Anzeige

Nachgefragt Das hätte ich gern zum Karrierebeginn gewusst

Nachgefragt: Frauen beim Job
© luckybusiness / Adobe Stock
Was hätten wir schon am Anfang unseres Joblebens gern gewusst? Mirijam Trunk hat erfolgreiche Frauen nach ihren Erfahrungen gefragt. Ihre Ratschläge öffnen Türen, die man oft erst auf den zweiten Blick sieht.

Ich war in meinem ersten Jahr im Berufsleben, und objektiv gesehen lief alles gut. Ich hatte Studium, Praktika, Journalistenschule absolviert. Jetzt begann ich mit einem Kollegen – selbes Alter, fast gleiche Ausbildung – als Trainee in einem Verlagshaus. Wir sollten gemeinsam ein Projekt steuern. Schon bald merkte ich, wie sehr sich unsere Aufgaben unterschieden: Er verantwortete IT-Projekte, mein Bereich waren Dankeschön-Pakete für die Teilnehmenden der Projektgruppe. Er wurde als Management-Nachwuchs gelobt, ich für die Praktikantin gehalten. Er beschwerte sich und wurde für seine Direktheit gelobt. Ich beschwerte mich und hörte, dass es ein Zeichen von Egoismus sei, Aufgaben, die anderen eine Freude machten, abzulehnen. Ich ließ mich schließlich in eine andere Abteilung versetzen, er brachte seine Zeit harmonisch zu Ende.

Wir haben nicht alle die gleichen Chancen im Berufsleben.

Heute schmunzle ich beim Gedanken an dieses erste Jahr im Job. Und doch hat es bei mir einen Stein ins Rollen gebracht. Denn meine Überzeugung, dass es eine direkte Korrelation zwischen Leistung und beruflichem Erfolg gibt, wurde ersetzt durch die einfache Wahrheit: Wir haben nicht alle die gleichen Chancen im Berufsleben. Es macht einen Unterschied, welches Geschlecht wir haben, wie wir aussehen, wo wir herkommen, mit welchem Netzwerk wir starten.

Wenn wir über Diversity im Job sprechen, fokussieren wir uns oft aufs Geschlecht – auch weil das am einfachsten zu erfassen ist. Und wenn wir über die ungleichen Karriereverläufe von Männern und Frauen sprechen, kommen wir schnell auf die ungleiche Verteilung von Care-Arbeit zu sprechen. Doch Diversität und Teilhabe bedeuten viel mehr als das. Auch Faktoren wie soziale und ethnische Herkunft haben starken Einfluss auf Karrieren. Wenn wir beispielsweise eine Kultur schaffen, die weiße Frauen nach oben lässt, schwarze aber immer noch benachteiligt, haben wir deshalb nichts verbessert. Die Türen sind erst offen, wenn alle durchgehen können.

Für ein Buch habe ich nach Ideen gesucht, wie wir das erreichen können. Dafür habe ich mit 15 Frauen gesprochen, aus Wirtschaft und Politik, aus Mittelstand und Start-up- Szene. Auf welche Barrieren stießen sie? Wie haben sie sie überwunden? Hier sind drei Erkenntnisse, die mich besonders beeindruckt haben:

Tupoka Ogette: "Sprich über das, was dich zurückhält"

Nachgefragt: Tupoka Ogette
© K.Schulz/FutureImage / imago images

Ich treffe Tupoka Ogette digital, sie hat mich gerade noch so in ihren vollen Terminkalender gequetscht. Tupoka Ogette weiß, wovon sie spricht, wenn sie von Hürden und struktureller Chancenungleichheit, Aufklärung und Antirassismus erzählt. Auch weil sie seit vielen Jahren professionelle Brückenbauerin ist, ihr Buch "Exit Racism" ist ein Bestseller, sie gibt darin Anleitungen zur persönlichen wie gesellschaftlichen Auseinandersetzung mit Rassismus. Ihre Sprache und die Art sich auszudrücken ist auf den Punkt. Sie schafft es, ruhig aufzuklären, obwohl der Wandel nur in kleinen Schritten stattfindet.

Tupoka Ogette ist bei ihrer Mutter in Leipzig aufgewachsen. Als sie acht war, reisten die beiden kurz vor der Wende nach Westberlin aus. Für die Rassismuserfahrungen, die sie ihr Leben lang als Schwarze in einem meist weißen Umfeld machte – Vorurteile, rassistische Sprache, erniedrigende Botschaften und Ausgrenzung –, fand sie zunächst keine Worte. "Auch mein Umfeld hatte keine Worte für das, was ich erlebt habe", erinnert sie sich. "Niemand konnte das begrifflich einordnen. Und was nicht benennbar ist, ist auch nicht real und schon gar nicht belegbar. Ich dachte lange, ich sei übersensibel, würde mir Dinge zu sehr zu Herzen nehmen."

