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Job Unbewusste Glaubenssätze, die Frauen die Karriere kosten

Coaching-Interview: Blaue Zielscheiben mit Pfeilen
© Olivier Le Moal / Adobe Stock
Wenn es im Job nicht recht vorangeht, liegt das oft an falschen Glaubenssätzen, die uns blockieren. Die Coachinnen Dorothea Assig und Dorothee Echter erklären, wie wir solche Karrieremythen erkennen und uns davon befreien.

Brigitte: Der Titel Ihres Buches bringt auf den Punkt, was sich vermutlich viele, im Job hoch engagierte Mitarbeitende von ihren Vorgesetzten erhoffen: "Eines Tages werden sie sehen, wie gut ich bin!"

Dorothea Assig: Und dann sind sie enttäuscht, wenn das Lob, die Beförderung oder die Gehaltserhöhung trotzdem ausbleiben.

Genau. Aber steckt in dieser Vorstellung nicht auch etwas Wahres, sprich: Müssten Leistung und Karriere nicht eigentlich miteinander einhergehen?

Nicht unbedingt. Denn es ist heute zum einen viel schwieriger als früher, eine gute Leistung überhaupt als solche zu erkennen. Viele Projekte sind sehr komplex, sehen aber im Ergebnis leicht aus. Das Lob der Vorgesetzten fällt dann schon mal weg, weil sie die Leistung gar nicht erkennen. Und selbst wenn: Wer Karriere machen möchte, muss nicht nur gute Leistung abliefern, sondern bei den Vorgesetzten und Kolleg:innen auch Wohlwollen auslösen.

Wie kriege ich das hin?

Dorothee Echter: Es ist wichtig, denen, mit denen man arbeitet, gute Motive zu unterstellen – auch wenn sie die gleichen Ziele wie man selbst auf eine andere Weise erreichen wollen. Wer Karriere machen möchte, sollte jedem Gegenüber, Chefinnen wie Kollegen, diese Wertschätzung entgegenbringen, sei es durch ein ernst gemeintes Kompliment, eine Dankeskarte oder indem ich Menschen einander vorstelle, die sich kennen sollten.

Und wie lenkt man die Aufmerksamkeit dann auf die eigenen Erfolge?

Assig: Sie müssen von einem selbst richtig decodiert werden. Das heißt: Nicht im Klein-Klein verheddern und chronologisch aufzählen, welche Schritte zum Erfolg geführt haben. Man sollte die eigene Kompetenz in diesem Prozess erkennen und benennen. Das kann zum Beispiel der lange Atem sein, den jemand bewiesen hat, bevor es zum Vertragsabschluss kam.

Echter: Viele sind fachlich sehr gut. Geht es darum, wer von ihnen Karriere macht, sind jedoch Dinge entscheidend, die über die fachliche Ebene hinausgehen. Dabei stechen die hervor, denen es gelingt, die eigene Arbeit als herausragend wahrzunehmen und das auch zu formulieren.

Sie raten in diesem Zusammenhang auch, sich "negatives Reden" gegenüber Vorgesetzten zu verkneifen. Das hat mich irritiert. Eigentlich geht der Trend doch in Richtung einer offenen Kommunikation – auch gegenüber Chef oder Chefin …

Assig: Uns sollte bewusst sein: Selbst kleine Irritationen entscheiden über Karrieren. Wenn zwei Mitarbeitende beide gute Arbeit leisten, wird die Führungskraft nicht diejenige befördern, die in der Teeküche gern über andere, einschließlich der Führungskraft, herzieht. Wenn Enttäuschung rausmuss, dann im privaten Rahmen …

Echter: Es ist doch so: Chef:innen wollen wirklich Kritik hören, sie lügen nicht, wenn sie das sagen. Aber ihr Unterbewusstsein funktioniert anders. Wenn das nächste spannende Projekt zu vergeben ist und dafür zwei oder drei Menschen zur Auswahl stehen, geben sie es nicht der Person, die kürzlich andere Vorstellungen von etwas hatte als sie selbst. Wir beobachten nun seit Jahrzehnten die Feedbackkultur in Unternehmen und psychologische Forschung zum Thema Lob und Kritik. Und das Ergebnis ist: Kritik von anderen wirkt auf verheerende Weise in der kritisierten Person nach. Teilweise können wir uns noch Jahrzehnte später daran erinnern.

