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Fehler im Job - deshalb sollten wir nicht grübeln

Fehler im Job - deshalb sollten wir nicht grübeln: Nachdenkende Frau
© fizkes / Shutterstock
Selbstkritik ist an sich eine feine Sache, Frauen beherrschen sie besonders gut. Doch wer lange über Fehler im Job grübelt, verstellt sich den Blick für neue Chancen. Coach Babette Brinkmann über Strategien, wie man wieder Land gewinnt.

"Es lässt mich nicht los, es ärgert mich einfach so. Wie konnte ich die Situation nur so falsch einschätzen? Warum?! Es wäre so leicht gewesen – und jetzt? Wer weiß, ob ich so eine Chance jemals wieder bekomme!“ Verena arbeitet im Vertrieb eines europäischen Familienunternehmens. Und seit mehreren Sitzungen drehen sich unsere Gespräche immer wieder um diese eine Szene, die nun schon mehr als drei Monate zurückliegt. Und ja, vielleicht kommt genau diese Chance nicht wieder. Es ist super ärgerlich, ich verstehe, dass Verena das als Scheitern erlebt. Andererseits: Sie ist engagiert, temperamentvoll, kreativ, ich mache mir keine Sorgen, dass für sie neue Gelegenheiten kommen werden, ihre Ideen einzubringen. Aber im Moment ist von Verenas intellektueller Lebendigkeit wenig zu spüren. Sie kann nicht aufhören zu grübeln. Dabei steht ihr genau dieses Grübeln im Weg.

Die Idee ein Kinderbuch zu veröffentlichen

Was genau war passiert? Der Zufall hatte es gefügt, dass sich Verena mit einer der Geschäftsführerinnen das Taxi teilte. Und Verena hatte die Gelegenheit klug genutzt und der Chefin von ihrer Idee erzählt, zum 100-jährigen Firmenjubiläum ein Kinderbuch herauszugeben, in dem eines der hauseigenen Produkte eine Hauptrolle spielen sollte. Dieses Buch zu schreiben und zu entwickeln, war schon lange ein heimlicher Wunsch, aber Verena hatte keine Idee gehabt, wer sich dafür interessieren könnte. Die Taxifahrt war ein Geschenk des Himmels. Und die Geschäftsführerin schien ehrlich interessiert. Sie lud Verena zum nächsten Planungstreffen ein, die der Marketingchef ins Leben gerufen hatte. Dort sollte sie ihre Idee präsentieren.

Verena hatte sich gut vorbereitet. Sie wusste, dass sie dort auf Leute treffen würde, die gerne selbst entscheiden und lieber eigene als fremde Ideen unterstützen. Also hatte sie sich überlegt: Ich stelle drei Formate vor, mit ihren Vor- und Nachteilen, als Entscheidungsvorlage. Doch in der Sitzung gab es für Verena ein Zeitfenster von knapp zehn Minuten, sie konnte ihre Varianten kaum sinnvoll darstellen. Schon bei der zweiten Variante gab es Stirnrunzeln, und als sie fertig war, sagte die Geschäftsführerin: "Ach, ich dachte, Sie hätten schon genau etwas vor Augen, Sie klangen so klar und entschieden, als Sie mir von Ihrer Idee berichteten ..." Damit war der Vorschlag vom Tisch. Eine bittere Erfahrung.

Höchste Zeit, sich andere Fragen zu stellen

Aus manchen Fehlern kann man lernen. Aber aus Fehlern zu lernen, will gelernt sein. Von Natur aus sind Menschen nicht sehr gut darin. Wir neigen stattdessen zu dysfunktionalen, sprich: wenig hilfreichen Gedanken, etwa in Form von genüsslicher Selbstzerfleischung. Oder wir versuchen uns zu rechtfertigen, indem wir Fehler "weg-erklären". Frauen und Männer haben da keine grundlegend unterschiedlichen Strategien, auch wenn Patricia Bryans von der britischen University of Sunderland in verschiedenen Studien zeigen konnte, dass Frauen oft eher zum Grübeln neigen, was typischerweise mit negativen Gefühlen einhergeht; Männer hingegen sind häufig besonders gut darin, sich Fehler so umzudeuten, dass es am Ende gar keine waren. Eine Strategie, die sich beruhigend anfühlen mag. Mit dem lustvollen Beschreiten neuer Wege haben allerdings beide Techniken wenig gemein.

Ich beobachte Verena, und nach einer Weile unterbreche ich sie: "Ja, wir beide wissen, es war ein bitterer Moment und wohl auch eine verpasste Chance. Aber lass uns jetzt mal auf die letzten Minuten schauen, in denen Sie wieder davon berichtet haben, und frage Sie sich?

1. Bin ich zu neuen Einsichten gelangt?

2. Sehe ich neue Handlungsmöglichkeiten?

3. Fühle ich mich kraftvoller oder zuversichtlicher?"

Verena versteht, worauf ich hinauswill.

