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"Wie eine Maschine": Alleinerziehende berichten

Mutter mit Kind
© Anna Selina / Shutterstock
Mit welchen Problemen haben alleinerziehende BRIGITTE-Leserinnen zu kämpfen? Lesen Sie hier die Reaktionen auf das heiß diskutierte Dossier.

Die Resonanz auf unser BRIGITTE-Dossier zur desolaten Situation von alleinerziehenden Müttern war gewaltig: Hunderte von Briefen, E-Mails, Online-Kommentaren und Forenbeiträge gingen bei uns ein. Viele BRIGITTE-Leserinnen bedankten sich dafür, dass wird das Thema aufgegriffen haben. Und noch mehr bestätigten die Probleme, die im Dossier beschrieben wurden und berichteten von eigenen Erfahrungen. Wir haben einige der Beiträge zusammengefasst, um Ihnen ein Stimmungsbild zu geben - von Frauen, denen es an Geld, an Zeit, an Unterstützung mangelt - und die trotzdem irgendwie alles auf die Reihe kriegen (müssen).

Aus dem Leben von Alleinerziehenden - BRIGITTE.de-Leserinnen berichten ...

... über Geldsorgen

Bei vielen Müttern reicht das Geld gerade mal für das Nötigste - sobald zusätzliche Ausgaben anfallen, geraten sie in Schwierigkeiten. Das ist besonders belastend, wenn es um die Ausbildung der Kinder geht, wie Birgit berichtet: "Ich kann meiner Tochter Nachhilfe leider nicht ermöglichen, was sich vermutlich auf ihre Laufbahn auswirken wird." Auch ein Studium werde sie nicht finanzieren können, ganz abgesehen von einer eigenen Zusatzaltersvorsorge.

Erschreckend ist, wie viele Frauen keinen Unterhalt vom Vater bekommen. Verena Loos zum Beispiel hat noch keinen einzigen Cent von ihrem Ex gesehen - um überhaupt über die Runden zu kommen, musste sie neben der Vollzeit-Arbeit sogar noch einen Nebenjob annehmen. "Zwar habe ich meine Mutter, die meinen Sohn oft betreut, aber es ist doch eine große Belastung, den ganzen Tag arbeiten zu müssen und so wenig Zeit fürs Kind zu haben", klagt sie.

Doch nicht nur von den Männern, auch vom Staat fühlen sich die Alleinerziehenden im Stich gelassen. Häufigster Vorwurf: die ungerechten Steuersätze. "Es ist nicht nachvollziehbar für mich, warum Einelternfamilien nicht den gleichen Steuersatz bekommen wie verheiratete Eltern", schreibt Angelika Pfab. Und auch Susanne S. wundert sich: "Wie kann es sein, dass beim 'Schutz der Familie' Ehepaare mit Kindern so sehr privilegiert sind? Sind wir Alleinerziehenden mit unseren Kindern keine Familien?" Bei Leserin Natascha führte die Steuerungerechtigkeit sogar dazu, dass sie mit ihrem Mann trotz Trennung verheiratet bleibt.

Ein weiterer Kritikpunkt: der Unterhaltsvorschuss. Yvonne Merkle war entsetzt, als sie vom Jugendamt erfuhr, dass Alleinerziehende, die keinen Unterhalt vom Vater bekommen können, für Kinder ab 13 Jahren selbst sorgen müssen. "Gerade in diesem Alter benötigt man für die Kinder finanzielle Unterstützung." Und auch Catrin fragt sich: "Vermutlich werden die Kinder im Teenageralter billiger oder wie?"

BRIGITTE-Leserin Ursula Schuh fühlt sich angesichts solcher Zustände an die Sechziger Jahre erinnert. "In dieser Zeit war es ein Makel, ein Kind ohne Vater großzuziehen. Es macht mich ganz traurig zu hören, dass es nach so langer Zeit immer noch keine Hilfe vom Staat gibt."

... über schlechte Betreuungsmöglichkeiten und Benachteiligung im Beruf

Den Job und die Kinder unter einen Hut zu bringen - das ist für alle Alleinerziehenden der größte Kraftakt. Vielfach klagen die BRIGITTE-Leserinnen über mangelnde Betreuungsangebote. "Es kann nicht sein, dass mein Kind im Sommer in die Schule kommt und ich auf eine Warteliste gesetzt werde für die Ganztagsbetreuung!", beschwert sich Petra Perschewski und wendet sich direkt an die Familienministerin: "Berufstätigkeit darf nicht bestraft werden, sondern muss gefördert werden, liebe Frau von der Leyen!" Auch Birgit stellt fest: "Sobald das Kind aus dem Kindergarten kommt, steht die Einelternfamilie allein da", und wünscht sich darum "gute Ganztagsschulen mit selbstkritischen und teamfähigen Lehrern."

Vor allem in den Ferien stehen die Mütter vor unlösbaren Problemen: "Was macht man, wenn die Betreuungsmöglichkeiten in den Ferien geschlossen haben und man niemanden hat, der sich um die Kinder kümmern kann?", fragt Manuela Altenborg. "Welche Firma gibt uns Alleinerziehenden in dieser Zeit frei?"