Es liegt nicht an dir

Erst mit Mitte 20 lernte sie, ihre Erfahrungen zu benennen: "Als ich anfing, mit anderen Schwarzen Menschen darüber zu sprechen, Widerstandsliteratur zu lesen, begriff ich: Das ist gar nicht mein Problem, und ich bin auch nicht das Problem. Das Problem heißt Rassismus."

Heute hilft Ogette als Trainerin und Speakerin Menschen, eine Sprache für und über Diskriminierungserfahrungen zu finden. Dazu gehört es für sie auch, scheinbar negative Begriffe positiv zu besetzen. "Unsicherheit" etwa sei so ein Wort. Es steht für die Angst, etwas falsch zu machen. Ogette sieht das anders: "Gesellschaftliche Veränderung geht nur mit Verunsicherung", ist sie überzeugt. "Unsicherheit bedeutet also: Ich bin in Bewegung, und die Gesellschaft ist in Bewegung. Es ist also ein gutes Zeichen! Unsicherheiten sind völlig okay!"

Miriam Wohlfarth: "Trau dich, spring ins Unbekannte!"

Nachgefragt: Miriam Wohlfarth
© Jakob Hoff / imago images

Zu riskanten Jobwechseln sagen Frauen noch immer seltener Ja als Männer. Warum ist das so? Unser Wille, ins kalte Wasser zu springen, hängt oft davon ab, ob es Vorbilder gibt, die uns zeigen: Trau dich, das klappt schon! Doch Frauen als Vorbilder gibt es noch immer viel zu selten – im Gegensatz zu männlichen Role Models. Zum Glück ändert sich das gerade langsam.

Die Unternehmerin Miriam Wohlfarth, 53, ist für mich so ein Vorbild. 1999 gab sie ihren Job beim Reiseunternehmen Hapag-Lloyd auf und wechselte in eine ihr völlig fremde Branche: 2009 gründete sie ihr eigenes Start-up – Ratepay, das bei Online-Bezahlungen den Kauf auf Raten ermöglicht. In der damals noch jungen Fintech-Szene war sie damit eine der ersten Frauen. Vor allem aber wagte sie etwas, das in Deutschland noch immer kaum üblich ist: Sie wechselte die Branche, sprang ins Ungewisse.

Einfach mal was Neues wagen

Inzwischen hat Miriam Wohlfarth ihren CEO-Posten bei Ratepay abgegeben – an eine rein weibliche Geschäftsführung, wieder ein besonderer Schritt, denn zumindest in der Fintech-Branche gibt es kaum rein weibliche Führungsteams – und mit Banxware ein neues Start-up gegründet, das digitale Kredite an Unternehmensgründende gibt. Außerdem ist sie Mitglied in diversen Aufsichtsräten.

Wie hat sie den Mut gefunden, etwas ganz Neues zu wagen?, will ich von ihr wissen, als wir uns digital zum Interview treffen. Prägung und Familie sind in der Erfahrung von Miriam Wohlfarth eine wichtige Grundlage, aber auch das Wissen: Du musst nicht alles selbst können, um erfolgreich zu sein. "Ich habe ja auch ein Tech-Unternehmen, wir machen künstliche Intelligenz, und ich bin selbst auch kein Techie. Frauen denken oft: Ich muss das alles können, und so ist das gar nicht. Wenn du ein Tech-Unternehmen mitgründen willst, kannst du dir ein Team zusammenstellen, das die Kompetenz hat." Nur 1,8 Prozent des Kapitals geht an Frauen, die gründen – das hat auch damit zu tun, dass sich Frauen seltener in die technischen Themenfelder trauen, aus Angst, zu wenig Ahnung zu haben. Miriam Wohlfarths Erfahrung, dass sich der Sprung ins Unbekannte lohnt und man sich die Dinge, die man nicht kann, eben zusammensucht, macht viel Mut. 

Sigrid Nikutta: "Geh in den Konflikt!"

