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Job-Sharing als Führungskraft: Angela Nelissen im Interview

Angela Nelissen (links) und Christiane Haasis (rechts) 
Angela Nelissen (links) und Christiane Haasis (rechts)
© Unilever
Angela Nelissen (links) und Christiane Haasis sind Vice President Refreshment DACH bei Unilever – und teilen sich diese Führungsstelle in einem Job-Sharing. Im Rahmen der Xing New Work Konferenz erzählen sie, wie solche neue Ideen Realität werden können. Wir haben Angela Nelissen vorab zum Interview getroffen.

Die beruflichen Wege von Angela Nelissen und Christiane Haasis kreuzten sich im Konzern Unilever immer wieder, bis sie erstmals gemeinsam die Körperpflegemarke Dove für Europa verantworteten. Sie entwickelten damals die berühmte Dove-Kampagne für ein neues, mutiges Schönheitsideal. Und: In dieser Zeit entstand auch ihre Idee für ein Jobsharing. Beide wollten neben ihrer Verantwortung als Mütter weiterhin in verantwortungsvollen Positionen arbeiten. Mit ihrem Konzept gingen Angela Nelissen und Christiane Haasis gemeinsam zu ihrem Vorgesetzten – und der willigte mutig ein. Heute arbeiten beide 60 Prozent. Jede drei Tage, an einem Tag überlappen ihre Arbeitszeiten, um sich abzusprechen, zu zweit und mit ihrem Team. Sie zeigen, dass das Jobshare-Modell in Führungspositionen funktioniert und für moderne Unternehmen immer wichtiger wird.

Frau Nelissen, Job-Sharing gibt es eigentlich schon seit vielen Jahren, wieso ist das Modell heute wieder so aktuell?
Als Christiane und ich Jobsharing vor neun Jahren bei Unilever gestartet haben, gab es viel internes und externes Interesse an dem Model. Aber damals gab es auch viel Skepsis und viele Firmen haben sich gescheut dieses Model umzusetzen. Heute wissen wir, dass Job-Sharing funktioniert, nicht nur bei vielen Jobshare-Paaren, die uns bei Unilever gefolgt sind. Die Vorteile sind sowohl für die Firma als auch für die Jobsharer direkt spür und messbar. Das weckt natürlich viel Interesse. Und im Rahmen der Diskussion von neuen Arbeitsmethoden – Stichwort Agiles Arbeiten – ist auch Jobsharing ein tolles Beispiel.

Was halten Sie von Jobbörsen für Tandem-Jobs?
Das kann eine gute Sache sein. Man muss aber im Einzelfall prüfen, ob die Jobbörsen dann wirklich zum Erfolg führen. Es muss ja vieles passen: Branche, Sektor, Gehaltsvorstellung, Ort und dann muss auch noch der Arbeitgeber zustimmen. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass das Gute oft sehr nahe liegt und sich in der eigenen Firma häufig geeignete Jobshare-Partner finden. Wichtig ist es hier, dass man innerhalb der Firmen eine „Börse“ schafft, wo sich Interessierte informieren und treffen können.

Wie kann ich vorab checken, ob das Tandem mit meiner Kollegin wirklich klappen kann?
Unser Erfahrung zeigt, dass man sich sehr frühzeitig zusammensetzen sollte, um abzuklären, was man mit dem Tandem erreichen will. Was ist der Zeithorizont, was sind die Erwartungen, wieviel Zeit will man einbringen? Will man weiter Karriere machen? Welche Rollen sind geeignet? Am besten trifft man sich dazu außerhalb der Firma, da es darum geht, ganz ehrlich von Mensch zu Mensch zu sprechen. Zwischen zwei Meetings geht das nicht so gut. Wenn man ein gemeinsames Ziel hat und dies auch klar mit dem Arbeitgeber abstimmt, ist die erste und wichtigste Grundlage zum Erfolg des Jobshares gelegt.

Wenn ich meinem Vorgesetzten die Umsetzung eines Job-Tandems vorschlagen will, welche Tipps haben Sie für meine Argumentation?
Denken sie aus der Perspektive des Vorgesetzten. Was sind seine Befürchtungen? Welche Vorteile gibt es? Zwei Köpfe leisten schließlich mehr als einer – gerade im Jobsharing, da man in den Off-Zeiten, also dann, wenn man nicht aktiv arbeitet – häufig die besten Ideen hat. Zwei Manager oder Experten haben typischerweise einen breiteren Erfahrungsbackground und sind zusammen belastbarer. Spitzenzeiten können sehr gut „abgefedert“ werden. Und auch für Mitarbeiter einer Jobsharing-Führung gibt es viele Vorteile, da Jobshare-Manager ausgeglichener und weniger gestresst sind.

