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Carolin Kebekus "Wir kultivieren die falschen Feindbilder"

Carolin Kebekus: Carolin Kebekus im grünen Glitzer-Outfit auf der Bühne
© Michael Gottschalk / Getty Images
Konkurrenz im Beruf? Empfinden Frauen vor allem gegenüber anderen Frauen, sagt Carolin Kebekus. Weil es ihnen von klein auf eingeredet wurde. Schluss damit!

BRIGITTE: Frau Kebekus, Sie haben ein Buch geschrieben, es geht um Frauen und ihren Platz in Job und Gesellschaft.

Carolin Kebekus: Ja, genau. Das ist das zentrale Thema.

Aber nun trägt es den Titel: "Es kann nur eine geben". Wie sollen wir das bitte verstehen?

Traditionell haben wir den Eindruck, als gäbe es nur einen begrenzten Platz für Frauen. Dadurch gibt es in einigen Bereichen immer nur eine Frau. Das reicht dann anscheinend.

Da hätten wir jetzt gern ein Beispiel.

Dann nehmen wir doch mein eigenes. Also: meinen Einstieg in den Job einer Comedy-Frau auf einer Bühne.

Wie war der?

Als ich vor über 20 Jahren angefangen habe, mich bei Stand-up-Shows zu bewerben, in Kneipen, in kleinen Theatern, bin ich schnell auf die Ein-Frau-Barriere gestoßen.

Die was?

Wenn ich damals bei Veranstaltern von Mixed-Shows angerufen habe, hieß es immer, wir haben zwar noch drei von sechs Slots zu besetzen, haben aber leider schon eine Frau. Da ist dann Platz für den lustigen Dicken, den lauten Proll, den Musikclown … Und für die Quote eben eine Frau.

Und deren Rolle war?

Das gesamte Spektrum weiblicher Attribute abzubilden – von Handtaschenkaufsucht bis zu Beziehungsproblemen und Mutterschaft.

Haben Sie sich dagegen gewehrt?

Nee, weil: war halt so. Ich habe diese Berufswelt in ihren Strukturen damals brav akzeptiert und ein Stück weiter die Straße hinuntergetragen.

Das heißt, wenn ein Veranstalter, eine Veranstalterin gesagt hat: Sorry, Caro, wir haben schon eine Frau …

… habe ich gesagt: Mensch, schade, na, kann man nix machen. Ich habe nicht gesagt: Äh, Leute, ihr habt da noch drei Plätze frei. Ich habe nicht gesagt: Diese Frau ist doch ganz anders als ich. Das alles dämmerte mir erst später.

Zumal Sie von diesem System ja auch eine Weile gut gelebt haben.

Absolut. Ich kam schnell in diverse Fernsehformate, denn eine Frau brauchte man ja irgendwie. Dadurch, dass es aber immer nur Platz für eine einzige gab, hat man natürlich keine weitere Frau in die Shows eingeladen, denn es gab ja mich.

Sie waren plötzlich "die eine".

Genau. Seltsamerweise hat das zu der Zeit sowieso in mein Bild von mir selbst gepasst. Ich war damals oft die einzige unter Männern, fand Frauen oft schwierig und habe mich eher an Männern orientiert. Damit habe ich dann selbst die Ein-Frau-Barriere mit gestützt.

Bewusst?

Nein, die war ja vom Patriarchat geprägt und ich wurde sozusagen Nutznießerin des Systems. Und die Veranstalter und später die Fernsehmacher konnten super auf mich verweisen und sagen: Was wollt ihr, Leute, wir haben doch die Kebekus, die ist doch lustig! Win-win für mich und die bestehenden Verhältnisse.

Hätten Sie denn andere überhaupt ausgehalten neben sich?

Es gab tatsächlich eine Zeit, da bin ich immer sehr hellhörig geworden, wenn jemand sagte: Ey, ich habe da gestern beim Casting diese superlustige Frau gesehen. Da war sofort ein Konkurrenzgedanke.

Aber Sie waren doch gut im Geschäft.

