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Von der Arbeit abschalten: So kommen Sie gut rüber

Übergänge zwischen Arbeit und Abschalten sind nicht unsere Stärke. Vom Job zur Kita hetzen. Vom Wochenende in den Montag stolpern. Dann dieser letzte Tag vorm Urlaub ... Statt entspannt im Privatleben anzukommen, sind wir oft noch gestresster. Mit diesen Tipps klappen die Übergänge besser und Ihr Wohlbefinden steigt.

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Von A nach B kommen. Das klingt erst mal leicht. Man nimmt den Bus. Man geht zu Fuß. Man macht es einfach. Aber ehrlich: Egal, ob wir morgens ins Büro, nachmittags in den Feierabend oder abends wieder von zu Hause zum Freunde-Treffen aufbrechen - es gibt da diesen merkwürdigen Moment, eine Mischung aus Trägheit und Hetze. Wir wollen nicht weg, erledigen noch tausend Kleinigkeiten. Und rasen dann in letzter Minute los.

Warum tun wir uns mit Übergängen so schwer? Na ja, es ist einfach bequem, im Fluss, in dem wir gerade schwimmen, weiterzutreiben. Denn auf jedes neue Umfeld müssen wir uns ja mit unseren Sinnen, Geist und Körper einstellen, laufen morgens im Büro ebenso warm wie unser Rechner. Wenn wir dann auf Betriebstemperatur sind, wollen wir bleiben. Je länger wir etwas machen, desto größer die Trägheit.

Die Krux: In Zwischen-Zonen ist unser Stresspegel meist am höchsten. Die Art, wie wir von A nach B kommen, beeinflusst deshalb sehr stark, wie gestresst wir generell sind. "Wer Biotopwechsel ruhig meistert und mehr Pufferzeiten einbaut, ist wesentlich entspannter im Leben", erklärt Helen Heinemann vom Hamburger Institut für Burnout-Prävention. Sieben Situationen und wie Sie gut rüberkommen:

Der Klassiker: Vom Job in den Feierabend

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Die Situation: Eigentlich wollten wir um 18 Uhr Schluss machen. Aber dann schreiben wir doch noch drei Mails und erledigen ein paar Telefonate. Und beim nächsten Blick auf die Uhr ist es schon nach sieben. Grund fürs Festkleben am Bürostuhl ist eine handfeste hormonelle Schieflage: Durch den aktiven Arbeitstag sind im Körper besonders viele Stresshormone wie Adrenalin und Cortisol unterwegs. Nachmittags sind wir dann wie auf Droge, arbeiten rauschhaft weiter, finden den Absprung einfach nicht. Das hilft: Auch wenn es paradox klingt: Machen Sie tagsüber mehr Pausen, dann können Sie abends leichteren Herzens gehen. Denn wenn wir immer wieder 10- bis 15-Minuten-Breaks in den Tag einbauen, können wir Stress abbauen - und wir können um sechs mit klarem Kopf auf die Uhr gucken und den Arbeitsplatz verlassen. Aber klar ... Anfangs geht man wahrscheinlich recht aufgewühlt, denn der Stresshormonspiegel im Blut ist bei Vielarbeitern generell erhöht. Dann hilft Sport, z. B. eine halbe Stunde Laufen oder Schwimmen.

Der Extreme: Vom Job in den Kindernachmittag

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Die Situation: 15 Minuten vor der Abholzeit aus Schule oder Kita losrasen, vorher noch schnell "Star Wars"-Karten, Dinkelkekse und den liegen gebliebenen Projektantrag in die Tasche stopfen. Berufstätige Mütter stehen beim Übergang zwischen Arbeit und Kinderzeit oft kurz vorm Nervenzusammenbruch. Durch die meist knappe Arbeitszeit kommt es vor Schluss zur extremen Verdichtung von Aufgaben. Wir arbeiten immer schneller - der Übergang in die Slowmotion des Kindernachmittags wird noch schwerer. "Wir unterschätzen den Kulturwechsel von der Job-Welt in die Eltern-Welt", sagt Expertin Heinemann. Das hilft: Bauen Sie ein festes Übergangsritual ein. Eine Pufferzeit, die nur Ihnen gehört. Brechen Sie eine Viertelstunde früher auf. Gehen Sie zu Fuß zur Kita, hören Sie zwei, drei Lieder im Auto, oder gehen Sie auf einen Espresso ins Café. Wichtig: Das Mini-Ritual sollte uneingeschränkt Spaß machen. Aber klar ... Leicht ist es nicht. Der Trick: Sehen Sie das Übergangsritual als Arbeitszeit. Und machen Sie sich klar: Der Nachmittag mit Kindern wird dadurch viel entspannter. Versprochen.

