohen und sucht Unterschlupf im Hinterhaus. Anne Frank nennt ihn in ihrem Tagebuch nur Albert Dussel. Die anfängliche Begeisterung schlägt schnell in Genervtheit um.

Anne Frank: Sie wurde nur 15 Jahre alt.
Anne Frank: Sie wurde nur 15 Jahre alt.
© Anne Franks Haus Amsterdam/Anne Frank Fonds Basel

Überhaupt nehmen die Spannungen untereinander zu, davon zeugt eine Textpassage aus Annes Tagebuch: "Mir ist ganz schwindlig von all den Schimpfworten, die im letzten Monat durch dieses ehrbare Haus geflogen sind. (...) Ehrlich gesagt, ich vergesse ab und zu, mit wem wir Streit haben und mit wem die Versöhnung bereits stattgefunden hat. Das Einzige, was mich ablenkt, ist Lernen, und das tue ich viel." Ihr Tagebuch ist für sie ein Ventil, eine Möglichkeit Druck abzulassen. Sie schreibt an Kitty, ihre imaginäre Tagebuchfreundin, und vertraut ihr alles an, auch als sie sich in Peter van Pels verliebt hat. Die Schwärmerei hält allerdings nicht lange an, so schreibt sie einige Zeit später über ihn: "Er hat kein festes Ziel vor Augen, findet sich selbst zu dumm und zu unbedeutend, um etwas zu leisten. Armer Junge!"

Anne Frank weiß bereits im Versteck, dass ihr Tagebuch eines Tages für große Aufmerksamkeit sorgen könnte. Die letzten zehn Wochen ihres Lebens im Unterschlupf verbringt sie damit, viele ihre Tagebucheinträge als "Fassung b" zu überarbeiten. Darin dankt sie den Helfern für ihre Unterstützung, macht sich Gedanken über die Nachrichten, die von außen in das Versteck dringen und analysiert kritisch die Ehe ihrer Eltern. Auch viele Kurzgeschichten legt sie ihrem Tagebuch bei.

Anne Frank an ihrem 10. Geburtstag 1939 in Amsterdam (2. v. l.)
Anne Frank an ihrem 10. Geburtstag 1939 in Amsterdam (2. v. l.)
© AFF Basel / AFS Amsterdam

Am 4. August 1944 ist alles vorbei: Der SS-Offizier Karl Silberbauer und drei niederländische Polizisten stürmen in den Betrieb, zwingen einen der Helfer, sie zum Versteck zu führen. Vater Otto Frank macht gerade mit Peter van Pels Hausaufgaben, als plötzlich die Tür aufgeht und ein Revolver auf ihn gerichtet wird. Ein Unbekannter hatte der Polizei einen telefonischen Hinweis auf das Versteck der Franks und van Pels gegeben. Wer es wirklich war, ist bis heute ungeklärt.

Die Untergetauchten werden zusammengescheucht und abtransportiert. Anne Franks Tagebucheintragungen bleiben verstreut auf dem Boden liegen. Die zurückgelassenen Helferinnen Miep Gies und Bep Voskuijl bewahren sie auf.

Tod in Bergen-Belsen

Die Gefangenen werden zum Verhör in ein deutsches Gefängnis gebracht und vier Tage später in das Durchgangslager Westerbork transportiert. Dort hausen sie in Strafbaracken und müssen jeden Tag unzählige Stunden arbeiten. Einen Monat später kommen sie nach Auschwitz, Frauen und Männer werden voneinander getrennt. Herrmann van Pels wird aufgrund seiner schlechten körperlichen Verfassung gleich ermordet, der Rest muss im KZ hart arbeiten. Im Oktober 1944 bleibt Edith, Margot und Anne nicht mal mehr der Zusammenhalt: Anne Frank und ihre Schwester Margot werden nach Bergen-Belsen geschickt, ihre Mutter bleibt in Auschwitz zurück. Dort stirbt Edith Frank im Januar 1945 an Entkräftung. Anne und Margot haben zu dem Zeitpunkt nur noch zwei Monate zu leben: Am 30. März 1945 stirbt Margot Frank an Typhus, Anne Frank nur einen Tag später.

Otto Frank wird am 27. Januar von sowjetischen Soldaten aus Auschwitz befreit. Er ist der einzige Überlebende - nicht nur seiner Familie, sondern von allen acht, die sich damals in der Prinsengracht versteckt hielten.

Anne Frank: 1979 wurde ihr eine eigene Briefmarke gewidmet.
Anne Frank: 1979 wurde ihr eine eigene Briefmarke gewidmet.
© herausgegeben von der Deutschen Post

Nach Annes Tod übergibt die ehemalige Helferin Miep Gies Otto Frank die Tagebücher seiner Tochter. Er beginnt zu lesen - und ist bald so von ihnen in Bann gezogen, dass er beschließt, sie zu veröffentlichen. Damit will er Anne Frank einen Gefallen tun, hatte sie selbst doch so akribisch eine Publikation vorangetrieben. Zwei Jahre später erscheinen ihre Aufzeichnungen unter dem Namen "Het Achterhuis" (Das Hinterhaus).

Es sind die letzten Überlieferungen eines Mädchens, das nur fünfzehn Jahre alt geworden ist. Jan Romein, ein niederländischer Historiker, wird später über sie sagen:

"Für mich ist in diesem scheinbar unbedeutenden Tagebuch eines Kindes die ganze Abscheulichkeit des Faschismus verkörpert, mehr als in den gesamten Akten der Nürnberger Prozesse."

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