Aber hat ständiges Loben nach oben nicht ebenfalls einen verheerenden Effekt? Wie sollen sich Prozesse verbessern, wenn es nicht möglich ist, Kritik zu üben?

Unterschiedliche Meinungen sind ja trotzdem möglich. Doch es ist wirksamer zu betonen, was die eigenen Ansätze und Wünsche sind, anstatt dem Gegenüber zu sagen, warum er oder sie gerade Quatsch erzählt. Wenn man angegriffen wird, sollte man Verständnis für den Standpunkt des anderen äußern, betonen, wie wertvoll es ist, unterschiedliche Perspektiven zu diskutieren – und dann wieder den eigenen Standpunkt einbringen. Es kommt auf den Ton an.

Ein weiterer Karrieremythos, den Sie sich in Ihrem Buch vorknöpfen, lautet: "Karriereplanung ist Sache des Unternehmens". Was ist an dieser Vorstellung denn falsch?

Assig: Ein Unternehmen möchte, dass gute Arbeit geleistet wird. Und wenn die Leistung stimmt, dann denkt sich der oder die Vorgesetzte: "Bravo, hier bleibst du!" Wer weiterkommen will, muss seine Karriereplanung selbst in die Hand nehmen. Zum Beispiel wäre es gut, sich öfter mit Menschen außerhalb des Unternehmens zu treffen.

Ah, gezieltes Networking! Vor dem sich viele aber nach wie vor scheuen …

Ohne Grund, wie ich finde. Man steht ja nicht gleich beim Sektempfang des Bundespräsidenten. Es geht eher darum, mit einflussreichen Menschen, die einem sympathisch sind, regelmäßig in Kontakt zu bleiben und mit ihnen Dinge zu tun, die man gerne macht. Wer Kinder hat, lädt zum gemeinsamen Grillen ein, wer gerne Fußball spielt, trifft sich dazu mit anderen im Park. Ganz unscheinbare Aktivitäten also, hinter denen aber eine langfristige Strategie steckt: Meine Ambition, Karriere machen zu wollen, soll raus in die Welt!

Dazu passt der Begriff der Serendipität, den Sie in Ihrem Buch feiern. Was versteht man darunter?

Echter: Im Prinzip beschreibt er das Gegenteil eines weiteren Karrieremythos: "Karriere ist Glückssache." Denn natürlich führen Gelegenheiten und Chancen nicht von allein zum Erfolg. Man muss sie auch erkennen und wahrnehmen. Serendipität steht für diese aufgeschlossene Grundhaltung. Entscheide ich mich, zu einem Empfang zu gehen, treffe ich dort womöglich auf eine neue Kundin, der ich von meinem Projekt erzählen kann. Habe ich geübt, über mich selbst und meine Fähigkeiten zu sprechen, wird sich das irgendwann auszahlen, wenn ich neben einem Entscheidungsträger sitze und mit ihm ins Gespräch komme.

Welcher Karrieremythos ist eigentlich am weitesten verbreitet?

Assig: Das kann man so nicht verallgemeinern. Diese Glaubenssätze sind raffiniert und schwer zu erkennen. Sie blockieren subtil Karriereambitionen, fordern zu noch mehr Arbeitsanstrengung auf und nicht zu Karrierestrategien. Jeder Mensch sucht sich dabei den Mythos aus, der zu ihm passt. Wer Karriere machen will, wird dabei auch oft von eigenen Ängsten und Ambivalenzen begleitet – und klammert sich in der eigenen Unsicherheit an solche Sätze.

Gibt es einen Karrieremythos, dem Sie selbst schon aufgesessen sind?

Echter: Oh ja! Zu Beginn meiner Karriere habe ich auch gedacht, Leistung sei entscheidend. Dann wurde mir gleich zweimal jemand als Chef vor die Nase gesetzt, der weniger konnte – dachte ich zumindest. Geholfen hat mir, dass ich unbedingt weiterkommen wollte, und einen erfahrenen Coach gefragt habe.

Weg mit den Mythen! Dorothea Assig und Dorothee Echter beraten seit vielen Jahren Top-Managerinnen und Spitzenpolitiker und führen sie durch heikle Situationen. In ihrem Buch "Eines Tages werden sie sehen, wie gut ich bin!" (224 S., 20 Euro, Ariston) stellen sie typische Karrieremythen auf den Prüfstand, die sich ums berufliche Vorankommen ranken, und erklären, wie man sich davon löst.

Brigitte
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