Sonja A. schreibt: "Ich habe noch keinen Chef erlebt, der Verständnis dafür zeigte, dass man als Mutter an gewisse Zeiten gebunden ist und nicht kurzfristig für Überstunden zur Verfügung steht." Flexibilität sei das A und O im Beruf - alleinerziehende Bewerberinnen würden darum schnell aussortiert. Eine bittere Erfahrung, die auch Greta K. machen musste: "Ich wurde nach sechs Jahren in der Medienbranche aus meiner Führungsposition gemobbt mit der Begründung: 'Wir brauchen da jemanden, der Tag und Nacht für die Firma da ist.'"

... über Stress und Erwartungsdruck

All diese Probleme steckt man nicht einfach so weg - allein für Kinder zu sorgen, empfinden viele Frauen als hohe Belastung, die oft an die Substanz geht. BRIGITTE-Leserin Johanna Hans zum Beispiel fühlt sich "wie eine Maschine, in deren Getriebe Tag und Nacht kein Sand gelangen darf". Ein Zustand, den Saskia Gentzen gut kennt. "Man kämpft sich jeden Tag durchs Leben und verdrängt, wie belastend das alles ist. Ich versuche alles perfekt zu machen, möchte nach der Arbeit noch Zeit mit den Kindern teilen und pädagogisch wertvoll sein... Das klappt leider nicht immer." Suan hat im Alltag immer das Gefühl, "am Rande des Nervenzusammenbruchs zu stehen." Dass sie dennoch weitermacht, zeigt für sie: "Wir Alleinerziehende sind alle perfekte Lebenskünstler."

Doch nicht alle Frauen halten dem großen Druck stand. Gerlinde G. zum Beispiel muss allein für vier Kinder sorgen. Als sie dann auch noch in finanzielle Not geriet, brach sie zusammen. "Dann die Energie zu finden, Hilfe zu suchen, ist schwer", schreibt sie.

... über soziale Vereinsamung und Diskriminierung

Bei dem schwierigen Spagat zwischen Job und Kindern bleiben Freundschaften oft auf der Strecke. BRIGITTE-Leserin Orangerot etwa musste feststellen, dass der Bekanntenkreis kleiner wurde, da sie nie Zeit hatte. Nicole Geissler wünscht sich vor allem Kontakte zu Gleichgesinnten, doch "diese zu knüpfen, fällt bei einem stressigen Alltag sehr schwer."Zu allem Überfluss, erfahre sie oft "eine Art Diskriminierung von nicht Alleinerziehenden." Einige Mütter seien sehr distanziert oder grüßten sie nicht mehr - "als müssten sie um ihre Männer fürchten". Nic machte ähnliche Erfahrungen: "Man wird schief angesehen, wenn das Kind mal eine Schramme im Gesicht hat oder einen blauen Fleck am Bein, wenn es sich mit Anderen balgt."

Alice wurde sogar von der Kindergärtnerin gemobbt: "Als ich meine Tochter in der Kita anmelden wollte, wurde mir gesagt, 'Wir haben jetzt schon viele Kinder von Alleinerziehenden - wir nehmen jetzt nur noch Kinder aus Familien mit Vater und Mutter auf - sonst haben wir nicht die richtige soziale Mischung in der Gruppe!'"

... über wertvolle Unterstützung

Doch es geht auch anders. Immer wieder betonen alleinerziehende Frauen, wie wichtig für sie der Rückhalt durch Verwandte und Freunde sei. "Dies alles ist mir nur gelungen, weil ich immer wieder Menschen gefunden habe, die mir geholfen haben", erklärt zum Beispiel Angelika Pfab. Eva H. ist "sehr dankbar, dass meine beiden Mädels absolut tolle, starke Frauen geworden sind, nicht zuletzt durch die Hilfe meiner Mutter, meines Bruders und meiner Schwägerin." Und Evelyn K. hat keine Freundin, die sie "nicht irgendwann als Tagesmutter missbraucht" hat - ohne Bezahlung versteht sich.

Auch Petra Perschewski weiß, wie wichtig ein gutes Netzwerk für Alleinerziehende ist. Sie gründete darum einen Verein in Gelsenkirchen, über den sich alleinerziehende Mütter und Väter austauschen und zum Beispiel bei der Betreuung ihrer Kinder unterstützen können. "Das erleichtert das Alltagsleben enorm und gibt das Gefühl: Ich bin nicht allein."

... über Stolz

Bei allen Schwierigkeiten - aus den Berichten der Alleinerziehenden klingt immer wieder Zuversicht, ein enormer Durchhaltewille und vor allem Selbstbewusstsein durch. "Die erste Zeit ist die schlimmste, aber man wächst tatsächlich mit den Aufgaben, und es macht auch stolz", berichtet Catrin. Stolz empfindet auch Judetta, da sie ihren Kindern - "dem ganzen schlimmen Rosenkrieg zum Trotz" - immer den Kontakt zum Vater ermöglicht hat.

Leserin S.K. ist sogar richtig froh, alleinerziehend zu sein. "Das Schöne ist, dass ich alleine entscheiden kann. Keine nervigen Auseinandersetzungen mehr, kein Beziehungsstress und keine faulen Kompromisse um des lieben Friedens willen." Kopf hoch, empfiehlt auch Sonne08 den Alleinerziehenden. Ihrer Erfahrung nach profitieren die Kinder von der Einelternfamilie. Sie seien "selbstbewusster, selbständiger, unabhängiger."

miro

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