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Chancengleichheit So gehts: Drei Firmen, drei Ansätze

Die besten Arbeitgeber für Frauen - BRIGITTE-Studie klärt auf: glückliche Frau bei der Arbeit
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Kluge Ideen für mehr Chancengleichheit und wie Frauen den Sprung nach vorn machen - wir präsentieren drei Unternehmen mit drei unterschiedlichen Strategien.
Die besten Arbeitgeber für Frauen - BRIGITTE-Studie klärt auf: Gabriele Kinast
© Meike Kenn / Brigitte

Ein Extra für alle

Bei der Berliner Volksbank bekommen alle den gleichen Bonus – ob sie in Teil- oder Vollzeit arbeiten. Personalchefin Gabriele Kinast über ein Vergütungsmodell, von dem vor allem Frauen profitieren.

Bei Banken ist es üblich, dass man zusätzlich zum festen Gehalt einen Bonus erhält, der von der erbrachten Leistung abhängt. Was hat Sie an diesem System gestört?
GABRIELE KINAST
: In manchen Jobs lassen sich Erfolge an konkreten Kennzahlen messen. Doch wenn man beispielsweise im strategischen Bereich arbeitet, im Personalressort oder am Empfang, geht es eher darum, qualitative Ziele zu erreichen. Da ist ein Soll-Ist-Abgleich schwierig. Wenn man dann entscheiden soll, ob diese Person nun den vollen Bonus erhält oder nicht, ist es schwierig, fair zu entscheiden.

Was haben Sie verändert?
Wir wollten die gemeinsamen Ziele betonen. Also haben wir das Bonus­system zusammen mit dem Betriebsrat umgestellt. Jetzt ist ein maßgeblicher Teil der variablen Vergütung so gestaltet, dass alle gleichermaßen beteiligt werden. Ist die Bank erfolgreich, dann bekommen alle den gleichen Betrag, unabhängig davon, in welcher Funktion sie sind, ob sie Teilzeit arbeiten oder mal länger krank waren.

Warum profitieren davon vor allem Frauen?
Wir haben im Unternehmen einen hohen Frauenanteil. Von diesen Mitarbeiterinnen arbeiten wiederum viele in Teilzeit. Sie bekommen nicht nur einen prozentualen Anteil am Bonus, sondern dieselbe Summe wie alle anderen.

Wie haben die Beschäftigten auf das neue Modell reagiert?
Gemischt. Denn es gibt natürlich klare Gewinner*innen in diesem System, das sind tendenziell die Beschäftigten, die weniger Geld verdienen. Und es gibt auch Verlierer*innen im Vergleich zu vorher. Die sagen verständlicherweise: Das mag schon alles sinnvoll sein, aber dummerweise geht es mir halt ans Portemonnaie.

Was entgegnen Sie ihnen?
Man darf nicht vergessen: Das individuelle Gehalt bleibt ja erhalten. Und da empfinde ich die neue Regelung als echten Fortschritt, weil sie viel besser zur Kultur unserer Bank passt. Außerdem gibt es nach wie vor individuelle Leistungsprämien, die unabhängig von irgendwelchen Zielvereinbarungen oder Kennzahlen vergeben werden. Da wird dann durchaus honoriert, wenn sich jemand besonders in ein Projekt reinhängt.

Wie sorgen Sie sonst noch für faire Gehälter?
Unsere Gehaltsstrukturen sind sehr transparent. Jede*r Mitarbeiter*in ist einer Stelle zugeordnet und kann einsehen, welche Vergütung mit jeder dieser Stellen einhergeht. Auf diese Weise wissen alle von allen, was sie verdienen, es gibt nur noch minimale Spielräume. Unser Betriebsrat hat schon vor mehr als 20 Jahren auf diese Regelung hingewirkt und dafür gesorgt, dass es auch so bleibt. Und wir sind stolz darauf! So stellen wir sicher, dass Frauen und Männer in der gleichen Funktion auch die gleiche Summe verdienen – und gleichermaßen gefördert werden. Vielleicht haben wir auch deshalb in den Führungspositionen einen Frauenanteil von fast 50 Prozent.

