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Thrombose-Fälle nach Impfung oder Pille Corona aktuell: Kann man das überhaupt vergleichen?

Corona aktuell: Antibabypille
© Image Point Fr / Shutterstock
Die Impfungen mit dem Corona-Impfstoff von AstraZeneca wurden gestoppt, weil der Verdacht im Raum steht, das Mittel könne Blutgerinnsel im Gehirn auslösen. Bei der Antibabypille sind Thrombosen eine bekannte Nebenwirkung. Aber lässt sich das überhaupt miteinander vergleichen?

Der Corona-Impfstoff von AstraZeneca könnte mehr als nur ein Imageproblem haben: Nachdem bereits mehrere Länder die Impfungen mit dem Mittel in der letzten Woche gestoppt hatten, entschied man sich am vergangenen Montag auch in Deutschland dazu, die Impfungen auszusetzen. Der Grund: Bei sieben geimpften Personen traten im zeitlichen Zusammenhang mit der Impfung Blutgerinnsel im Gehirn auf – man spricht von sogenannten Sinusvenenthrombosen, bei denen ein Gerinnsel eine große Hirnvene blockiert.

Vor allem Frauen waren betroffen

Auffällig: Sechs der betroffenen Personen waren Frauen – eine Erklärung dafür gibt es bisher aber nicht. Darüber hinaus litten all diese Frauen an einem Mangel an Blutplättchen. Außerdem gab es einen medizinisch vergleichbaren Fall mit Hirnblutungen bei einem Mann, der ebenfalls einen Mangel an Blutplättchen aufwies. Drei der sieben Fälle verliefen laut dem Paul-Ehrlich-Institut (PEI) tödlich.

Ist die Pille schlimmer als die Impfung?

Kurz nach dem Impf-Stopp machten bei Social Media die ersten Posts die Runde, in denen darauf hingewiesen wurde, dass auch die Antibabypille als Nebenwirkung Thrombosen auslösen kann. Bekannt ist das seit Jahren, passiert ist: nichts. Und im Vergleich ist das Risiko, durch die Pille ein Blutgerinnsel zu entwickeln, tatsächlich deutlich höher als bei der Impfung. Allerdings handelt es sich bei den durch die Pille ausgelösten Fällen nicht immer um die gefährliche Sinusvenenthrombose, sondern vor allem um die häufigen sogenannten tiefen Beinvenenthrombosen (VTE). Deshalb ist ein Vergleich der Zahlen generell nicht sinnvoll. Außerdem wird aktuell noch überprüft, ob es zwischen den Thrombose-Fällen und dem Corona-Impfstoff tatsächlich eine Verbindung gibt, während die Thrombose bei der Pille als mögliche Nebenwirkung bereits belegt ist.

Thrombose ist nicht gleich Thrombose…

Die Sinusvenenthrombose und das VTE kann man nicht eins zu eins vergleichen, wie der Spiegel berichtet: Ein Gerinnsel im Hirn kann einen Schlaganfall verursachen, im Herzen führt es stattdessen zu einem Infarkt. In den allermeisten Fällen sind die tiefen Beinvenenthrombosen aber weniger gefährlich als die Sinusvenenthrombose. Laut dem Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (Bfarm) enden VTE lediglich "im Einzelfall" tödlich.

…und Pille ist nicht gleich Pille

Zusätzlich unterscheiden sich auch die einzelnen Pillen voneinander. Denn nur die sogenannten Kombinationspräparate, die sowohl Östrogen als auch Gestagen enthalten, erhöhen tatsächlich das Risiko für eine tiefe Beinvenenthrombose. Die sogenannte Minipille, die nur Gestagen enthält, erhöht das Risiko für ein Blutgerinnsel nicht. Und: Bei einer Schwangerschaft ist das Risiko, eine Thrombose zu entwickeln, sogar höher als durch die Einnahme der Pille. Bei 10.000 Entbindungen treten fünf bis zwölf Thromboseembolien bei Schwangeren auf, in den ersten sechs Wochen nach der Geburt des Kindes sind es drei bis sieben Fälle.

Ein Vergleich in Zahlen

Vergleichen wir die Hirnvenenthrombose und die Beinvenenthrombose noch einmal direkt in Zahlen miteinander:

Hirnvenenthrombose

Beinvenenthrombose

Ursachen

Hormonumstellungen (z. B. Schwangerschaft), Antibabypille, Tumore, Erbkrankheiten

Hormonumstellungen (z. B. Schwangerschaft), Antibabypille, Tumoren, Erbkrankheiten

Symptome

Lähmungen, Krampfanfälle, Kopfschmerzen

Schmerzen und Schwellungen an der betroffenen Stelle am Bein

Behandlung

intensivmedizinisch

Notfall, bei früher Diagnose behandelbar

Folgen

Folgeschäden bei 10 Prozent der Fälle, weitere 10 Prozent sterben

Bei 10 bis 30 Prozent aller Fälle entsteht eine Lungenembolie. Von diesen Betroffenen stirbt jeder zehnte Patient

Häufigkeit

0,002 bis 0,005 von 1.000 Personen jährlich

Etwa eine bis zwei Personen von 1.000 Personen jährlich

EMA stuft AstraZeneca weiterhin als sicher ein

Laut PEI ist die Zahl der Thrombose-Fälle nach der Impfung mit AstraZeneca statistisch betrachtet signifikant höher als die Anzahl von Hirnvenenthrombosen, die normalerweise in der Bevölkerung ohne Impfung auftreten. Die europäische Arzneimittelagentur (EMA) prüft den Zusammenhang derzeit genauer. Sie hat aber bereits eine Empfehlung für die Weitervergabe des Impfstoffs ausgesprochen: Der Nutzen sei höher als die Risiken des Impfstoffs und er könne als "wirksam und sicher" bezeichnet werden. Die Experten empfehlen aber, die Risiken zur selten auftretenden Hirnvenenthrombose in die Produktinformation aufzunehmen. 

Quellen

Spiegel

Deutsche Gesellschaft für Neurologie

Berufsverband Deutscher Internisten

Bfarm

Deutsche Gesellschaft für Angiologie

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