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Zusatzversicherungen Welche brauche ich wirklich?

Zusatzversicherungen: Eine junge Frau mit dunklen Haaren sitzt mit ihrem Laptop auf dem Schoß auf einer grauen Couch.
© fizkes / Shutterstock
Ob wir krank werden oder einen Autounfall haben –dafür gibt es Versicherungen, und wir sind sogar verpflichtet, sie abzuschließen. Doch was ist mit den vielen Zusatzangeboten: Wann lohnen sie sich, und welche können Sie getrost vergessen?

Au Backe. Einen Tag vor meiner Konfirmation fing das Pochen an, in der Nacht dann fuhr mich mein Vater zum zahnärztlichen Notdienst. Mal wieder. Schon als Kind war ich dort Dauergast. Fiese Schmerzen, Entzündungen – ich bekam Füllungen, Inlays und Kronen, Wurzelbehandlungen und Wurzelspitzenresektionen. Als ich 18 Jahre alt war, war mein Gebiss quasi durchsaniert. Etwas früh, um auf eine finale Lösung meiner Zahnprobleme zu hoffen. Also schloss ich mit Ende 30 eine "kleine" Zahnzusatzversicherung ab. 30 Prozent der Kosten für Kronen und Inlays wurden fortan übernommen.

"Ob Sehhilfen, Hörgeräte oder Zahnersatz: Die gesetzlichen Krankenkassen zahlen ihren Versicherten nur das, was aus ihrer Sicht nötig ist."

Erfahrung macht klug. Ich hegte und pflegte meine Zähne, ging regelmäßig zur Kontrolle und zur medizinischen Zahnreinigung und ließ erneuern, was zu erneuern war. Kurz nach einem Kontrolltermin ("sieht alles gut aus") stockte ich die Zusatzversicherung auf 90 Prozent Kostenübernahme auf – Implantate inklusive. Schon bei nur einem Implantat, so mein Kalkül, habe ich die Kosten der Police wieder drin. Und ich war mir sicher, dass ich diesen teuren Zahnersatz irgendwann brauchen würde. Rückblickend kann ich sagen: Die Investition in die Zahnzusatzversicherung hat sich für mich gerechnet: Circa 3000 Euro habe ich bisher für die Police gezahlt – und ein Vielfaches dessen erstattet bekommen.

Ob Sehhilfen, Hörgeräte oder Zahnersatz: Die gesetzlichen Krankenkassen zahlen ihren Versicherten nur das, was aus ihrer Sicht nötig ist. Wer etwa statt einer Zahnprothese Implantate wünscht, muss sie entweder selbst bezahlen oder die Risiken extra versichern. Mehr als 27 Millionen Bundesbürger, rund drei Viertel von ihnen gesetzlich Versicherte, haben nach Angaben des Verbands der privaten Krankenversicherung PKV eine private Kranken-Zusatzversicherung.

Doch Zusatzversicherungen gibt es nicht nur für die Gesundheit. Fahrräder, Handys oder Glasscheiben: "Fast alles lässt sich versichern", sagt Elke Weidenbach, Versicherungsexpertin bei der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen. "Aber nicht jede Zusatzversicherung macht wirklich Sinn – und nicht jede an und für sich sinnvolle Police rechnet sich tatsächlich für jeden Menschen."

Sachversicherungen- Fahrrad, Handy und Co: Verzichtbar!

Ist das Handy kaputt oder das Fahrrad geklaut, ist das ganz sicher ärgerlich. Aber diese Schäden können die meisten Menschen aus der eigenen Tasche begleichen. "Solche Geräteversicherungen machen selten Sinn", urteilt die Versicherungsexpertin. Gleiches gilt nach ihrer Einschätzung für Glasbruch- oder Reisegepäckversicherungen. Hohe Kosten, minimaler Schutz: "Reisegepäck ist in der Regel als Hausrat im Rahmen der Außenversicherung abgesichert", so Weidenbach. Zudem lehnten die Versicherer die Schadenregulierung oft mit der Begründung ab, der Versicherte habe "grob fahrlässig" gehandelt – und kommen damit vor Gericht häufig durch.

Tipp: Wer ein teures Fahrrad oder E-Bike (bis 25 Stundenkilometer) hat und es gegen Diebstahl versichern möchte, kann bei der Hausratversicherung nachfragen, ob es Möglichkeiten zum Einschluss gibt. Und immer auf das Kleingedruckte achten: Gibt es einen hohen Selbstbehalt? Ist das Fahrrad rund um die Uhr, oder nur bis 22 Uhr versichert? Reicht es, wenn es angeschlossen ist, oder zahlt die Versicherung nur dann, wenn das Rad aus einem geschlossenen Raum entwendet wird?

Achtung: Bei Diebstahl von E-Bikes, die für höhere Geschwindigkeiten zugelassen sind, zahlt die Hausratversicherung nicht. Hier ist ein Kasko-Schutz zusätzlich zur vorgeschriebenen Haftpflicht erforderlich.

