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Mentoring-Programm Zwischen Deutschland und Kenia

Mentoring-Programm: Frauen halten einander an den Händen
© Mumtaaz Dharsey/peopleimages.com / Adobe Stock
Ein Mentoring-Programm bringt Frauen aus Deutschland und Kenia zusammen. Funktioniert das Lernen voneinander auch über Kontinente hinweg?

Es ist ein kühler Oktoberabend, 19 Uhr in Frankfurt. Tuba Yildiz, 37, Vice President im Bereich Tax Operations der Deutschen Bank, hat sich noch schnell einen warmen Pullover angezogen und das schwarzgraue Kopftuch um ihre Haare geschlungen, als sie sich nach einem langen Tag voller Meetings für ein weiteres vor ihr Laptop setzt. In Mombasa, Kenia, ist es bereits eine Stunde später, doch noch immer zeigt das Thermometer 28 Grad. Vor der blassgrünen Wand ihres Wohnzimmers wartet die 22-jährige Akinyi Mbogo darauf, dass ihr monatliches Gespräch mit Tuba Yildiz beginnt. 

Die beiden Frauen haben sich noch nie persönlich getroffen. Doch seit Juni sind sie ein von einem Softwareprogramm zusammengewürfeltes Match; eines, bei dem Tuba Yildiz als Mentorin ihre Mentee Akinyi Mbogo dabei unterstützen will, ihr berufliches Leben, das sich für Mbogo seit fast zwei Jahren anfühlt wie verknotet, zu entwirren und ihr neue Perspektiven aufzuzeigen. 

Zusammengebracht hat die beiden zunächst so unterschiedlichen Frauen Karin Heinzl , 39, beziehungsweise das von ihr gegründete Sozialunternehmen Mentor Me. Die Idee hinter Mentor Me: Frauen, die im Job Rat suchen, werden per Algorithmus mit Frauen und Männern verknüpft, die bereit sind, diesen Rat ehrenamtlich zu geben. Indem sie etwa über die Hürden sprechen, die sie selbst meistern mussten auf dem Weg nach oben, in den Traumjob, beim Wechsel in eine neue Branche oder in die Selbstständigkeit. Sie erzählen von Fehlern, von Strukturen, die ihnen halfen, geben Ratschläge, machen Mut und antworten auf die vielen Fragen, mit denen ihre Mentees sie löchern: Wie hast du das gemacht? Wie würdest du an meiner Stelle handeln? Wie erreiche ich meine Ziele? 

Mentoring-Programm: Katrin Heinzl
Karin Heinzl hat Mentor Me Kenya initiiert. Über das Matching-Tool hat auch sie eine Mentee in Kenia gefunden.
© Julia Stix / Brigitte

Karin Heinzl wuchs in einem bildungsfernen Haushalt auf, wie sie es nennt. Die Mutter war Brasilianerin, "mir fehlte der vermeintlich richtige Background, dieses Vitamin B, das mir hätte helfen können, im Job Fuß zu fassen, ich musste mir alles selbst erkämpfen." Sie studierte Kommunikation, Politik und Political Management, arbeitete in der Erwachsenenbildung und für eine Partei. Als dieser Job endete, ging sie für eine NGO nach Indien und wusste danach: Ich will im sozialen Sektor arbeiten. Da sie in der Politik schon Programme zur Stärkung von Frauen konzipiert hatte, dachte sie: Jetzt baust du etwas auf, was du selbst gerne gehabt hättest – ein Frauennetzwerk. 

Mentor Me startete 2015. Erst brachten Heinzl und ihr Team nur Menschen innerhalb Deutschlands zusammen – über das Mentoring-Programm, bei Weiterbildungs- und Netzwerk-Events. Finanziert wird das über die Jahresbeiträge der Mentees, je nach finanzieller Situation zahlt man zwischen 414 und 774 Euro für eine Mitgliedschaft. Auch Firmen wie Otto oder Coca-Cola unterstützen das Netzwerk, das heute rund 5000 Menschen miteinander verbindet. 

It's a match!

Vor zwei Jahren sprach Heinzl dann ein Mitarbeiter der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) an: Ob sie sich vorstellen könne, Mentor Me auch nach Afrika zu bringen? Klar, sagte Heinzl. Und entwickelte ein Jahr lang zusammen mit der GIZ und Mitarbeitenden in Kenia ein Konzept. Zwei Gruppen stehen bei Mentor Me Kenya nun als Mentees im Fokus: Arbeitssuchende und Menschen, die als Eigentümer oder Managerinnen in Mikro- bis Mediumunternehmen arbeiten. Anders als beim deutschen Programm können auch Männer Mentees werden."Aber natürlich wollen wir auch in Kenia besonders Frauen fördern und vor allem Unternehmen aus dem grünen Sektor", sagt Heinzl. Der Plan ist, möglichst viele kenianische Mentees mit deutschen Mentorinnen zu matchen. Ein Jahr lang soll das Programm laufen, das in Nairobi von einer Kenianerin betreut, in Partnerschaft mit der GIZ umgesetzt und von Mentor Me, dem Bundesministerium für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung und der Norwegischen Entwicklungsagentur NORAD finanziert wird.

Im Mai wird entschieden, ob es eine zweite Runde gibt, dann auch in anderen Ländern Afrikas. 500 Matches gibt es mittlerweile, eines davon sind Tuba Yildiz und Akinyi Mbogo. Der Call im Oktober ist ihr viertes virtuelles Treffen.