Nachgefragt: Sigrid Nikutta
© Thomas Imo/Photothek / Getty Images

Stereotype und Rollenbilder, mit denen wir aufwachsen, beeinflussen uns enorm. Das wird mir in meinen Gesprächen immer klarer. Mädchen etwa lernen, dass sie vor allem durch Kooperation und Beziehungsdeals weiterkommen: Lass uns gemeinsam aufs Treppchen stellen. Jungen wird dagegen meist mitgegeben, dass Konflikt und Kooperation sich nicht ausschließen: Es kann nur einer oben stehen, aber wir können danach zusammen was trinken gehen. So ein hierarchisches Kommunikationssystem, im dem es normal ist, sich nach oben zu vernetzen und gegebenenfalls auch in Konflikte einzutreten, ist ab einer gewissen Führungsebene nach wie vor in den meisten Unternehmen üblich. Was mir Sigrid Nikutta zu diesem Thema mit auf den Weg gibt, finde ich deshalb sehr wichtig.

Nur mit Freundlichkeit kommt man nicht weit

Nikutta ist Vorstandsvorsitzende bei der DB Cargo, davor war sie in derselben Position bei den Berliner Verkehrsbetrieben. Ich treffe sie im ICE von Berlin nach Erfurt. "Ich glaube, es ist eine Mär zu glauben, dass man seinen Karriereweg in einer rein freundlichen Kurve schafft", sagt sie. "Es kommt auf Durchsetzung und eine klare Position an. Genauso wie das Gegenüber seine Position klarmacht, muss ich das auch können. Wenn das Gegenüber schreit, kann ich lauter schreien." Zum Thema Konflikt und Streiten müsse man deshalb eine nüchterne Einstellung finden. "Konflikte sind ein Instrument zur Durchsetzung von Interessen. Ich habe häufig beobachtet, wie Menschen die Scheuheit vor Konflikten anderer nutzen, um ihre Ziele zu erreichen."

Es macht also Sinn, sich selbst auf eine Konflikt-Lern-Reise zu schicken. Ich nehme mir nach unserem Gespräch vor, das selbst zu testen und Situationen, die unangenehm werden, nicht sofort durch Nachgeben oder einen lockeren Spruch aufzulösen. Und mir selbst zu sagen: Konflikt ist nichts, was man vermeiden muss!

Ein Strukturproblem

Nach 15 Interviews weiß ich jetzt, warum es so wichtig ist, sich mit den Dingen, die wir oft als selbstverständlich ansehen, zu beschäftigen: welche Worte wir verwenden, welches Verhalten wir für "normal" halten, wie wir Entscheidungen treffen, mit wem wir uns umgeben. Denn die unterschiedlichen Karrierewege, die wir bei Männern und Frauen beobachten, laufen nicht aus Versehen so. Und auch wenn Fleiß und gute Arbeit wichtige Faktoren sind, sind sie nicht einmal die halbe Miete.

Hier schließt sich der Vielfaltskreis, denn viele der Hürden, die Frauen im Wege stehen, sind in ähnlicher und oft sogar noch stärkerer Form auch die Gründe, die Karrieren von Menschen mit anderen Diskriminierungsmerkmalen verhindern: unbewusste Vorurteile, Sprachbilder, fehlende Netzwerke. Dass Führungsetagen und Entscheidungsgremien in Deutschland immer noch vorrangig von weißen Männern besetzt werden, liegt nicht an Einzelpersonen, sondern an Strukturen, die schon lange vor dem Berufsleben die Wahrscheinlichkeiten festlegen, ob jemand mitbestimmen darf oder nicht. 

Weg mit den Hürden!

Buchcover
© PR

Mirijam Trunk, 31, arbeitete nach Studium und Journalistenschule zunächst als Reporterin beim Bayerischen Rundfunk. 2019 wurde sie Geschäftsführerin der Bertelsmann Audio Alliance und baute dort das Podcast-Geschäft auf. Seit 2022 leitet sie im Führungsteam von RTL Deutschland die Bereiche Crossmedia und Nachhaltigkeit. In ihrem Buch "Dinge, die ich am Anfang meiner Karriere gerne gewusst hätte" beschreibt sie die Hürden, die junge Frauen zu Beginn ihres Berufs- lebens überwinden müssen, und zeigt Lösungen auf, wie das klappen kann (320 Seiten, 22 Euro, Penguin Verlag).

Affiliate Link
Mirijam Trunk: Dinge, die ich am Anfang meiner Karriere gerne gewusst hätte
Mirijam Trunk: Dinge, die ich am Anfang meiner Karriere gerne gewusst hätte
Jetzt shoppen
Verkaufspreis22,00 €
Brigitte

Mehr zum Thema

VG-Wort Pixel