Kranken-Zusatzversicherung- Krankenhaustagegeld: Verzichtbar!

Zwei Wochen Krankenhausaufenthalt wegen einer Operation? Das gibt es kaum noch. Der Kostendruck im Gesundheitswesen ist groß, Patient:innen werden heute so schnell wie möglich wieder entlassen. Wenn Sie Einkommenseinbußen im Krankheitsfall abfedern möchten, sollten Sie deshalb eher über eine Krankentagegeld-Versicherung nachdenken. Denn die zahlt unabhängig davon, ob Sie im Krankenhaus liegen oder nicht.

Krankentagegeld: Kommt drauf an!

Angestellte sind im Krankheitsfall sechs Wochen lang über ihr Unternehmen und anschließend maximal 72 Wochen über ihre Krankenversicherung abgesichert. Sie zahlt das sogenannte Krankengeld. Es beträgt 70 Prozent des Bruttos, aber höchstens 90 Prozent des Nettogehalts – bis zur Beitragsbemessungsgrenze von 4837,50 Euro. Das heißt: Maximal können Versicherte pro Tag 112,88 Euro Krankengeld bekommen; das sind rund 3386 Euro im Monat.

Wer mehr will, kann eine Krankentagegeld-Versicherung abschließen. Die ist aber nicht ganz billig – und rechnet sich im Grunde nur bei einem Einkommen oberhalb der Beitragsbemessungsgrenze. Denn für gut verdienende Angestellte ist die Einkommenslücke im Krankheitsfall besonders groß.

Anders liegt der Fall bei Selbstständigen: Sie sind im Krankheitsfall gar nicht gegen Einkommenseinbußen abgesichert. Für sie ist eine Krankentagegeld-Versicherung deshalb fast ein Muss. Achtung: Die Versicherung zahlt nur, wenn Versicherte im Krankenhaus liegen oder ihnen ein Arzt Krankheit attestiert – nicht aber während einer Reha oder bei Berufsunfähigkeit.

Krankenhauszusatzversicherung: Verzichtbar!

Gesetzlich versichert – aber im Krankenhaus wie eine Privatpatientin behandelt werden? Das ermöglicht die Krankenhaus-Zusatzversicherung. Solch eine Police hatte mein Vater schon in jungen Jahren für mich abgeschlossen. Mit diesem Schutz können Sie sich in der Klinik von Chefarzt oder Chefärztin behandeln lassen und liegen in einem Einbett- oder Zweibettzimmer. Ein weiterer Vorteil: Als Privatpatient gibt’s OP-Termine eventuell schneller.

Klingt alles toll, aber: Dafür zahlen Sie einen hohen Preis. Je älter Sie beim Abschluss sind, desto teurer ist die Police. Monatlich fallen Beiträge zwischen 25 und 85 Euro an. Bei mir sind es inzwischen gut 46 Euro im Monat. Rechne ich meine Beiträge über die Jahre hoch, habe ich weit mehr als 15 000 Euro eingezahlt. Genutzt habe ich die Leistungen bisher selten. Zweibettzimmer sind inzwischen auch für gesetzlich Versicherte Standard. Bei meinem letzten Krankenhaus-Aufenthalt landete ich trotz Zusatzversicherung auf Normalstation – die Privatstation war belegt. Und der Chefarzt war im Urlaub, als ich in den OP geschoben wurde. Im Ernstfall erhalten auch Kassenpatient:innen alle erforderlichen Leistungen. "Eine Krankenhaus-Zusatzversicherung ist ein Luxus, auf den Versicherte verzichten können", sagt Versicherungsexpertin Weidenbach. "Wer Wert auf ein Einbettzimmer legt, kann das im Krankenhaus auch ohne Versicherung dazubuchen."

Jetzt also einfach kündigen? Das traue ich mich dann doch nicht. Schließlich habe ich nun schon so viele Jahre eingezahlt …

Auslandsreise-Krankenversicherung: Unbedingt

Wenn Sie ins Ausland starten, sollten Sie eine Auslandsreise-Krankenversicherung im Gepäck haben. Für Singles gibt es sie schon ab zehn Euro im Jahr, Schutz für die ganze Familie kostet ein paar Euro mehr. Für Auslandsreisende ist die Police äußerst wichtig, denn die deutschen Krankenkassen kommen auch im EU-Ausland bei Behandlungen nur für die Kosten auf, die zu Hause angefallen wären. Für teurere Behandlungen und vor allem den Rücktransport, der in schweren Fällen Zehntausende Euro kosten kann, zahlt die Auslandskrankenversicherung.