Welche Tools, Organisationsprozesse können Sie für die Abstimmung im Tandem empfehlen?
Da gibt es kein Standardrezept, sondern das Gelingen hängt von den individuellen Vorlieben und speziellen Anforderungen des Jobs ab. Unser Credo war: Wie machen wir es für die Teams und die Organisation möglichst einfach? Dafür haben wir eine gemeinsame E-Mail aufgebaut, auf die wir beide zugreifen können. So sind wir jederzeit erreichbar. Aus unseren Initialen Christiane Haasis und Angela Nelissen machten wir kurzerhand CHAN@Unilever.com.

Strategie- und große Abeilungsmeetings machen wir zusammen, alles andere haben wir aufgeteilt. Auch jeder Mitarbeiter weiß, wer von uns beiden sein primärer Ansprechpartner für Entwicklungs- und Coachingthemen ist. Die ganzheitliche Strategieentwicklung machen wir mit einem kleinerem Führungsteam gemeinsam, die einzelnen Marken sind in kleinere Subteams organisiert. Um eine reibungslose Übergabe zwischen uns sicherzustellen, haben wir am Anfang viel telefoniert, jetzt nutzen wir Whatsapp, das ist noch schneller. Ich glaube, dass sich der kollaborative Arbeitsstil zwischen uns beiden auf das Team übertragen hat. Wir führen sehr teamorientiert und geben Entscheidungsspielraum und Verantwortung an das Team ab. Das macht uns als Organisation sehr reaktionsschnell und agil, wenig hierachisch.

Sie und Frau Haasis arbeiten beide zu 60% – zusammen also auf einer Stelle zu 120%. Ist das nicht ungerecht gegenüber anderen Führungskräften, die ihre Stelle alleine ausfüllen?
Wir machen das nun schon seit vielen Jahren in dieser Form und haben erlebt, wie beide Seiten – also Angestellte und Firma – davon profitieren. Man braucht eine gewisse Überlappungsszeit, dafür hat man aber auch die Möglichkeit, im Duo mehr Themen abzudecken und voranzutreiben, als eine Person. Wir sagen dazu gerne: 100% Jobshare gleich 200% Mindshare. In der Summe lohnt sich das 20% Investment der Firma in diese eine Stelle.

Kann man das Job-Tandem noch weiterdenken? Könnte beispielsweise ein Job zu dritt ausgefüllt werden oder nur eine Person ein konstanter Teil eines Tandems sein, die sich immer wieder neue Partner dazuholt?
Auch das ist durchaus denkbar und mit neuen Arbeitsmethoden auch gut organisatorisch vereinbar. Ich denke da an Scrum Teams. Hier kann man klare Aufgabengebiete zeitlich abstecken und diese den jeweiligen Personen zuordnen. Der klassische 5-Tage Job ist ja eigentlich nur ein Überbleibsel der frühen Industrialisierung. Es wird Zeit, dass wir da ganz neu denken. Die Unternehmen, die sich früh an die neuen Möglichkeiten herantrauen, werden profitieren. Das zeigt ja auch unser Beispiel. In den letzten 10 Jahren haben bei Unilever mehr als 30 Frauen in Jobtandems gearbeitet. So konnten wir viele gute Mitarbeiter für uns gewinnen und halten. Und für junge Mitarbeiter, die frisch in den Arbeitsmarkt reinkommen, ist es sogar ein Auswahlkriterium. Die denken viel offener und flexibler.

Kennen Sie männliche Tandems? Und gibt es Unterschiede, wie männliche, weibliche oder gemischte Tandems arbeiten?
Leider noch nicht. Es gibt ein ganz großes Interesse, aber bisher hat es noch nicht geklappt. Ich habe aber im Gefühl, dass sich da bald etwas tut. Und eins ist sicher: Das erste männliche oder gemischt Duo wird Geschichte machen.

Vielen Dank für das Interview, Angela Nelissen. 

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