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#Challengeaccepted Der wahre Grund, wieso Frauen Schwarz-Weiß-Fotos auf Instagram teilen

#Challengeaccepted: Frauen machen Selfie
© Photographee.eu / Shutterstock
Auf Instagram sieht man sie überall: Schwarz-weiße Fotos von Frauen, betitelt mit den Worten "Challenge accepted". Was kaum jemand weiß – dahinter steckte eigentlich eine tragische Aktion.

Lachend und losgelöst schauen sie mich von meinem Handy-Display an. Schulfreundinnen reihen sich dabei an Schauspiel-Stars wie Jennifer Aniston. Sie alle fluten meinen Instagram-Feed mit Bildern in Schwarz-Weiß. "#Challengeaccepted", schreiben sie dazu, manchmal folgt noch ein kurzer Satz, dass wir Frauen uns unterstützen müssen, oder einfach nur ein weiterer Hashtag: #Womensupportingwomen. Doch irgendetwas passt da nicht zusammen.

Wieso teilen plötzlich so viele Frauen farblose Fotos von sich?, frage ich mich. Wenige Minuten später habe ich die Antwort – Google sei Dank – in meiner Hand: Die Bilder gehören zu einer Aktion, bei der sich Frauen füreinanander einsetzen. Zusammen sind wir stärker, klar. Das leuchtet mir ein. Doch ganz so einfach ist es leider doch nicht. Denn was vermutlich kaum ein lächelnder Protagonist der Selfies meines Instagram-Feeds weiß: Die Challenge hat einen ganz anderen Hintergrund. Und der ist weniger fröhlich.

Was #Challengeaccepted mit Femiziden in der Türkei zu tun hat

Eigentlich soll die Challenge gerade in der Türkei von Frauenrechtsorganisationen genutzt werden: Jedes Schwarz-Weiß-Foto steht für eine ermordete Frau. Und jede kann es treffen. Es geht um Femizide, also die Ermordung von Frauen. Und die ist nur wenige Nachbarsländer entfernt weiterhin an der Tagesordnung. In der Türkei wurden 2019 475 Frauen umgebracht. Die Täter sind oft Bekannte oder sogar Ex-Partner, wie es bei dem aktuellen Mord einer 27-jährigen Studentin der Fall ist.

Frauenmorde gehören in der Türkei zum Alltag. Das will die Initiative "Wir werden Frauenmorde stoppen" ändern. Doch sie stößt damit gegen Grenzen: Denn die Politik arbeitet derzeit am Gegenteil: Die Regierung diskutiert, aus einem wichtigen Abkommen zum Schutz der Frauenrechte wieder auszusteigen. Es geht um die sogenannte Istanbul-Konvention, das "Übereinkommen des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt". Diese solle laut Präsident Erdoğan nun "überprüft" werden, wie unter anderem taz und zdf berichten.

Wie hat sich eine Challenge gegen Femizide nun in eine Female-Empowerment-Bewegung entwickelt? Der Ursprung soll laut New York Times in einer Rede der amerikanischen Politikerin und Aktivistin Alexandria Ocasio-Cortez liegen, in der sie über ihre sexistischen Erfahrungen spricht. Daraufhin teilte die brasilianische Journalistin Ana Paula Padrão das erste Schwarz-Weiß-Foto, nominierte andere Frauen – und die zweite Welle der Challenge baute sich auf.

Brauchen wir Selfies, um uns gegenseitig zu unterstützen?

Die Instagram-Challenge hat somit einen durchaus ernsten Hintergrund. Der sollte nicht vergessen und schon gar nicht durch fröhliche, unwissentlich geteilte Selfies verschleiert werden. Jeden Tag sterben irgendwo Frauen durch häusliche Gewalt– in der Türkei, aber auch in Deutschland und vielen anderen Ländern der Welt. Dieser Fakt verdient Aufmerksamkeit.

Trotzdem hat auch die Female-Empowerment-Challenge ihre Daseinsberechtigung. Nur nimmt sie dem Ursprung in diesem Fall irgendwie ihre Ernsthaftigkeit. Wieso können wir nicht beides machen? Uns gegen Femizide stark machen – und füreinander? 

Wer mit einem Schwarz-Weiß-Foto unter dem Hashtag #Challengeaccepted auf Frauenmorde aufmerksam machen will, soll das weiterhin tun. Und wer sich für den Zusammenhalt unter Frauen stark machen will, soll auch das weiterhin tun. Aber braucht es dazu wirklich ein Selfie? Ich für meinen Teil würde mich jedenfalls viel mehr über neue Gesichter in meinem Instagram-Feed freuen – die der Frauen, die unser Leben täglich bereichern, die uns inspirieren und unterstützen. Vielleicht bekommen wir unter dem Hashtag #Womensupportingwomen so bald nicht mehr nur unsere eigenen Fotos, sondern die der starke Frauen hinter uns zu sehen – ob Mamas, Prominente oder beste Freundinnen.

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