Anzeige

Hast du ihn auch? Forschende wollen sechsten Geschmackssinn entdeckt haben

Wahrnehmung: Ein Mädchen mit einem Eis
© ViDi Studio / Adobe Stock
Bislang gehen wir davon aus, dass Menschen fünf Grundgeschmacksrichtungen unterscheiden können. Eventuell dürfen wir nun umlernen: Ein Forschungsteam aus Kalifornien will einen sechsten Sinn nachgewiesen haben.

Sauer, süß, salzig, bitter und umami – das sind die fünf Grundgeschmacksrichtungen, die die meisten Menschen wahrnehmen können und kennen und die aktuell als anerkannt gelten. Vor einigen Jahren gab es Diskussionen, ob wir die Palette um ein sechstes Element ergänzen sollten, "fettig", doch offenbar sprach für die entscheidenden Wissenschaftler:innen mehr dagegen als dafür und so blieb es bislang bei den genannten fünf. Forschende der University of Southern California in Los Angeles wagen nun einen neuen Versuch, einen sechsten Geschmackssinn zu etablieren: In einer Studie, die in dem Fachmagazin Nature Communications veröffentlicht ist, wollen sie nachgewiesen haben, dass wir über Geschmacksrezeptoren für Ammoniumchlorid verfügen – das wiederum können wir etwas vereinfacht als Lakritzgeschmack bezeichnen.

Wie(so) schmecken wir?

Unsere Geschmacksrezeptoren sind Bestandteile der Sinneszellen in unseren Geschmacksknospen, die sich vorwiegend in unserer Mundhöhle und dort insbesondere auf unserer Zunge befinden. Es handelt sich dabei um Moleküle, die bestimmte Substanzen aus unserer Nahrung oder sonstigen Dingen reagieren, mit denen sie in Berührung kommen, und dann die Sendung eines Signals an unser Gehirn auslösen, zum Beispiel: "Die Bitter-Rezeptoren an der Zungenspitze melden Alarm." Wir verfügen über unterschiedliche Geschmackssinneszellen mit Rezeptoren für jeweils eine bestimmte Geschmacksqualität und unsere Geschmacksknospen enthalten die verschieden spezialisierten Zellen. 

Mithilfe unseres Geschmackssinns können wir Verdorbenes oder Giftiges (tendenziell bitter) von Nährendem (beispielsweise süß und umami) unterscheiden und uns bei Lebensmitteln zurückhalten, die wir nur in Maßen vertragen (etwa Salziges). Er ist somit essenziell für unser Überleben. 

Außer in unserer Mundhöhle finden sich Geschmacksrezeptoren laut neueren Erkenntnissen übrigens an zahlreichen Zellen in unserem gesamten Körper, von den oberen Atemwegen über unsere Verdauungsorgane bis hin zu unseren Knochen. Wissenschaftler:innen vermuten, dass sie einen Einfluss auf unser Immunsystem und unseren Stoffwechsel haben, doch wie groß und worin genau er besteht, ist noch nicht ganz klar.

Was spricht für "Salmiak" als sechste Geschmacksrichtung?

Dass wir Ammoniumchlorid oder "Salmiak-Lakritz", das wir am ehesten vielleicht als salzig-bitter-säuerlich beschreiben können, wahrnehmen, steht bereits seit Längerem außer Frage. Nicht bekannt war bislang jedoch, welcher Rezeptor in unserem Geschmacksapparat dafür zuständig ist. Das Team aus Los Angeles will ihn nun identifiziert haben: Offenbar ist das Molekül, das auf "sauer" reagiert, zugleich unser Lakritz-Rezeptor. Dies haben sowohl Versuche auf stofflicher Ebene als auch mit Mäusen ergeben: Während Tiere mit dem Rezeptor mit Ammoniumchlorid versetztes Wasser verschmähten, tranken es solche, denen der Rezeptor fehlte, als wäre es herkömmliches Wasser. Ohne "sauer"-Rezeptor konnten sie Ammoniumchlorid anscheinend nicht schmecken.

Chemisch gesehen ist Ammoniumchlorid ein Salz, das an sich ungiftig für unseren Körper ist. Wenn wir es allerdings in höheren Dosen zu uns nehmen, kann es Organschäden zur Folge haben – es zu erkennen und von "süß", "sauer" oder "umami" unterscheiden zu können, wäre für unser Überleben somit von Vorteil. Und es als sechste Geschmacksqualität anzuerkennen, erschiene insbesondere nach den jüngsten Funden des US-Forschungsteams nicht völlig aus der Luft gegriffen. 

Für den Moment bleibt es offiziell bei den fünf bekannten Geschmacksrichtungen und Ammoniumchlorid als einem heißen Anwärter auf Platz sechs in dieser Reihe. Bis "umami" 1985 anerkannt wurde, vergingen seit der ersten Entdeckung knapp 80 Jahre, die Diskussion um "fettig" erstreckte sich über mehr als ein Jahrzehnt, ist aber bis heute nicht für alle Zeiten und Beteiligten abgeschlossen. Es kann also etwas dauern, bis Wissenschaftler:innen im Salmiak-Prozess zu einem Urteil finden. Und da Lakritz bekanntlich ganz gerne mal die Gemüter spaltet, wäre es wenig überraschend, wenn dieser Prozess ein spannender würde.

Verwendete Quellen: sueddeutsche.de, spektrum.de, onmeda.de

sus Brigitte

Mehr zum Thema

VG-Wort Pixel