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#OutInChurch 125 Katholik:innen outen sich als Teil der LGBTIQ+-Gemeinschaft

Ein Mann auf einem Hügel schwenkt die LGBTIQ+-Fahne
© Light and Vision / Shutterstock
Die katholische Kirche scheint aus dem Sturm der Anklagen kaum mehr herauszufinden. An diesem Montag, dem 24. Januar 2022, startete die Kampagne #OutInChurch – und mit ihr outeten sich 125 Kirchenmitglieder als Teil der LGBTIQ+-Gemeinschaft.

Mittlerweile ist es kein rauer Wind mehr, der an den Mauern der katholischen Kirche rüttelt, es sind ganze Orkan-Tiefs. Erst vor wenigen Tagen erschien ein neuer, mehrere Tausend Seiten starker Bericht über das erschütternde System des alltäglichen Vertuschens von Sexualstraftaten in der katholischen Kirche. Die Anwaltskanzlei Westphal Spilker Wastl identifizierte 235 mutmaßliche Täter im Bereich der Erzdiözese München und Freising.

Die Anklagen gegen die katholische Kirche reißen nicht ab

Die Jurist:innen fungierten als externe Prüfer:innen und arbeiteten sich durch Dutzende Personalakten, Sitzungsprotokolle und Nachlassbestände der Jahre 1945 bis 2019. Sie befragten 56 Zeitzeug:innen und konnten insgesamt 247 männliche und 182 weibliche Betroffene ausmachen – die meisten von ihnen waren Kinder und Jugendliche zum Zeitpunkt der Tat. Das gesamte Missbrauchsgutachten umfasst 1900 Seiten. Sogar der emeritierte Papst Benedikt XVI ist in die mangelnde Aufbereitung von Missbrauchsfällen verstrickt – ihm wird in vier Fällen ein Fehlverhalten vorgeworfen.

Die katholische Kirche ist Meister im Vertuschen, Leugnen und Schweigen. Dieses Schweigen brechen jedoch immer mehr Mitglieder innerhalb der Kirche. Waren es zuerst vor allem die Frauen, die mit der Initiative Maria 2.0 ein Zeichen für die Gleichberechtigung setzten, ist es jetzt die Kampagne #OutInChurch.

Mit der Kampagne #OutInChurch outeten sich 125 Kirchenmitglieder, die zur LGBTIQ+Gemeinschaft gehören

Insgesamt wagten mit dem Start der Kampagne 125 Menschen den Schritt in die Öffentlichkeit und outeten sich als Teil der LGBTIQ+-Gemeinschaft. Alle arbeiten ehren- oder hauptamtlich für die katholische Kirche, darunter Ordensmänner, Pastoralassistenten oder Religionspädagog:innen.

Doch die bisherige Ansicht des Vatikans ist ungebrochen: Homosexualität diene nicht dem "Plan Gottes", somit lehnt die katholische Kirche nicht nur die Trauung, sondern auch die Segnung homosexueller Paare ab. "Die römisch-katholische Kirche schreibt, dass Gott die Sünde nicht segnen könne", berichtete SRF-Korrespondent Franco Battel im März aus Rom.

Die sexuelle Identität kann in der katholischen Kirche den Verlust des Jobs bedeuten

Die sexuelle Identität ist in den Reihen der katholischen Kirche noch immer ein Kriterium zum Ausschluss aus der Gemeinschaft und für den Verlust des Jobs. "Die Gemeindereferentin, die ihre Freundin heiraten will, verliert ihren Job", sagte Pfarrer Bernd Mönkebüscher aus Hamm der "Deutschen Presseagentur". Das könne im Jahr 2022 unmöglich so bleiben.

Die Kampagne steht "für eine Kirche ohne Angst". Die Kirche soll Verantwortung für die Menschenrechte von Personen aus der queeren Community weltweit tragen, anstatt sie auszuschließen. Dazu müsste sie "diffamierende und nicht zeitgemäße Aussagen" zu Sexualität und Geschlechtlichkeit auf Grundlage humanwissenschaftlicher und theologischer Erkenntnisse revidieren.

Das Netzwerk rief alle LGBTIQ+-Personen auf, sich ihnen anzuschließen

Das Netzwerk ruft alle LGBTIQ+-Personen, die haupt- und ehrenamtlich für die katholische Kirche tätig sind, dazu auf, sich der Initiative anzuschließen. An die Bischöfe richten sie den Appell, öffentlich ihre Unterstützung für das Manifest zu erklären. Pfarrer Bernd Mönkebüscher, der bereits 2021 bundesweit Segnungsgottesdienste für homosexuelle Paare mit initiiert hatte, sagte der dpa, die Aktion sei durch das Coming-out der 185 Schauspieler:innen im vergangenen Jahr inspiriert worden.

Unterzeichnet ist die Erklärung unter anderem von dem Präsidium des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), vom Katholischen Deutschen Frauenbund (KDFB), der Katholischen Frauengemeinschaft Deutschland (kfd), dem Forum katholischer Theologinnen Agenda, dem Bund der Deutschen Katholischen Jugend (BDKJ) sowie der Arbeitsgemeinschaft katholischer Hochschulgemeinden (AKH).

Unterstützung kam vonseiten der Politik, Prominenz und aus den Reihen der Kirche selbst

Die Aktion wurde bereits in den ersten Stunden bejubelt und gefeiert. Sven Lehmann (Grüne), der Beauftragte der Bundesregierung für die Akzeptanz sexueller und geschlechtlicher Vielfalt, twitterte: "Was für ein Mut!" Das Erzbistum Hamburg veröffentlichte ein Zitat von Erzbischof Dr. Stefan Heße: "Eine Kirche, in der man sich wegen seiner sexuellen Orientierung verstecken muss, kann nach meinem Dafürhalten nicht im Sinne Jesu sein."

Die Komikerin Caroline Kebekus sagte der dpa: "Diese tolle Initiative hat mich so ins Herz getroffen." Kebekus setzt sich seit Langem für eine Veränderung in der katholischen Kirche ein und thematisiert die Missstände immer wieder in ihren Shows. "Wie viele Menschen für die Kirche tätig sind und in ständiger Angst leben müssen, von ihr sanktioniert zu werden, lässt einen erneut fassungslos zurück", so die Komikerin weiter.

Die Luft um die "Heiligen" an der Spitze wird immer dünner, lange können sie dem Sturm wahrscheinlich nicht mehr standhalten. Die Kirchenaustritte zeigen die Ablehnung deutlich. Jetzt wäre ein guter Zeitpunkt, den Schritt in unsere moderne Gesellschaft zu wagen, sonst verlieren die vielen Kirchenmänner in ihren verstaubten Statusrollen den Anschluss an die Realität.

Verwendete Quellen: zeit.de, spiegel.de westphal-spiker.de

slr Brigitte

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