Die besten Arbeitgeber für Frauen - BRIGITTE-Studie klärt auf: Katy Roewer
© Julia Knop / Brigitte

Die Rollen-Revolution

Männer machen Karriere, Frauen den Haushalt: So gestrig das Klischee klingt, so sehr beeinflusst es bis heute die Chancen von Frauen. Bei Otto will man das ändern – mit schlauen Strategien

Vor drei Jahren merkte Katy Roewer, Personalvorständin beim Versandhändler Otto, dass sie so nicht weiterkommen würden. Die Zahl der jungen Managerinnen im Unternehmen war bis dahin stetig gewachsen. Kein Wunder: Spätestens seit Roewers Jobantritt im Jahr 2015 tut man bei Otto einiges, um Frauen in Führungsjobs zu bringen. Mentoring-Programme machen fit für neue Aufgaben. Coachings helfen bei der Rückkehr aus der Elternzeit. Die klare Ansage, dass Führung auch in Teilzeit möglich ist, und das Vorbild von Roewer selbst, die nur vier Tage pro Woche arbeitet, um mehr Zeit für ihren Sohn zu haben, öffnen denen Türen, die Job und Familie vereinbaren wollen.

Wieso warfen die Frauen so früh das Handtuch?

Doch nun stagnierten die Zahlen. Roewers Team beugte sich über die Statistik: Fast immer endete der Aufstieg der Frauen mit der ersten Elternzeit. 18 Monate nahmen die meisten, viele kehrten nur halbtags zurück. Zu wenig für die große Karriere. Wieso warfen die Frauen so früh das Handtuch?

Katy Roewer weiß, dass Otto noch kein perfekter Ort für Frauen ist. Der Männeranteil von rund 75 Prozent in den oberen Führungsetagen kann wie ein Bollwerk wirken. Bis zum Lockdown herrschte starke Präsenzkultur. Doch die 45-Jährige glaubt auch: Ähnlich entscheidend für den Karriereknick der Frauen ist die Rolle, die unsere Gesellschaft von ihnen erwartet. Auch heute noch ernte man vor allem Beifall, wenn man in der Rolle der liebevollen Mama aufgehe, sagt sie. "Gerade die sozialen Netzwerke sind voll mit Styling-Tipps, Rezepten, Babyfotos. Die Idee, sich auch im Job zu verwirklichen, kommt kaum vor. Junge Frauen beeinflusst das sehr."

Roewer wurde anders geprägt. Sie wuchs in der DDR auf, die Mutter Laborantin, der Vater auf Montage, beide in Vollzeit; Katy Roewer und ihre Schwester waren tagsüber in der Kita oder Schule und bei den Großeltern. Die DDR verklärt sie keineswegs; weil ihre Familie nicht linientreu war, wurde sie in der Schule diskriminiert. "Aber ich bekam auch mit, wie gleichberechtigt meine Eltern miteinander umgingen."

Ihrem späteren Mann, aus Westdeutschland stammend, eröffnete sie daher früh, dass sie zwar Kinder, aber auch eine Karriere wolle. Und dabei von ihm Unterstützung erwarte. "Ich glaube, er fand es etwas unromantisch, dass ich das vor der Hochzeit klären wollte. Aber wir profitieren noch heute davon." Die Kinderbetreuung teilen sich die beiden heute mit Roewers Mutter.

Bei Otto macht man es seit einem Jahr ähnlich: Statt erst in der Elternzeit spricht die HR-Abteilung die Frauen nun weit vor dem Mutterschutz an. Erklärt, welche Arbeitszeitmodelle es gibt. Und rät, früh zu klären, wie die Aufgaben zu Hause verteilt werden.

"Viele rutschen ja nur deshalb in traditionelle Rollen, weil sie nichts anderes kennen", sagt Nico Lüthje. Der 42-Jährige arbeitet in der Otto Group IT und leitet das "Väternetzwerk" mit, die zweite Speerspitze der firmeninternen Rollen-Revolution. Man organisiert Role- Model-Kampagnen und Events, bei denen auch über alternative Familienmodelle diskutiert wird. Lüthje selbst teilt sich die Kinderbetreuung mit seiner Frau paritätisch, beide arbeiten 30 Stunden pro Woche. Und inspirieren andere: Letztes Jahr ist Lüthjes Vorgesetzter, ebenfalls Vater, in Teilzeit gewechselt. "Vorher ließ er sich von mir erzählen, wie das bei mir so klappt."

Lust machen auf Rollenwechsel: Das ist auch das Ziel von „develop<HER>“, der dritten Maßnahme, mit der Otto gegen Geschlechterklischees kämpft. Bis zu 300 Mitarbeiterinnen lernen seit 2018 in zweimal jährlich stattfindenden Tech-Camps, wie man programmiert oder Apps entwickelt. Mitinitiatorin Isabelle Ewald will so nicht nur den Talent-Pool mit technikaffinen Frauen füllen, sondern zudem Mut machen, sich völlig Neues zuzutrauen. Auch Männer interessieren sich mittlerweile für die Kurse. Doch allzu viele von ihnen wollen die Frauen bewusst nicht zulassen. "Es schadet nicht, wenn Männer ein Gefühl dafür bekommen, wie es ist, auch mal in der Minderheit zu sein", findet Isabelle Ewald. 