Mentoring-Programm: Akinyi Mbogo
© Danta / PR

Mbogo ist Lehrerin, spezialisiert auf Agrarwissenschaft, doch nach der Ausbildung fand sie keinen Job. Jetzt arbeitet sie im Callcenter einer Im- und Exportfirma. Dort fühle sie sich nicht geschätzt und als Frau diskriminiert, erzählt sie. Sie redet schnell, manchmal beginnt sie einen Satz, bevor sie den anderen beendet hat, weil es so viel zu sagen gibt zu den Themen, die sie umtreiben. Wie soll sie sich weigern, nach Dienstschluss auch noch das Geschirr abzuwaschen, wenn die anderen Frauen im Callcenter es selbstverständlich finden, dass die Männer solche Aufgaben nicht erledigen müssen? Warum dürfen die Männer einfach zu Hause bleiben, wenn sie Zahnschmerzen haben, ihr dagegen wird bei Krankheit mit Kündigung gedroht – ist nicht sie diejenige mit dem höchsten Abschluss in der Firma? Wird es ihr helfen, dass sie seit drei Wochen in einer Gruppe aktiv ist, die sich mit Gleichberechtigung befasst? Kann sie dort die richtigen Kontakte finden, um vielleicht den Job zu wechseln? Denn das ist ihr Wunsch: wieder als Lehrerin zu arbeiten. 

Mut machen, neue Ziele zu erreichen

Ihre Themen purzeln übereinander wie ein Haufen Legosteine, den Yildiz versucht, in unterschiedliche Häufchen zu schichten, Struktur reinzubringen, wie sie es bei ihren Mentees aus Deutschland und der Schweiz gemacht hat. Das größte Problem, sagt sie, sei stets die Ziellosigkeit: Wie setze ich meine Wünsche in konkrete Ziele um? 

Mentoring-Programm: Tuba Yildiz
© PR

Mit diesem Thema kennt sich Yildiz aus. Nach einer Ausbildung in der öffentlichen Verwaltung, einem nachgeholten Abi und einem BWL-Studium arbeitete sie als Wirtschaftsprüferin bei der Beratungsgesellschaft Ernst & Young, bevor sie 2021 zur Deutschen Bank wechselte. Sie hat sich früh für andere engagiert, ihrer Mutter bei der Arbeit in der Moschee geholfen, einen Frauenverein gegründet, arbeitslose Jugendliche unterstützt. Auch selbst hätte sie sich manchmal eine Mentorin auf ihrem beruflichen Weg gewünscht, sagt sie. "Eine aus meinem Fachbereich, die mir Ratschläge gegeben hätte, wie ich mich verhalten soll auf der Arbeit, wie ich mit meinen Emotionen umgehe, mit Konflikten; eine, die mich auch einfach mal schubst." 

Genau das versucht sie jetzt mit Akinyi Mbogo. Sie fordert sie auf, sich zu bewerben. "Es wird dir nicht wehtun. Und wenn du eine Absage bekommst, dann frag nach dem Warum. Manchmal hilft es zu verstehen, wo der Punkt ist, an dem ich noch arbeiten muss." Mbogo seufzt. "Die meisten Probleme berufstätiger Frauen in Kenia liegen in dem Glauben der Gesellschaft an Traditionen", sagt sie. "Hausarbeit und Kindererziehung sind Frauensache, es gibt einen Gender Pay Gap, Frauen bilden kaum Netzwerke, viele meiden es auch, für bestimmte Firmen zu arbeiten, weil sie sexuelle Belästigung und Herabsetzung fürchten." 

Unterstützung kennt keine Ländergrenzen

Wie kann eine europäische Mentorin einer Kenianerin bei diesen Problemen helfen? Anfangs habe es tatsächlich Vorbehalte bei den Mentor:innen gegeben, sagt Heinzl. Wie sollen wir jemanden aus einem anderen kulturellen Umfeld, einer anderen Arbeitswelt betreuen, hätten sie sich gefragt. Tuba Yildiz sieht eher die Gemeinsamkeiten: "To-do-Listen, klare Fragen, klare Ansagen, das hilft überall. Natürlich ist es einfacher, für den gleichen Arbeitsbereich im gleichen Land zu beraten, aber am Ende ist es doch universell, was ich meinen Mentees mitgeben will: spüren, was man ist und was man nicht ist, Wege verlassen, Richtungen wechseln, Vorbilder suchen, den richtigen Moment erkennen, um voranzukommen, das Unterschätztwerden als Motor begreifen, der einen antreibt." 

Sie könne die meisten Probleme ihrer Mentees nachvollziehen, sagt Yildiz, weil sie selbst in ähnlichen Situationen war, sie kenne die Fehler und den Stress, den sie damit haben. "Und dann erinnere ich mich während des Mentorings, dass es Lösungsansätze gibt, die ich auch bei mir mal wieder auffrischen müsste." Akinyi Mbogo wiederum schätzt an ihrer Mentorin, dass die aus einer ganz anderen Perspektive auf ihre Ideen und Gedanken schaut: "Ihre Tipps sind oft das fehlende Puzzleteil, um meine Zukunft und meine Fähigkeiten klarer zu sehen." 

Ihr heutiges Gespräch mit Tuba Yildiz endet mit einer Einladung. Eines Tages, so hofft sie, will sie ihre Mentorin mit in einen Matatu nehmen, einen dieser kleinen Busse mit Graffitibemalung, die Kenias Städte mit dem Land verbinden, und ihr ihre Heimat zeigen.

Selbst Mentorin werden?

So geht's:

Wer bei dem Programm ehrenamtlich als Mentorin mitmachen möchte, kann sich hier registrieren und ein Profil anlegen: mentorme-ngo.org/mentorme-kenya. Ein Matching-Tool verknüpft einen dann mit einer Mentee in Kenia. Die trifft man über einen Zeitraum von zehn Monaten einmal pro Monat zu einem einstündigen Online-Gespräch, um sie bei ihrer Neuorientierung zu begleiten und zu unterstützen.

Brigitte

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