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'Insatiable': Warum alle über eine Serie reden, die noch nicht mal erschienen ist

Ein Mädchen wird wegen seines Übergewichts gemobbt, kehrt als schlanke Schönheit an die Schule zurück und nimmt Rache: Ein Stoff, an dem sich gerade viele Geister scheiden.

Worum geht's?

In Kürze: Eine Teenagerin wird gemobbt wegen ihres Übergewichts. Nach einem schweren Unfall verliert sie viel Gewicht, ist plötzlich schlank und schön – und nimmt als Beautykönigin Rache an denen, die sie früher quälten. Kritiker stört daran, dass "Patty" (gespielt von Debby Ryan) erst dünn werden musste, um beliebt zu werden. Und dass Mobbing als Argument gilt, die erlittene Schmach den Peinigern heimzuzahlen.

Was fordern Kritiker?

Die Serie soll am 10. August bei Netflix im Stream erscheinen. Gegner wollen das verhindern. "Insatiable" befeuere Fatshaming und dessen Folgen, heißt es in einer entsprechenden Online-Petition: "Diese Serie wird Essstörungen verursachen und die weitere Objektivizierung von Frauenkörpern bestärken. Der Trailer hat Menschen mit Essstörungen bereits getriggert. Lasst uns das stoppen und weiteren Schaden abwenden." Bislang haben mehr als 206.000 Teilnehmer die Petition unterzeichnet.

Was sagt Netflix dazu?

Netflix selbst beschreibt die Serie als "ausgefallen, zynisch, düster, absurd". Im offiziellen Teaser heißt es: "In dieser Comedy-Serie mit Alyssa Milano durchlebt Debby Ryan als rachsüchtige Teenagerin einen düsteren Wandel."

Auf die anhaltenden Proteste gegen die Veröffentlichung reagierte Netflix zunächst gar nicht. Jetzt aber meldete sich die Macherin von "Insatiable" zu Wort, Lauren Gussis. Sie spricht von einer "überzeichneten satirischen Art", ihre eigene Geschichte zu erzählen: "Als ich 13 war, war ich selbstmordgefährdet. Meine besten Freunde ließen mich hängen und ich wollte Rache. (…) Ich fühle mich immer noch nicht wohl in meiner Haut, aber ich versuche, mein Inneres mitzuteilen – meinen Schmerz und meine Verwundbarkeit durch Humor zu teilen." Netflix teilte mit, an dem Erscheinungstag festzuhalten.

Wo liegt das Problem?

Fatshaming geht gar nicht – darüber sind wir uns wohl überwiegend (ungeplanter Wortwitz – bitte keine Petition starten!) einig. Wie sich fiktionale TV-Formate diesem Thema nähern, ob die Darstellung in "Insatiable" angebracht ist oder, noch eine Nummer größer, wo Satire anfängt und was sie darf: Darüber darf und sollte diskutiert werden. Auch kontrovers. Nur: Am besten lassen sich Meinungen argumentieren, wenn allen klar ist, worüber sie reden. Ohne die Serie je gesehen zu haben, lässt sich schwer sagen, ob sie wirklich zu weit geht. 

Ausgewählte Filmkritiker durften zwar bereits in "Insatiable" reinschauen. Ihr Urteil müssen sie allerdings noch zurückhalten – Netflix hat eine Sperrfrist bis zum 8. August, also zwei Tage vor Start der Serie, verhängt. Was keineswegs ungewöhnlich, sondern absolut üblich ist bei Film-, Buch- oder sonstigen Rezensionen, um Leaks zu minimieren. Dass Netflix Aufforderungen, dieses Embargo jetzt aufzuheben, verneinte, ließ Gegner der Serie Sturm laufen.

So deuteten einzelne Rezensenten bei Twitter schon mit bissigen Seitenhieben an, dass ihr erstes Fazit wohl eher nicht positiv ausfällt: "Netflix setzt wirklich darauf, dass die Vorbehalte gegenüber INSATIABLE geringer werden, sobald man die Serie tatsächlich sieht. Mein Kommentar dazu, für wie wahrscheinlich ich das halte, unterliegt leider einer Sperrfrist."

Zumindest diese Kritik greift aber zu kurz. Denn selbst wenn Netflix die Sperrfrist aufhöbe und Vorab-Kritiken zuließe: Der Großteil des Publikums hätte die Sendung immer noch nicht gesehen. Das öffentliche Bild würde sich abermals aus der Meinung einzelner speisen – und womöglich schnell weiter in eine Richtung drängen lassen.

Von den mehr als 206.000 Unterzeichnern der Petition hat schließlich allerhöchstens ein Bruchteil die Serie bereits gesehen. Der Rest baut sein Urteil auf einem knapp zweiminütigen Trailer – und flammenden Reden von Anti-Bodyshaming-Kämpfern, "Mobbingopfer-zu-sein-ist-kein-Grund-für-Rache"-Verfechtern oder wem auch immer.

Alternativvorschlag: Erst anschauen, dann urteilen.

Denn, nur mal angenommen, Netflix würde die Serie vor Start aus dem Programm nehmen: Den Weg ins Netz finden die Folgen garantiert sowieso. Nur dann als "heiße Ware". Und was ist wohl interessanter für Jugendliche: Verbotene Inhalte – oder erlaubte, zu denen es schon jetzt seitenweise Aufklärungsmaterial und Beipackzettel gibt?

Für alle, die sich vorab einen Eindruck verschaffen wollen, hier der Trailer:

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