Die besten Arbeitgeber für Frauen - BRIGITTE-Studie klärt auf: Christina Ullmann
© Julia Knop / Brigitte

Nach dem Motto: Family First

Als im März Schulen und Kitas schlossen, erklärte Unilever die Unterstützung der Eltern zur obersten Priorität. Christina Ullmann, 43, Mitarbeiterin im Marketing, hat das den Alltag sehr erleichtert

Eine Stunde ungestört im Home­office arbeiten? Für Menschen ohne Kinder ist das vermutlich nichts Besonderes. Für meinen Mann und mich war es während des Corona-Lockdowns aber alles andere als selbstverständlich. Dabei waren unsere Tochter, fünf, und unser Sohn, neun, wirklich sehr verständig und haben sich zurückgenommen, wenn wir wichtige Calls hatten oder schnell etwas fertig machen mussten. Trotzdem fand ich es großartig, dass mein Arbeitgeber schon wenige Tage nach Beginn der Schul- und Kitaschließungen eine virtuelle Kinderbetreuung organisiert hat: Über eine Liste konnte man sich jeden Tag ein einstündiges Zeitfenster sichern. Zwei Studentinnen haben dann über Skype mit den Kindern gespielt. Was für eine praktische Idee!

Sie war typisch für die Art, wie Unilever uns Eltern während des Lockdowns unterstützte. Unser oberster Chef, Peter Dekkers, wurde nicht müde, auf unseren wöchentlichen digitalen "Get-togethers" zu betonen, dass unsere Gesundheit und die Gesundheit unserer Familien das absolut Wichtigste seien. "Familiy Firs"“ lautete das Motto – und es wurde tatsächlich von allen gelebt. Telefonkonferenzen mit Kindern auf dem Schoß oder Unterbrechungen jeder Art waren plötzlich total selbstverständlich. Zusätzlich wurde die Arbeit komplett flexibilisiert.

Schon vor Corona war Unilever bei diesem Thema fortschrittlich. Ich arbeite zum Beispiel im Jobshare, teile mir also mit einer Kollegin den Job. Vier Tage pro Woche bin ich jeweils fünf Stunden im Einsatz. Da mein Sohn und ich während des Lockdowns aber am liebsten gleichzeitig am Schreibtisch saßen, und ich ihm beim Lernen Kontinuität geben wollte, war meine Chefin einverstanden, dass ich ab sofort an fünf Tagen jeweils vier Stunden arbeiten würde. Ich konnte meine Arbeitszeit sogar auf den Nachmittag schieben.

Das half mir sehr, denn meine Familie und ich waren zur Zeit des Lockdowns gar nicht in Deutschland: Mein Mann hatte Mitte März eine Geschäftsreise nach Chile geplant. Als klar wurde, dass die Schulen geschlossen werden, und wir bei Unilever ins Homeoffice gehen, entschieden wir spontan, gemeinsam als Familie zu fliegen. So konnten wir eine unnötig lange Trennung vermeiden und uns vor allem gemeinsam um die Kinder kümmern.

Im Nachhinein haben mich viele Freunde gefragt, ob ich damals keine Angst hatte, vom Ausland aus nicht arbeiten zu können und womöglich unbezahlten Urlaub nehmen zu müssen. Doch diese Sorge hatte ich nie. Zumal Unilever allen Beschäftigten sogar an­geboten hatte, ihre Arbeitszeit für die Dauer der Schulschließungen ohne Lohnverlust zu reduzieren. Mir ging es da aber wie den meisten anderen auch: Die komplette Flexibilisierung der Arbeitszeiten hat uns schon so geholfen, dass wir bei unserer normalen Stundenzahl bleiben konnten.

Inzwischen bin ich mit meiner Familie wieder zu Hause in Hamburg, und mein Arbeitsalltag hat sich normalisiert. Im Homeoffice arbeiten wir alle trotzdem noch. Vermutlich werden wir das zum Teil auch in Zukunft beibehalten. Gerade wenn man Kinder hat, bietet das schon Vorteile – zumindest wenn Schule und Kitas geöffnet sind. Die Geschäftsführung hat schon jetzt signalisiert: kein Problem!

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BRIGITTE 21/2020

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