Freitag, 24. Mai, 15 Uhr: In Hamburg hört sogar der Dauerregen auf, als die stellvertretende BRIGITTE-Chefredakteurin Claudia Münster (links) und Chefredakteurin Brigitte Huber (rechts) die gut gelaunte Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen treffen. In der Gesprächsreihe "BRIGITTE LIVE" stellte sie sich politischen und persönlichen Fragen - und antwortete sehr offen. Lesen Sie hier Auszüge aus dem Gespräch und schauen Sie sich einen Live-Mitschnitt im Video an.
Wo sie auftaucht, lacht Ursula von der Leyen. Da machte die Arbeitsministerin bei BRIGITTE LIVE keine Ausnahme. BRIGITTE Chefredakteurin Brigitte Huber wollte wissen, ob sie immer gut gelaunt sei oder nicht auch ein wenig Strategie dahinterstecke. Ursula von der Leyen: "Eine Grundfröhlichkeit ist schon tief in mir drin. Mit einem Lachen ist vieles einfacher. Aber ich nehme Themen natürlich ernst. Man kann keinen Konflikt weglächeln." Konflikte sieht sie trotzdem nicht negativ: "Gerade dabei lernt man sich kennen. Und auf wen man sich verlassen kann. Mir ist die Wertschätzung im politischen Geschäft besonders wichtig - unabhängig von der Partei."
Ist Ursula von der Leyen eine gute Teamplayerin? Die Medienberichte der letzten Wochen suggerieren zumindest etwas anderes. Die Ministerin gibt offen zu: "Mein Bauchgefühlt sagt: Ich bemühe mich immer wieder." Und weiter: "Ich wäre nicht so weit gekommen, wenn ich keine Teamplayerin wäre. Aber Teamgeist bedeutet nicht, nicht auch einmal voranzugehen. Neuland zu betreten." Meint sie damit die Diskussion innerhalb der CDU zur Frauenquote? Von der Leyen: "Ich saß in einem Dilemma. Aber die Bundeskanzlerin ist auch auf mich zugekommen. Die Frauenquote wird kommen. Das wird die Debatte ändern. Es geht jetzt nicht mehr um das 'Ob', sondern nur noch um das 'Wie'."
Geht es Ursula von der Leyen in der CDU noch gut? "Ja!" betont die Ministerin. "Man tritt keiner Partei bei, weil sie 100 Prozent aller persönlichen Interessen trifft." Eine Frau aus dem Publikum fragt sie ganz direkt, ob Ursula von der Leyen sich heute immer noch ihre Partei aussuchen würde. Darauf eine entschlossene Stellungnahme: "Ich bin in der CDU. Ich bleibe in der CDU. Und die CDU verändert sich mit mir."
Auch wenn Ursula von der Leyen Arbeits- und nicht mehr Familienministerin ist, für Themen rund um Familie und Mütter brennt sie noch immer. "Wir dürfen Frauen nicht darauf reduzieren, ob sie es schaffen, ihre Kinder zu betreuen. Kinder haben auch Väter." Applaus im Saal. "Ich war als junge Mutter mit dem ersten Kind vollständig überfordert - 24 Stunden diese Verantwortung." Inzwischen will sie Frauen Mut machen. "Seid selbstbewusst. Bleibt in eurer Mitte. Das ist das Wichtigste." Kümmern und Karriere seien keine Gegensätze, betont sie. Stattdessen sollten Männer und Frauen gemeinsam neue Rollen definieren. "Erst wenn es ebenso viele durchschnittliche Frauen in Führungspositionen schaffen wie Männer, haben wir die Gleichberechtigung erreicht."
