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Dirk Stermann: Wie der Satiriker von Wien aus seine Heimat wahrnimmt

Bei den Österreichern gelten die Deutschen gerne als überhebliche Piefkes, Moderator und Kabarettist Dirk Stermann zählt aber nicht dazu.

Ein Deutscher in Wien - das kann ein hartes Los sein. Für Österreicher, speziell für Wiener, ist der Deutsche schlechthin ein "Piefke". Ein arroganter Angeber und - noch schlimmer - ein dümmlicher Wichtigtuer. Piefkes haben in der Regel einen schweren Stand bei den Einheimischen. Ausnahmen bestätigen die Regel.

Dirk Stermann (52) ist eigentlich ein Piefke - und er ist zugleich einer der bekanntesten und beliebtesten Kabarettisten und Satiriker von Österreich. Mit seinem Partner Christoph Grissemann (52), einem gebürtigen Österreicher, hat er 1990 das Komiker-Duo Stermann & Grissemann gegründet. Die beiden moderieren seit elf Jahren jeden Dienstag im ORF die beliebte und rotzfreche Late-Night-Show "Willkommen in Österreich".

Ein Duisburger in Wien

Kein Österreicher käme auf die Idee, Stermann als Piefke zu bezeichnen; vielmehr gilt er als "Österreicher deutscher Herkunft", zumal er mit einer Österreicherin verheiratet ist, mit der er eine österreichische Tochter hat - soweit die staatsbürgerlichen Hintergründe des Herrn Stermann.

Gleichwohl besitzt der gebürtige Duisburger nach wie vor die deutsche Staatsangehörigkeit. Er ist immer noch bei seinen Eltern in Düsseldorf gemeldet und hat das deutsche Wahlrecht. Noch. "Nach 30 Jahren außerhalb von Deutschland erlischt das Wahlrecht", sagt Stermann in einem Interview mit der "Süddeutschen Zeitung". Das ist demnächst der Fall, denn seit 1988 lebt und arbeitet er in Wien.

Mag sein, dass er mittlerweile mit österreichischen Augen auf Deutschland blickt, welches er aus der Distanz "als völlig zerrissen" wahrnimmt, "ganz unangenehm. Es ist dieses Seehofer-Merkel-Dilemma. Oder Gauland. Ein Wahnsinn."

Bereits die Fußballweltmeisterschaft 2006 hatte Dirk Stermann als Zäsur empfunden. "Meinen Freunden in Wien habe ich damals erklärt, dass das deutsche Fahnengeschwenke nichts Nationalistisches habe, sondern mehr so ein Party-Gefühl sei." Mittlerweile komme es ihm allerdings so vor, "als habe sich eine eher ostdeutsche, provinzielle Weltsicht über das ganze Land gelegt. Eine Mischung von Humorlosigkeit und Intellektlosigkeit. ,Fack ju Göhte', sozusagen."

Nicht besser in Österreich

In Österreich sehe es auch "nicht anders" aus. Dass der österreichische Bundeskanzler Sebastian Kurz (31) weder über ein abgeschlossenes Studium noch über eine Berufsausbildung verfüge - "das interessiert niemanden mehr. Hauptsache, er trägt einen Slimfit-Anzug. Ich bemerke einen schrecklichen Mangel an echten Wertkonservativen. Der jungen Garde geht es vor allem um sich selbst. Sie möchte alles umkrempeln und beschwört dafür den Nationalismus." Ziel sei es wohl, "endlich die Altachtundsechziger abzulösen".

Der scharfzüngige Satiriker will einfach nur seine Ruhe haben, "natürlich in einem Umfeld, das irgendwie okay ist. Es ist mir schon wichtig, dass meine Nachbarn keine aggressiven Dummköpfe sind, die den anderen hassen, nur weil der einen anderen Blumentopf hat. Früher konnte ich noch einschätzen, wohin sich die Welt entwickelt. Aber mittlerweile kann ich das nicht mehr. Dafür bin ich zu analog. Hat eine norwegische Studie nicht gerade ergeben, dass der durchschnittliche IQ stetig sinkt?"

SpotOnNews

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