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"Deutschland summt": Diese Frau kämpft gegen das Insektensterben

Deutschland summt: Corinna Hölzer
Die Stadt als Zufluchtsort: Corinna Hölzer erobert für Bienen, Falter und Käfer neue Lebensräume
© Kim Keibel
Corinna Hölzer geht mit ihrer Initiative "Deutschland summt" gegen das Insektensterben vor - mit kreativen Ideen.

Der Kampf gegen das Insektensterben

Sie sterben in Scharen. Jedes Jahr. Seit 1989 ist die Anzahl der Insekten in Deutschland um 76 Prozent geschrumpft.

Als ein Forscherteam die Zahl im Oktober veröffentlichte, war die Aufregung groß. Denn wenn Bienen, Schmetterlinge und Käfer sterben, verschwinden irgendwann auch Vögel, Fledermäuse, kleine Säugetiere. Die Produktion von Obst und Gemüse wird exorbitant teuer. Kurz: Das Leben wird nicht nur stiller, sondern auch deutlich mühsamer. 

"Ein Ökodesaster" sei das Insektensterben, findet Corinna Hölzer. Doch überrascht hat die 52-jährige Verhaltensbiologin aus Berlin die Studie nicht. Das Sterben der Arten, vielmehr der Kampf dagegen, ist seit Jahrzehnten ihr Lebensthema. Und die Ursachen für den Insektenschwund sind ihr wohl bekannt: Pestizide - aber auch das Fehlen von Blühstreifen, Feldrainen und Brachflächen, auf denen die Tiere Nahrung finden und ihre Eier ablegen können.

Auf den Dächern öffentlicher Gebäude lässt sie Honig produzieren

Um diesen Lebensraum zu erhalten, greift Hölzer seit sieben Jahren zu einer aufsehenerregenden Maßnahme: Auf den Dächern bekannter öffentlicher Gebäude wie dem Berliner Dom oder dem Abgeordnetenhaus lässt sie Imker Honig produzieren. Die Bienen und ihr Honig sollen Botschafter sein für mehr biologische Vielfalt in den Städten - und die Menschen dazu animieren, auch bei sich im Garten Wildblumen zu säen und Insektenhotels zu bauen.

"Berlin summt" nannte Hölzer die Aktion beim Start im April 2011, die Politik hatte sie schnell auf ihrer Seite: Bei einem Ideenwettbewerb der Bundeskulturstiftung gab es 20 000 Euro Startkapital. Die Hausherren der Gebäude zum Mitmachen zu überreden, war da schon schwieriger, sagt sie: "Viele fürchteten, die Bienen würden jemanden stechen oder man könnte kein Fenster mehr aufmachen. Dabei sind Bienen sanftmütig, sie bleiben sogar auf der Wabe, wenn man sie aus dem Stock nimmt."

Bienen setzt sie als Sympathieträger ein

Hölzer ist im Ruhrgebiet aufgewachsen, ihr Bruder nannte sie "Ökoliese". Schon als Kind suchte sie Feuersalamander unter Baumstämmen, engagierte sich beim Naturschutzbund, machte ihre Eltern mit Bildern von Hühnern in der Massentierhaltung nervös. Später studierte sie Biologie, promovierte in Neuseeland und rettete dort bedrohte Vogelarten. "Bienen waren eigentlich nie mein Thema."

Doch ihr leuchteten schnell die Vorteile dieser Insekten ein, wenn es darum geht, Menschen für Naturschutz zu sensibilisieren: Bienen mag fast jeder, und wie wenige andere Tiere verdeutlichen sie die Verbindung von Flora und Fauna. Als Hölzer mit ihrem Mann, einem Geografen, 2010 eine gemeinnützige Stiftung zur Erhaltung der biologischen Vielfalt gründete, war deshalb bald klar: Die Biene würde bei ihrer Arbeit eine Hauptrolle spielen.

Aus ihrer Initiative wurde das Projekt "Deutschland summt"

Auf 13 Berliner Dächern produzieren die Vielfalt-Botschafterinnen Honig, emsig sind sie auch in 15 weiteren Städten. Vom Dach der Neuen Pinakothek in München bis zur Kreditanstalt für Wiederaufbau in Frankfurt: Überall stehen Bienenkörbe, um auf die prekäre Lage von Bienen & Co. aufmerksam zu machen; die Initiative nennt sich nun "Deutschland summt".

Mit ihrem Mann und vier Angestellten organisiert Hölzer zudem Wildbienen-Schaugärten, Ausstellungen und Seminare. Vernetzt Kommunen, Kleingärtner und Unternehmen, schickt Schulkinder auf Bienenrallyes, veranstaltet Pflanzwettbewerbe, wirbt um Spenden und Sponsoren.

In diesem Jahr will sie noch mehr Lebensräume für Insekten schaffen

In einem vom Bund finanzierten Projekt wird "Deutschland summt" triste Außenflächen von Wohnblocks mit vielen verschiedenen Blumen und Pflanzen beleben und so neue Lebensräume schaffen - nicht nur für Honigbienen, sondern auch für Falter, Käfer und Heuschrecken. Ohne die Biene als Sympathieträgerin, glaubt Corinna Hölzer jedoch, wäre das alles nicht möglich gewesen: "Mit ihr haben wir die Leute emotional gepackt. Die Biene, das war ein Sechser im Lotto."

Corinna Hölzer, 52, kämpft mit ihrer Initiative "Deutschland summt" (www.deutschland-summt.de) gegen das Insektensterben. Mit ihrem Mann lebt die Biologin in Berlin. Da die beiden keinen Garten haben, stehen ihre Bienenstöcke seit der "Deutschland summt"-Schirmherrschaft von Daniela Schadt, Partnerin des früheren Bundespräsidenten Joachim Gauck, im Park von Schloss Bellevue.

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