Diese Angst ist ja auch total unbegründet und hat sich nie erfüllt. Talentierte Frauen haben mein Leben immer nur bereichert. Aber erst mal hat man Angst, ersetzt zu werden.

Was sagt Ihnen das?

Dass das gesellschaftliche Auge keinen Platz für Vielfalt hat, wenn es um Frauen geht. Dass wir die falschen Feindbilder kultivieren. Wir Frauen scheuen den Konkurrenzkampf mit Männern, weil wir meist eine Unterlegenheit unsererseits ihnen gegenüber vorwegnehmen. Stattdessen bekriegen wir uns untereinander, und das dann aber mit einem "männlichen Blick", den wir übernommen haben. Zum Beispiel das Aussehen. So bescheuert: Wieso interessiert mich, ob diese neue lustige Frau gut aussieht?

Aber irgendwann haben Sie doch beschlossen, das System nicht mehr mitzutragen.

Dieses Gefühl, dieses Konkurrenzding mit diesen anderen, das ging mir selbst unfassbar auf die Nerven. Es kollidierte außerdem mit meinem Selbstbild. Ich habe dann anzufangen zu recherchieren, ich wollte mir selbst erklären, woher eigentlich dieses Gefühl der Bedrohung kommt.

Haben Sie etwas gefunden?

Wenig, das einen differenzierten Erkläransatz bieten würde. Aber sehr viel Literatur und Filme und Musik, die genau dieses Drohszenario aufbauen: Da ist diese Frau, und die will dir etwas wegnehmen, Freundin, Job, Mann, egal. Das ist ein Muster. Und das geht schon zu Hause los. Ich habe von so vielen Frauen gehört, deren Mütter ihnen eingeimpft haben: Pass bloß auf andere Frauen auf. Es ist verrückt, und es ist Quatsch.

Warum?

Weil wir von Frauen an unserer Seite nur profitieren können.

Auch von der hübschen, lustigen?

Von der besonders. Mit der arbeite ich seit Jahren super gut und super gern zusammen, und mit anderen inzwischen auch, denn natürlich ist die Wahrheit, dass es mehr als nur eine geben kann. Aber diese Erkenntnis liegt meist noch verschüttet in den Frauen.

Wie kommen Sie darauf?

Wenn ich in meinem Programm über dieses Thema spreche, dann merke ich beim weiblichen Teil meines Publikums: Die fühlen sich ertappt. Privat können wir die besten Freundinnen sein, aber wenn es um den Beruf geht, werden die Krallen ausgefahren. Wohlgemerkt nur untereinander, nicht gegenüber den Männern. Und es hat dann in den Shows fast etwas Befreiendes, wenn die Frauen feststellen: Stimmt, so ist es auch bei mir. Und es ist eigentlich komplett bescheuert.

Und wie ändern wir das nun?

Indem wir umdenken. Und Dinge ändern, die als allgemeine Weisheiten gesetzt sind.

Zum Beispiel?

Die Marktforschung hat mal irgendwann herauszufinden geglaubt, dass Showstars im Fernsehen dann am glaubwürdigsten sind, wenn es sich um Männer über 50 handelt. Nur denen traut man die Kompetenz und Souveränität zu, dass sie Weltstars auf dem roten Sofa gewachsen sind. Klingt irre, aber das ist wirklich der aktuelle Forschungsstand. Man spricht dabei vom "Male Gaze", dem männlichen Blick auf die Welt. Egal, ob es um männliche Kompetenz oder weibliches Aussehen geht: Auch der Frauenblick auf die Welt ist ein männlicher, mit all den anhängigen Bewertungsmaßstäben.

Was machen wir nun damit?

Wir lernen im besten Fall von den Leuten, die nachwachsen. Da gibt es nämlich 16-jährige Feministinnen, die haben schon jetzt einen ganz anderen Blick auf die Welt. Diese Unterschiede zwischen Männern und Frauen, diese Rollenbilder, die gibt es für die gar nicht mehr. Und so soll’s doch sein, oder?

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22/ 2021 Brigitte

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