Zahnzusatz-Police: Bei Bedarf sehr sinnvoll

Haben Sie viele Zahnfüllungen, Kronen, wurzelbehandelte Zähne oder Erkrankungen des Zahnfleisches wie Parodontose oder gar Parodontitis? Dann ist das Risiko hoch, dass irgendwann eine kostenaufwendige Sanierung fällig wird. Die gesetzliche Krankenkasse zahlt bei Zähnen nur das Notwendige. Sind Sie mit diesen Leistungen zufrieden und können sich im Zweifel auch schon im mittleren Alter mit einem herausnehmbaren Zahnersatz arrangieren, weil die Kasse Ihre Zähne unter Umständen als "nicht erhaltungswürdig" definiert? Dann können Sie auf eine Zusatzpolice verzichten. Wenn Sie aber Wert auf höherwertigen Zahnersatz legen und sich bis ins hohe Alter einen festen Biss erhalten möchten, sollten Sie über eine private Zahnzusatz-Police nachdenken. Nicht selten kostet eine komplette Zahnsanierung so viel wie ein Klein- oder sogar Mittelklassewagen. Einsteigertarife mit geringer Abdeckung gibt es schon für wenige Euro. "Später können Sie aufstocken", sagt Anke Tislauk, Geschäftsstellenleiterin bei der HanseMerkur Krankenversicherung AG. Tipp: Das Kleingedruckte prüfen! Welche Leistungen umfasst die Police genau? Ist die Anzahl der Implantate pro Zeitperiode oder generell begrenzt? Werden Keramikfüllungen überall oder nur im sichtbaren Bereich übernommen? Je umfangreicher der Schutz, desto teurer die Police.

Pflege-Zusatzversicherung: Bei Bedarf sehr sinnvoll

Mein Vater lebte bis zu seinem Tod mehr als ein Jahr im Heim – er saß im Rollstuhl, konnte weder gehen noch sehen oder sprechen und hatte mit Pflegegrad 5 den höchsten Pflegebedarf. Zusätzlich zur Pflegekasse zahlten wir aus dem Ersparten meiner Eltern Monat für Monat weit mehr als 2000 Euro dazu.

Und das ist nicht die Ausnahme, sondern die Regel. Pflege ist teuer. Deshalb hat die Bundesregierung 1995 die Pflegepflichtversicherung eingeführt. "Allerdings ist sie nur eine Teilabsicherung und deckt längst nicht alle Kosten ab", erklärt Verbraucherschützerin Weidenbach. Nach aktuellen Erhebungen des Verbandes der Ersatzkassen (vdek) zahlen Pflegebedürftige im Heim im Schnitt 2125 Euro im Monat aus der eigenen Tasche dazu, in manchen Bundesländern sogar noch deutlich mehr: In Nordrhein-Westfalen etwa sind es 2496, in Baden-Württemberg 2463 Euro. Und diese Zahlen werden weiter steigen. Vor zwei Jahren lag der bundesweite Durchschnittssatz noch bei 1891 Euro. Die vom ehemaligen Gesundheitsminister Jens Spahn angekündigte Deckelung des Eigenanteils wurde bislang nicht umgesetzt.

Wenn die Rente nicht reicht und kein Vermögen vorhanden ist, das aufgezehrt werden kann, springt der Staat ein – und holt sich das Geld unter Umständen von den Kindern zurück. Die müssen sich allerdings seit Inkrafttreten des Angehörigen-Entlastungsgesetzes im Januar 2020 nur noch beteiligen, wenn sie mehr als 100 000 Euro im Jahr verdienen. Zumindest das Risiko, später den Kindern auf der Tasche zu liegen, hat sich also deutlich reduziert.

Es gibt mehr als eine Möglichkeit

"Ganz aus der Welt ist eine private Zusatzversicherung damit allerdings nicht", so Weidenbach. "Sie macht weiterhin Sinn, wenn das Vermögen nicht aufgebraucht oder die Familienimmobilie nicht verkauft werden soll." Auch diejenigen, die eine Pflege in den eigenen vier Wänden wünschen, sollten über eine finanzielle Absicherung nachdenken. Denn die Kosten für eine 24-Stunden-Betreuung übernehmen die Kassen bisher nicht. Tipp: Es gibt unterschiedliche Pflegezusatzversicherungen. Mit einem Pflegetagegeld oder einer Pflegerente können Sie frei über das Geld verfügen. Sie erhalten den versicherten Betrag pro Tag oder eben als monatliche Rente ausbezahlt und sind nicht an bestimmte Verwendungen gebunden. Der Nachteil: Beim Pflegetagegeld können die Beiträge steigen, bei der Pflegerente bleiben zwar Beiträge und Auszahlung stabil, aber das Geld könnte knapp werden, wenn die Pflegekosten steigen.

Als dritte Möglichkeit gibt es sogenannte Pflegekosten-Policen: Damit zahlt die Versicherung nur für belegbare Kosten. Sie müssen also Belege sammeln und einreichen, was viele Senioren überfordert. Dazu kommt: Wer keinen Pflegedienst nutzt, sondern zu Hause von Angehörigen betreut wird, bekommt kein Geld.

Unabhängig von der gewählten Police: Achten Sie darauf, dass Sie schon ab Pflegegrad 2 Leistungen beziehen und dass im Pflegefall keine Beiträge mehr zu zahlen sind.

Brigitte

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