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#RespectNurses zeigt die Abgründe der Pflege: "Wasch mal fester"

#RespectNurses: Krankenschwester auf dem Boden
© vectorfusionart / Shutterstock
Unter dem Hashtag #RespectNurses berichten Krankenpfleger*innen von ihrem Alltag. Der steckt voller Verantwortung – vor allem aber voller sexueller Übergriffe und Diskriminierungen.

Wieso sind Sie denn nur Krankenschwester? Du kannst ja noch studieren! Oder hat es für Medizin nicht gereicht? Mit solchen Aussagen müssen sich Krankenpfleger*innen täglich auseinandersetzen. Kaum ein Beruf ist mit so viel physischer und psychischer Belastung sowie derart wenig Wertschätzung in der Gesellschaft verbunden – monetär, als auch menschlich.

#RespectNurses: "Haben Sie das Medizinstudium nicht geschafft?"

Dabei geht es nicht nur um mangelnde Wertschätzung. Es geht um Sexismus, Diskriminierung und sexuelle Belästigung. Das wird aktuell auf Twitter deutlich. Unter dem Hashtag #RespectNurses sammeln sich dort Erfahrungsberichte aus der Pflege. 

Eine Krankenschwester berichtet von einer Narbe an ihrer Hand. Diese habe sie schon seit 20 Jahren. Sprechen tut sie trotzdem nicht darüber. Doch sie erinnert sie jeden Tag daran, was zu ihrem Alltag ebenfalls dazugehören kann: Ein Patient, der ihre Hand auf sein Genital zwang – und sie kratzte, als sie sich wehrte.

Sexuelle Übergriffe und Beleidigungen an der Tagesordnung

Wer bei der ersten dieser Geschichte noch den Atem anhält, muss für die Twitterlektüre eine hohe Lungenfunktion vorweisen: Denn Berichte über sexuelle Übergriffe reihen sich unter #RespectNurses derzeit aneinander. Spätestens beim dritten Scrollen wird jedem Leser klar: Das ist kein Einzelfall. Immer wieder dieselben Geschichten. Patienten, die im Intimbereich besonders gerne gewaschen werden wollen, Pflegerinnen, die anzügliche Sprüche über sich übergehen lassen müssen – und Vorgesetzte, die sich darüber amüsieren.

Doch mangelnder Respekt ist fraglich kein Geschlechterproblem. Auch männliche Pflegekräfte berichten unter dem Hashtag von ihren Erfahrungen, die nicht minder diskriminierend ausfallen. Während Frauen sich mit sexistischen Betitelungen von "Mäuschen“ bis "dummes Stück“ auseinandersetzen müssen, bekommen Männer Beleidigungen wie "Schwuchtel“ und "Weichei“ zu hören. Ihr Job wird nicht ernstgenommen, ihre Fähigkeiten angezweifelt – dabei sind es die Pflegekräfte, die jeden Tag versuchen, im Gesundheitssystem für mehr Menschlichkeit zu sorgen. Sie sind es, die sich um dich kümmern, wenn du krank bist. Wertschätzung erfahren sie dafür jedoch selten.

Eine Verurteilung der Patient*innen alleine wäre jedoch falsch. Viel mehr greift das Problem, das auf Twitter gerade durch Hunderte Kommentare verdeutlich wird, wesentlich tiefer. Neben Übergriffen und Beleidigungen von Patientenseite sind es die Arbeitsbedingungen, die der Pflege den Alltag erschweren. Betroffene berichten von verständnislosen Vorgesetzten und depressiven Mitarbeitern. Lappalien wie Überstunden tauchen nur am Rande auf – dann scheinen sie Normalität zu sein.

Während man die hunderten von Berichten liest, kommt Frustration auf. Darüber, dass Deutschland offensichtlich ein drastisches Problem hat – und das in der Branche, in der Menschlichkeit an oberster Stelle stehen sollte. Doch es gibt auch Hoffnung. Erste Pflegekräfte berichten von Maßnahmen, die ihre Kliniken aufgrund der Aktion ergreifen. Und so mag man letztendlich hoffen, dass der virtuelle Protest reelle Veränderungen mit sich bringt. 

Immer wieder werden die Missstände aus der Pflege aufgedeckt – getan hat sich bisher wenig. Erst kürzlich berichtete ein Mann offen von der Ehe mit einer Krankenschwester.  Denn wer in der Pflege arbeitet, ist oft mit seinem Job verheiratet – und das zu einem schlechten Gehalt.

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