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"Eheliche Pflichten" Frau in Paris verurteilt, weil sie in gewalttätiger Ehe keinen Sex wollte

Eheliche Pflichten: Faust eines Mannes
© Daniel Jedzura / Shutterstock
Weil sie den "ehelichen Pflichten" nicht nachgekommen sei, wurde eine Frau bei der Scheidung schuldig gesprochen. Jetzt werden Frauenrechtsorganisationen aktiv.

Er war gewalttätig, sie wollte keinen Sex. Sie wurde schuldig gesprochen. Was nach einer absurden Geschichte klingt, hat sich gerade genauso ereignet – und zwar nicht in einem fernen Land, sondern mitten in Europa, in Paris.

Der Scheidungsprozess eines französischen Paares sorgt aktuell für internationales Aufsehen. Nach 27 Jahren Ehe hatte eine 66-jährige Frau bereits 2015 die Scheidung eingereicht. Als Grund nannte sie unter anderem "Drohungen und Tätlichkeiten", wie unter anderem die "taz" unter Berufung auf das französische Magazin "Mediapart" berichtet. Daraufhin hatte ihr Mann sie wiederum beschuldigt, seit 2004 nicht ihren ehelichen Pflichten nachgekommen zu sein – sie habe keinen Sex mehr mit ihm gewollt. 

Die Frau sei ihren "ehelichen Pflichten" nicht nachgekommen

Im Prozess soll die Frau, die seit einem Arbeitsunfall behindert sein soll, die Vorwürfe nicht abgestritten haben. Vielmehr begründete sie die Tatsache, dass sie nicht mehr mit ihrem Mann schlafen wollte, nicht nur mit ihrer geschwächten Gesundheit, sondern vor allem mit ihrem gewalttätigen Ehemann. 

Nicht nur, dass sich die 66-Jährige vor Gericht dafür rechtfertigen musste, Sex abzulehnen, ist erschreckend, sondern vielmehr das Urteil, das der Richter fällte. Die Frau wurde vor dem Berufungsgericht von Versailles allein schuldig gesprochen.

Die Begründung des Gerichts: Die Frau sei ihren "ehelichen Pflichten" nicht nachgekommen. Im Urteil hieß es laut RTL konkret, sie habe "in schwerer und wiederholter Weise ihre ehelichen Pflichten in einer Art und Weise verletzt, die ein weiteres Zusammenleben unannehmbar gemacht hat." Das Urteil soll auf Grundlage eines Präzedenzfalls aus dem Jahr 1996 gefällt worden sein, in dem es wiederum hieß, einem Mann dürfe der Geschlechtsverkehr nicht länger als ein Jahr verwehrt werden.

Dem gewalttätigen Ehemann wurde übrigens in keinem Fall schuldig gesprochen. Die Vorwürfe seiner Frau in Hinblick auf häusliche Gewalt scheinen nicht thematisiert worden zu sein. Jetzt wurde das Urteil sogar vom Kassationsgericht in Paris für rechtmäßig erklärt und die Klage der Frau damit abgewiesen. Ihr bleibt nun nur noch die Möglichkeit, vor den Europäischen Menschengerichtshof zu ziehen.

"Die Ehe ist keine sexuelle Leibeigenschaft, und darf das nicht sein"

Dabei bekommt sie jetzt Unterstützung von mehreren Frauenrechtsorganisationen, die alarmiert über den Fall berichten. In einer gemeinsamen Erklärung von "Fondation de Femmes" und "Collectiv feministe contre le viol", einem Kollektiv gegen Vergewaltigung, wird betont, wie wichtig ein Widerspruch in diesem Fall sei. Schließlich dürfe kein Richter Frauen zu sexuellen Handlungen verpflichten. "Die Ehe ist keine sexuelle Leibeigenschaft, und darf das nicht sein", heißt es in der Pressemitteilung. Das Urteil wird damit wegweisend für ganz Europa sein.

verwendete Quellen: Taz, RTL, Mediapart, Fondation de Femmes, Collectiv feministe contre le viol

mjd

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