Wut oder Mut? Zu Beginn der Talkrunde "BRIGITTE LIVE" wollte sich Hannelore Kraft, SPD-Politikerin und amtierende Ministerpräsidentin von Nordrhein-Westfalen, mit Chefredakteurin Brigitte Huber und Chefreporterin Meike Dinklage lieber über Mut unterhalten. So erzählte die 53-Jährige am 1. Dezember 2014 im Berliner Chamäleon Theater von Entscheidungen, die besonders viel Mut erforderten - politischen wie persönlichen.
Die Minderheitsregierung nach ihrem ersten Wahlsieg zählt sie dazu, aber auch die schnelle Hochzeit mit ihrem Mann Udo, in den sie sich 1992 an Weiberfastnacht Hals über Kopf verliebte. "Er wusste schon nach einer Woche, dass wir zusammenbleiben. Ich habe zwei Tage länger gebraucht." Ein Jahr später kam ihr Sohn Jan zur Welt.
Hannelore Kraft zeigte sich an diesem Abend von einer sehr persönlichen Seite. Diese Nahbarkeit hat sie sich bewusst bewahrt: "Wenn ich nicht mehr offen bin und auf Leute zugehe, brauche ich keine Politik mehr zu machen", sagte sie.
Zwölf Zitate von Hannelore Kraft als Privatperson:
"Ich möchte nicht mehr 20 sein. Mit 30 muss man viele Entscheidungen treffen. Mit 50 kann man das Leben endlich genießen."
"Ich habe auch mal eine Prüfung sausen lassen und bin lieber surfen gegangen."
"Meine Mutter wird nächstes Jahr 80. Sie lebt bei uns, bügelt noch immer meine Wäsche und geht mit dem Hund raus - das hält sie fit."
"Wenn der Wecker klingelt und ich gleich aufstehe, falle ich um. Ich brauche erst einen Kaffee im Bett." - Trotzdem raffe sie sich auch morgens um 6 Uhr in die "Muckibude" auf.
"Mein Mann muss alles ertragen. Er hört viel zu."
"Ich habe einen Riesenschrank mit Kostümen. Ich finde es klasse, wenn mich keiner erkennt." - Kraft ist Mitglied in zwei Karnevalsvereinen.
"Meine größte Sorge war immer, dass er bei der CDU landet." - Kraft über die politischen Ambitionen ihres Sohnes, der schon als Sechsjähriger mit ihr Plakate klebte.
"Mein Glaube ist eine wichtige Grundlage. Ich möchte meinen Beitrag leisten. Im Gottesdienst kann ich abschalten."
"Ich versuche, jedes Jahr etwas Neues ausprobieren. In diesem Jahr habe ich angefangen, mir das Kraulen beizubringen." - Kraft macht jeden Sommer das Deutsche Sportabzeichen. An ihrem 60. Geburtstag möchte sie Gleitschirmfliegen.
"Ich wusste schon nach zwei Tagen, dass ich schwanger bin." - Kraft über ihr verlässliches Körpergefühl.
"Ich muss aufpassen, nicht zu hart zu werden, sagen meine Freunde." - Kraft beschreibt sich selbst als ehrlich, fordernd und direkt.
"Danach bist du fertig wie 'ne Wurst." - Kraft über ihre Verkaufserfahrung an der Metzgertheke während des Wahlkampfs 2012.
Ihre Macht sieht Hannelore Kraft als etwas Positives - weil sie damit Dinge vorantreiben und der Gesellschaft etwas zurückgeben kann. Als Arbeiterkind habe sie selbst von einem durchlässigen Bildungssystem profitiert. Für die gelernte Bankkauffrau und studierte Wirtschaftswissenschaftlerin ist die Politik eine Energiequelle: "Im Wahlkampf lade ich meine Batterien auf." Sie genieße es, Menschen kennenzulernen und werde sogar eher fitter, wenn es schwierig wird.
Kraft legt großen Wert darauf, sich treu zu bleiben. "Ich habe noch nie eine politische Entscheidung getroffen, die ich nicht treffen wollte", sagte sie. Ein dickes Fell habe sie sich trotz vieler Jahre in der Politik noch immer nicht zugelegt - bewusst: "Ich will auch Sachen an mich ranlassen. Das muss man aushalten." So ärgere es sie nach wie vor, dass Frauen für das gleiche Verhalten mit anderen Adjektiven beschrieben werden als Männer. Wo ein Mann als "kämpferisch" und "durchsetzungsstark" gelte, sei eine Frau "zickig" und "dünnhäutig".
Frauen rät Kraft, männliche Strategien zu analysieren. So könne man schon allein an der Körpersprache ablesen, wer die Entscheidungen trifft. "Männer greifen Frauen oft auf der emotionalen Ebene an. Frauen müssen lernen, das auf die sachliche Ebene zurückzubringen." Sie sollten Spaß am Agieren haben und sich einmischen. Vielfalt in Unternehmen empfindet Kraft als Bereicherung. Daher hoffe sie, dass bei dem im Koalitionsvertrag festgeschriebenen Entgeltausgleich bald etwas passiere: "Ich war im Betriebsrat, bekam also auch Einblick in die Gehaltslisten. Da ist noch viel zu tun", sagte Kraft.
Außerdem sollten Frauen ihre Ansprüche klar äußern, findet sie: "Frauen denken immer, sie müssten noch etwas lernen, bevor sie eine Aufgabe übernehmen können. So kommt man nicht weiter. Ich habe so viele schlechte Männer erlebt, da können wir uns noch einiges leisten."