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Guatemala "Man muss nicht auswandern, um eine wirtschaftliche Grundlage zu haben"

Juana
Von der Erntehelferin zur Unternehmerin: Juana traut sich, in ihrem Dorf neue Wege auszuprobieren.
© Plan International / PR
Ihr Traum früher: ein gutes Leben in den USA
Ihr Traum heute: ein gutes Leben in Guatemala
Wer ihr dabei helfen soll: Hühner

Alle paar Wochen sieht Juana sie wegziehen – die jungen Menschen aus ihrem Dorf. Mal zehn pro Jahr, mal 15. Auch sie hat schon darüber nachgedacht: Zweimal wollte sie, die älteste Tochter zweier Erntehelfer aus dem Department Quiché im Nordwesten Guatemalas aufbrechen, um fast 3000 Kilometer weiter nördlich in den USA ihr Glück zu suchen. Als Erntehelferin, so hatte sie überlegt, könnte sie dort genug verdienen, um ihren Eltern und ihren zwei jüngeren Geschwistern Geld zu schicken – und sich ein Studium zu finanzieren. Jährlich verlassen Zehntausende das Land, oft auf lebensgefährlichen Fluchtrouten.

Doch Juana blieb. Beide Male. Weil sie den blumigen Erzählungen der Ausgewanderten nicht traute. Aber auch, weil sich vor drei Jahren, sie war gerade 15, in Quiché plötzlich eine Tür für sie auftat. Die Kinderrechtsorganisation Plan International bildete in ihrem Dorf rund 30 Jugendliche zu "Champions of Change" aus. Fünf Monate lernten sie ihre Rechte kennen, erfuhren, wie wichtig Gleichberechtigung und soziales Engagement sind, um allen in der Region ein gutes Leben zu ermöglichen. Juana machte mit – und nahm gleich danach an einem zweiten Projekt teil: ein sechsmonatiger Kurs, in dem ihr und vier anderen beigebracht wurde, wie man ein Unternehmen gründet und damit Geld verdient.

Juana
Mit Hühnern ist Juana aufgewachsen – jetzt versucht sie, durch den An- und Verkauf von Geflügel ihre Familie zu ernähren.
© Plan International / PR

"Man muss nicht auswandern, um eine wirtschaftliche Grundlage zu haben", das sei ihr damals klar geworden, sagt sie. Und sie legte sofort los: Neben ihrem Hauptjob als Erntehelferin begann sie, eine Hühnerzucht aufzubauen. Vielleicht würde sie damit schon bald ihre Familie ernähren können …

Der Plan wurde ein anderer

Das war schwieriger als gedacht: Die Tiere wuchsen nicht schnell genug, plötzlich stiegen auch noch die Futterpreise. Juana ließ sich aber nicht entmutigen. Sie änderte ihre Geschäftsidee: Für 15 Quetzal pro Pfund kauft sie nun regelmäßig einem Lieferanten Hühner ab, für 16 Quetzal pro Pfund verkauft sie die an die Leute im Dorf weiter, so macht sie pro Pfund rund 0,12 Euro Gewinn.

Damit konnten sie und ihre Familie die Preissteigerungen bei Lebensmitteln abfedern. Mais und Bohnen, erzählt Juana, kosten heute doppelt so viel wie 2021. Vor allem aber führten die Erfahrungen als Gründerin dazu, dass Juana sich ganz neu erfunden hat: Aus dem fröhlichen, aber etwas orientierungslosen Mädchen, das bei der Feldarbeit half, wurde eine im Dorf angesehene Unternehmerin – ein Role Model. "Kämpfe für deine Träume und du wirst auch hier Möglichkeiten finden", rät sie nun den anderen Mädchen. Führe der erste Weg nicht zum Ziel, lohne es sich stets, einen zweiten zu versuchen.

Den Strom der Auswandernden wird Juana damit allein nicht stoppen. Doch wer – wie einst sie – überlegt zu gehen, hat nun den Beweis vor Augen: sich etwas aufzubauen, das klappt auch hier. Und wer weiß, wohin Juana ihre Energie noch bringt. Nachdem sie aus Geldmangel fünf Jahre mit der Schule aussetzen musste, kann sie nun neben ihrer Arbeit wieder hin. Bald wird sie die 9. Klasse abschließen. Will sie dann studieren? Juana ist sich noch nicht sicher. Klar ist nur: Ihr Geschäft soll weiterwachsen, "bis ich damit so viel verdiene, dass meine Eltern nicht mehr als Erntehelfer arbeiten müssen."

Brigitte

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