Der Unterschätzte: Von der Arbeitswoche ins Wochenende

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Die Situation: Die meisten Paare trennen sich am Wochenende. Auch andere Krisen verschärfen sich dann oft. Weil Zeit zum Grübeln, Reden und Streiten ist. Aber auch, weil mit dem Beginn des Freitagabends die Erwartung ans Leben rasant steigt. Am Freitagabend machen wir eine To-do-Liste: Grillen mit Freunden, das Küchenregal ausmisten und streichen, möglichst viel Sex, laufen gehen. Jetzt soll all das passieren, was in der Woche liegen geblieben ist. Zu schaffen ist das allerdings nicht. Das hilft: Den Stundenplan fürs Wochen-ende extrem entrümpeln, Erwartungen runterfahren. Auch hier eine Info zum Hormonpegel: Segeln wir Freitagabend oft noch aufgekratzt mit Adrenalin durch die Nacht, fühlen wir uns Samstagmorgen oft müde und erschöpft. Wer dann trübselig oder streitlustig wird: Machen Sie eine halbe Stunde etwas für sich. Gehen Sie auf den Wochenmarkt oder zum Sport. Danach ist die miese Laune meist verschwunden. Aber klar ... Wochenende heißt heute nicht mehr automatisch, dass wir frei haben. Das ist auch okay. Laut Psychoimmunologen brauchen wir trotzdem einen Tag pro Woche, an dem wir nichts auf dem Zettel haben. Also: Machen Sie sich auf jeden Fall einen Sonntag. Egal wann.

Der tief Greifende: Von der Arbeit in den Urlaub – und zurück

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Die Situation: Auch wenn wir in die Urlaubsphase gern kopfüber springen wollen wie in einen Hotel-Pool - die erste Urlaubswoche ist meist ein Abschaltprozess. Nur allmählich verabschieden sich die Stresshormone, nicht selten fühlt man sich in den ersten Urlaubstagen sogar etwas krank. Denn besonders in der letzten Woche vor dem Urlaub fallen wir leicht in einen gehetzten Erledigungsmodus. Dass wir nach so einem Stressknoten nicht sofort abschalten können, ist völlig normal. Der Neurowissenschaftler Marcus Raichle hat herausgefunden, dass es im Gehirn ein sogenanntes Ruhe-Netzwerk gibt, das immer dann aktiv wird, wenn wir entspannen. Es ist für Ideen, Pläne und fürs Erinnern zuständig und kurz nach arbeitsamen Phasen besonders aktiv.

Das hilft: Puffern Sie sich am besten nach beiden Seiten ab. Das heißt, machen Sie in der Woche vor Ihrem Urlaub Dienst nach Vorschrift. Übergeben Sie nur die wichtigsten drei Projekte an eine Kollegin, verabschieden Sie sich rechtzeitig vom Alles-muss-fertig-werden-Anspruch. Im Urlaub können Sie dann die Entspannung mit Achtsamkeitsübungen unterstützen: beispielsweise jede Blume betrachten wie das siebte Weltwunder, die Füße bei jedem Schritt im Sand spüren. Mit solchen Übungen kommt das überreizte Gehirn schneller zur Ruhe. Aber klar ... Als komplett erholter Sommerhippie in den Job zurückzukommen hat aber auch seine Tücken. Wir sind verlangsamt, würden am liebsten mittags Feierabend machen. Dann ist es gut, in der ersten Woche Projekte anzupacken, die kreatives Denken erfordern. Denn das geht ausgeruht am allerbesten!

Der Harte: Vom Teamwork zum Alleinarbeiten

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Die Situation Für Projektarbeiter und Freiberufler ist es Alltag. Aber auch alle anderen kennen den Übergang von turbulenten, energiegeladenen Teamarbeitsphasen zurück in die einsame Jobmühle oder in eine längere Leerlaufzeit. Dann kommt häufig der Blues, etwa nach einer Prüfung. Man hat sich voll für eine Sache eingesetzt, sich ganz darauf konzentriert - und alles andere vernachlässigt. Vielen machen die fehlenden Strukturen und die plötzliche Funkstille zu schaffen. Kein Wunder, dass wir in solchen Situationen dauernd aufs Handy starren wie ein liebeskranker Teenager und erst mal zu uns selbst zurückfinden müssen.