Wie geht es Ihnen, wenn Sie sich nach einem ärgerlichen Missgeschick zuhören? Wenn Sie auf diese Fragen ebenfalls dreimal mit "Nein" antworten würden, dann ist Ihre Art, über die Vergangenheit zu grübeln, höchstwahrscheinlich nicht hilfreich. Und es ist höchste Zeit, andere Fragen zu stellen.

Anhaltend zu grübeln heißt, in der Vergangenheit stecken zu bleiben. Stimmung und Energie wandern in den Keller. Grübeln dreht sich um die Frage: "Warum?" Neue Wege entdecken Sie eher mit lösungsorientierten Fragen: Wie ist mir dieses Desaster so fulminant gelungen? Was genau kann ich daraus für die Zukunft lernen? "Wie?" und auch "Was?" helfen, den Blick in die Zukunft, auf das konkrete Tun und auf künftige Lösungen zu lenken. Und neue Ideen sind wunderbare Quellen, um Mut, Zuversicht und Kraft zu schöpfen.

Gefühle sind unbestechlich

Eine hilfreiche Alternative zum "Weg-Erklären“ steckt im Schlagwort "Emotions know best!" Unter diesem Titel hat die amerikanische Psychologin Noelle Nelson gemeinsam mit Kolleginnen seit 2017 verschiedene Studien veröffentlicht. Die Autorinnen konnten zeigen, dass Teilnehmer*innen, die sich nach einer Niederlage auf ihre Gefühle konzentrierten, nachfolgende Aufgaben engagierter und mit differenzierteren Lösungen bearbeiteten als Teilnehmer*innen, die über ihre Misserfolge nachdachten.

Sich auf die Gefühle einzulassen, die eine Niederlage begleiten, den Ärger, die Trauer, die Scham wahrzunehmen, scheint hilfreich zu sein, um aus Fehlern zu lernen und motiviert nach neuen Strategien zu suchen. Der Grund: Gefühle sind deutlich unbestechlicher als Gedanken. Es mag Ihnen im Moment des Scheiterns gelingen, sich einzureden, dass Sie diesen oder jenen Kunden eigentlich sowieso nicht gewinnen wollten. Im Rückblick fühlt sich der verpatzte Termin trotzdem nur noch peinlich an.

Gefühle zeigen uns, dass wir den Moment der Niederlage nicht wiederholen wollen, und sind dadurch Ansporn zu Veränderung. Nehmen wir unsere Gefühle im Moment der Niederlage bewusst wahr, fällt es schwerer, die Hände in den Schoß zu legen und einfach weiterzumachen wie bisher. Wenn wir dann den Schritt hin zu lösungsorientierten Gedanken finden, steht dem Lernen nicht mehr viel im Weg.

Wer Fehler akzeptiert, schont seine Kräfte

Wir alle erleben Niederlagen. Das ist eine Erfahrung, die uns mit allen anderen Menschen verbindet. Fehler zu machen, ist Normalität, denn Menschen sind nicht perfekt. Wenn wir akzeptieren können, dass auch unsere Fehler zum Leben dazugehören, dann müssen wir sie nicht mehr ganz so vehement abwehren. Wir sparen Kraft und Zeit und können uns der Zukunft zuwenden.

Eine der einflussreichsten Theorien der Sozialpsychologie wurde 1957 von Leon Festinger eingeführt und wird seitdem weiterentwickelt. Sie besagt, dass wir alle gerne ein stimmiges und positives Bild von uns haben. Wir möchten uns als kluge, ehrenhafte und liebenswerte Personen sehen. Alle Informationen, die darauf hindeuten, dass wir vielleicht auch einfältige, düstere oder unmoralische Seiten haben, führen zu einem heftigen Unbehagen. Dieses Unbehagen nennen Psycholog*innen kognitive Dissonanz. Sie zu vermeiden oder zu reduzieren, ist ein wichtiger Motivationsfaktor unseres Denkens und Verhaltens.

Fehler und Niederlagen sind klassische Quellen für kognitive Dissonanz. Um dieses Unbehagen zu reduzieren, gibt es drei wirksame Strategien:

1. Du leugnest: Du redest dir ein, dass du es genauso wolltest. Dann lernst du zwar nichts, aber du erlebst auch keine Niederlage.

2. Du änderst deine Gedanken: Wenn du akzeptierst, dass Fehler zu machen eine zutiefst menschliche Erfahrung und auf dem Weg zu Erfolg und Exzellenz unabdingbar ist, dann kannst du deine Fehler in einem anderen Licht sehen. Dann stehst du nicht mehr in einem so großen Kontrast zu deinem Selbstbild, und das Unbehagen sollte deutlich geringer werden.