Dominante Männer - die kennt auch die Arbeitsministerin. Sie erinnert sich an einen Vorfall, bei dem sie in ihrer frühen Karriere von einem Mann durchs Telefon angeschrien wurde. Und wie reagierte sie? Mit Kontern: "Wenn Sie weiter so schreien, schicke ich Ihnen die Rechnung meines Ohrenarztes." Ihrer Meinung nach kann man männliche Dominanz mit den richtigen Sprüchen brechen. Dass es typisch männliche und weibliche Eigenschaften geben soll, findet Ursula von der Leyen aber nicht. "In meinem Medizinstudium habe ich gelernt, dass Hysterie eine weibliche Eigenschaft sein soll. Ich habe aber unglaublich viele hysterische Männer kennen gelernt. Es gibt nicht die Unterscheidung zwischen männlich und weiblich. Es gibt nur schlechtes und gutes Verhalten."
Mit ihrem Ehemann Heiko von der Leyen, wie sie ein Mediziner, ist die Ministerin schon über 25 Jahre verheiratet. Und - war es Liebe auf den ersten Blick? "Ich habe ihn im Studium kennen gelernt und fand ihn schnuckelig. Aber ich hatte keine Ahnung, wie ich ihn ansprechen könnte. Dann die Chance: Ich kam aus der Uni und sah ihn auf dem Parkplatz einen Autoreifen wechseln. Ich habe ihm Hilfe angeboten, obwohl ich gar keine Ahnung davon habe." Hat er sie angenommen? "Nein. Aber am nächsten Tag hat er mich in der Mensa angesprochen." Wie hat sich die Liebe inzwischen durch die räumliche Distanz verändert, will Brigitte Huber wissen. "Wenn man es richtig macht, wird die Liebe tiefer." Und an ihre ersten Jahre als Ministerin erinnert sich Ursula von der Leyen: "Plötzlich hatte ich keine Zeit mehr. Ich musste lernen, von der Familie loszulassen und er hat gelernt, dass er als Vater unverzichtbar ist."
Was möchte Ursula von der Leyen ihren Söhnen mitgeben? "Als Ärztin habe ich viele sterbende Menschen begleitet. Viele Männer haben mir gesagt, dass sie es bereuen, zu wenig Zeit mit ihren Kindern verbracht zu haben. Für meine Söhne ist ihr Vater sehr präsent. Diese Lust, bei der Erziehung dabei zu sein - das wünsche ich ihnen auch einmal für später."
"Greife nie in ein Wespennest. Doch wenn du greifst, greife fest." Ursula von der Leyen lacht - diesen Spruch liebt sie. "Es bedeutet, dass man sich sehr genau überlegen muss, welche Baustelle man aufmachen sollte. Aber wenn sie da ist, dann muss man dranbleiben." Eine Weisheit, die sie offensichtlich kennt. "Die Frauenquote war mein jüngstes Wespennest, aber nicht mein letztes."
"In mir drin ist immer ein Sehnen nach mehr Zeit." Klingt das nach Reue bei Ursula von der Leyen? "Nein, diese Sehnsucht hat auch etwas Gutes - sie ist wie eine treibende Kraft. Ich lasse sie zu und sehe sie nicht als schlechtes Gewissen. Sie bringt mich immer wieder zu meiner Familie." Aber ist sie nicht rund um die Uhr Ministerin? "Ich bin der Überzeugung, man muss die Wochenenden frei haben." Außerdem glaubt sie, dass man Körper und Seele pflegen sollte. "Man muss auf sich aufpassen. Wenn man zum Beispiel immer nur Schlechtes liest, kann man irgendwann nicht mehr handeln."
Diese Frage muss einfach noch gestellt werden. Sieht sich Ursula von der Leyen als nächste Kanzlerin? Die Ministerin winkt heftig ab und lobt die Arbeit ihrer derzeitigen Chefin. "Wenn Angela Merkel nicht mehr Kanzlerin ist, wird die CDU lange in der Opposition sein. Und wenn sie frisch daraus kommt, ist die nächste Generation dran." Aber wäre das Kanzleramt nicht trotzdem ein erstrebenswerter, finaler Karrieresprung? "Es geht nicht um Posten, sondern um Leidenschaft."
Video: Ursula von der Leyen bei BRIGITTE LIVE
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BRIGITTE LIVE geht weiter - mit Andrea Nahles (SPD) am 30. Juni in Köln und Claudia Roth (Bündnis 90/Die Grünen) am 1. September in Frankfurt am Main.
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