Das hilft: "Stufenweise runterkommen", rät Therapeutin Helen Heinemann. Auf der ersten "Treppenstufe" könnte zum Beispiel ein ausgiebiger Einkaufsbummel stehen, mit dem man sich für die Leistung in der Power-Arbeitsphase selbst belohnt. Der zweite Schritt: ein Sport- oder Saunatag, an dem man seinen Körper richtig spürt. Dritter Schritt: einen kleinen Ausflug mit der Freundin machen. Je ritualisierter das "Hilfstreppchen" ist, desto besser. Aber klar ... Abschiede fallen vielen Menschen schwer. Wer mit Verlustängsten zu kämpfen hat oder eventuell Abschieden am liebsten ausweicht, kann nach einem anstrengenden Teamarbeits-Abschnitt leicht in eine echte Tiefphase geraten. Dann hilft es, allen im Kurzzeit- Team offiziell Tschüss zu sagen. Wichtig: Nur mit den Kolleginnen Telefonnummern tauschen, die man wirklich mag. Das erhöht die Chancen, dass man den Kontakt dann auch hält.

Der Verpeilte: Vom Arbeitstag zum Pärchenabend

Die Situation Wer allein wohnt, hat es leichter. Auch wenn man müde ist, verabredet man sich, zieht sich schön an. Schwerer wird es für Paare, die zusammen wohnen, Kinder haben. Der Übergang zum Feierabend ist dann kaum mehr greifbar: Er nickt am Babybett ein, sie sitzt am Rechner. Um halb elf trifft man sich dann im Flur. Nur wer schnell, wach oder sehr verliebt ist, ergreift die Mini-Chance, macht einen Witz oder schmeißt einen Blick, der die Brücke zum Date-Modus schlägt. Oft gelingt es nicht: Dann gibt es zwar den Augenblick, der zum sanften Übergang werden könnte, aber wir verpassen ihn leider allzuoft und schlurfen aneinander vorbei.

Das hilft: Planung und Spontaneität. Klingt komisch. Aber so geht's: Abende festlegen, an denen man sich miteinander verabredet, ob zu Hause oder fürs Kino. An den anderen Abenden macht jeder was für sich. Wenn man sich dann im Flur begegnet und eine Verbindung aufkommt, umso besser. Die Chancen dafür stehen gut, denn der "Warum machen wir eigentlich nie was zusammen"-Vorwurf weg ist. Aber klar ... Gelegenheiten bleiben häufig nicht nur in Beziehungen ungenutzt. Die Motivationspsychologin Gabriele Oettingen hat herausgefunden, dass wir sportliche oder persönliche Ziele eher erreichen, wenn wir kurze Lücken und Leerläufe sofort nutzen. Wer dann laufen geht, die beste Freundin anruft, den Liebsten küsst, hat schon viel kapiert - und damit noch einen anderen schwierigen Übergang gemeistert: vom Pausenmuffel zum Pausen-Profi.

Der Unausweichliche: Vom Sonntag zum Montag

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Die Situation: Meetings, eng getaktete Termine, Telefonate. Der Montagvormittag ist oft besonders hektisch - dabei sind wir noch im leicht verlangsamten Wochenend-Groove. Tatsächlich fällt es etwa einem Drittel aller Arbeitnehmer schwer, nach dem Wochenende gleich volle Leistung zu bringen. Grund ist ein Mini-Jetlag: Wir gehen freitags und samstags später ins Bett als sonst, sind Sonntagabend nicht müde, sehen endlos fern und starten dann am Montag total müde in die Woche. Das hilft: Wenigstens an einem Wochenendtag vor Mitternacht ins Bett gehen. So bleiben wir in unserem Biorhythmus. Tipp für Party-Enthusiasten: Sonntagmorgens früh aufstehen. Dann schlafen Sie abends nach dem "Tatort" garantiert tief und fest - und sind am Montagmorgen wieder fit.

Aber klar ... Der kleine Stich, den wir sonntagsnachmittags spüren, wenn wir das erste Mal an Montag denken, ist einfach unausweichlich. Oft hilft da seltsamerweise ein Mini-Arbeitsritual, etwa noch eine halbe Stunde etwas vorbereiten, Unterlagen zu sortieren etc. Wichtig: Gestalten Sie sich diesen Übergang schön. Ob mit Cappuccino am Rechner oder mit Fachbüchern im Garten - so schmuggeln Sie eine Dosis Wochenende in die Arbeitswoche.

Illustrationen: Anne Mair Text: Anne Otto

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