3. Du änderst dein Verhalten: Lerne Neues. Entwickel Strategien für die Zukunft und neue Perspektiven. In dem Moment, in dem du erlebst, dass deine vermeintliche Niederlage Neues ermöglicht und du mit ein und derselben Situation anders und Erfolg versprechender umgehst, kannst du das Erlebte leicht in Übereinstimmung zu deinem Selbstbild (kluge und zuverlässige Geschäftspartnerin s...) bringen.

Übersehe bei allen Anstrengungen aber nicht, dass manchmal alles tatsächlich ganz anders sein kann. Es gibt Niederlagen, da hatten wir keine Chance, auch wenn wir redlich versucht haben, diese zu nutzen – etwa wenn wir uns kompetent und mit viel Aufwand auf eine Stelle bewerben und später verstehen, dass sie nur pro forma ausgeschrieben war. Und es gibt Fehlschläge, da wollen wir das, was gefordert ist, gar nicht lernen. Ich denke an meine Tochter, die nach ihrer ersten Mathearbeit nach Hause kam und sagte: "Mama, ich glaube das war nix. Ich muss erst noch lernen, eine Schulaufgabe zu schreiben, wenn neben mir meine Freundin so weint."

Manchmal ist das Leben fies. Wir können uns auf den Kopf stellen, und es wird nichts draus. Ungerechtigkeit ist eine große Verführung zum Grübeln. Auch diese Erfahrung teilen wir mit allen Menschen.

Aus Kritik kann man lernen – aus Erfolgen noch besser!

"Bitte geben Sie mir kritisches Feedback – sagen Sie mir auch Negatives, damit ich etwas lernen kann!" Diesen Satz höre ich immer wieder. Und natürlich stelle ich auch kritische Wahrnehmungen zur Verfügung. Aber woher kommt die Idee, dass sich nur oder vor allem aus Kritik lernen lässt? Aus Erfolgen lässt sich entgegen aller Vermutung noch viel besser lernen. Denn in dem, was uns gelingt, zeigt sich, was wir können. Wir müssen wissen, WIE uns etwas gelungen ist, WODURCH wir so überzeugend waren, WAS uns zu diesem Verhandlungserfolg verholfen hat, WARUM die Kolleg*innen finden, dass wir gute Teamplayer sind …, dann können wir es wiederholen, einsetzen, weiterentwickeln.

Und: Fehler macht nur, wer überhaupt etwas macht. Eine Chance verspielen kann nur, wer sich eine Chance erarbeitet hat. Schaue bei jedem Misslingen immer auch auf das Gelingen. Verena konnte ihre Chefin nur überzeugen, weil sie eine richtig gute, kreative Idee entwickelt hatte. Sie wurde zum Planungstreffen eingeladen, weil sie ein Gefühl für den richtigen Moment hatte. Solche Qualitäten werden im Schatten von Missgeschicken leicht übersehen.

Für Verena gab es in dieser Geschichte kein Happy End mit Kinderbuch, aber neue Klarheit, dass sie ihre Kreativität einbringen will. Sie hat ihr Netzwerk im Unternehmen noch mal unter die Lupe genommen, neue Kontakte geknüpft und sich für das Team beworben, das auf Berufsmessen ihre Firma präsentiert. Sollten Ihnen in naher Zukunft doch mal ein Kinderbuch mit einem sprechenden und zaubernden Gegenstand in die Hände fallen: Vielleicht steckt Verena dahinter.

Raus aus der Grübelspirale

Beobachte dich und deine Fehler freundlich und großzügig. Du bist eine zutiefst menschliche Erfahrung. Aus manchen kannst du lernen, manche musst du akzeptieren.

Schätze auch positive Rückmeldungen als wichtig und lehrreich ein! Du kannst sie gar nicht hoch genug bewerten. Das Motto: Genießen und daraus lernen.

Verzeihe dir und integriere Fehler in dein Selbstbild. Weil ich mich was traue, weil ich etwas versuche, gelingt manches wunderbar und anderes geht grandios daneben. Erfolg und Misserfolg gehören zusammen.

Konzentriere dich nach Fehlschlägen auf deine Gefühle, nicht auf deine Gedanken.

Frage dich nach dem „Wie“, nicht nach dem „Warum“.

Distanziere dich von grübelnden Gedanken, die deine Selbstzweifel und Niedergeschlagenheit verstärken, z. B. indem du über dich und dein Erleben in der dritten Person berichtest. Betrachte die Situation aus dem Blickwinkel einer Fliege an der Wand.

Humor hilft: Mache dir klar, welche Kompetenzen es dir überhaupt erst ermöglicht haben, so in Bausch und Bogen danebenzuliegen.

Prof. Dr. Babette Julia Brinkmann ist Coach und Professorin für Organisations- und Gruppenpsychologie an der TH Köln. Sie berät Frauen, Männer und Organisationen in Fragen rund um Karrierewege, Kooperation und Führung. Sie ist verheiratet, hat drei Kinder und lebt in München und Köln.

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BRIGITTE 19/2019

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