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BRIGITTE Modern Work Studie 2024 So macht Arbeiten Spaß

BRIGITTE Modern Work Studie 2024: Frau steht lächelnd mit Unterlagen in der Hand in Büro
© Drazen / Adobe Stock
60-Stunden-Woche? Büropflicht? Männerclubs? Kennen wir schon. Brauchen wir nicht mehr. Für die BRIGITTE Modern Work Studie haben wir untersucht, wie Arbeit lebensnaher und menschenfreundlicher wird. Und welche Unternehmen das schon jetzt umsetzen.

Es war im Sommer 2017, mitten in den Alpen, als Henny Wagner-Schmitt erstmals klar wurde, wie ungewöhnlich ihr Jobmodell ist. Sie wanderte von München zum Gardasee – 33 Tage zwischen Kühen und Almhütten – und hörte von anderen Wandernden immer wieder dieselbe Frage: "Ja, hast du denn so viel Urlaub?" "Na, klar", sagte Wagner-Schmitt dann stets. "Bei uns in der Firma kann man so lange freimachen, wie man mag. Hauptsache, das Ergebnis der Arbeit stimmt." Sie grinst: "Das konnten die gar nicht glauben ..."

Beweisen, dass es anders geht

Inzwischen ist die sogenannte "Open-Vacation-Policy", die Wagner- Schmitts Arbeitgeber, die Leipziger TAS AG, seit 2015 praktiziert, nicht mehr ganz so exotisch. Doch Standard ist sie noch lange nicht – und Henny Wagner-Schmitt entsprechend begeistert, wenn sie davon erzählt. Lange Reisen, sagt sie, seien nun mal ihr Ding. "Und wenn so was in Absprache mit den Kollegen trotz Vollzeitjob möglich ist, finde ich das einfach toll."

Die 59-Jährige sitzt im dottergelb gestrichenen Meetingraum der TAS, seit 2009 arbeitet sie bei dem familiengeführten Mittelständler, inzwischen als Leiterin Operations. Den Gang davor ziert ein Gemälde im Comic-Stil. In der Etage darüber sirrt an diesem Nachmittag die Luft von Stimmen: Rund 200 Service- Mitarbeitende beraten auf mehreren Callcenter-Flächen Kund:innen der Deutschen Bank bei der Kontoeröffnung oder erledigen für die Postbank den E-Mail-Verkehr. Als Kundenservice-Dienstleisterin übernimmt die TAS diese Aufgaben für Firmen in ganz Deutschland.

Es ist eine Branche mit steigendem Personalbedarf, aber miesem Ruf: Wer im Callcenter arbeitet, so das Klischee, verdient schlecht und hat trotzdem ständig Stress. "Wir wollen beweisen, dass es anders geht", sagt Wagner-Schmitt. Den bundesweit 500 Mitarbeitenden, die Hälfte davon Frauen, zahlt die TAS daher nicht nur mehr als den branchenüblichen Mindestlohn und diverse Zuschüsse, etwa zur Kinderbetreuung. Man versucht auch, möglichst gut auf die Lebenssituation der Beschäftigten einzugehen. So werden die Schichten der Kundenbetreuer:innen mit Kitazeiten oder Pflegebedürfnissen von Angehörigen abgestimmt, selbst 100 Prozent Homeoffice ist möglich. Und Führungskräfte wie Wagner-Schmitt dürfen sich ihre Arbeitszeit völlig frei einteilen.

Online-Spieleabende, Firmenfeiern, Sport- und Kunstkurse sollen die Teams zudem fest zusammenschweißen. "Wer bei uns arbeitet, soll ein Netzwerk haben, in das er sich jederzeit fallen lassen kann", sagt Wagner-Schmitts Kollegin Saskia Henning. Als ehemalige Kundenbetreuerin weiß die 27-Jährige, wie anstrengend so ein Job sein kann. Inzwischen ist sie zur Teamleiterin aufgestiegen, auf TAS-Kosten hat sie sich zur Mental-Health-Ersthelferin ausbilden lassen: "Jetzt weiß ich besser, wie ich reagieren kann, wenn es jemandem im Team mal nicht so gut geht."

146 Unternehmen wurden ausgezeichnet

Freiheit und Fürsorge – wer auf dem leer gefegten Arbeitsmarkt derzeit gute Leute finden will, sollte zumindest in diesen beiden Bereichen viel bieten. Gerade für Frauen seien "flexible Arbeitszeiten, Homeoffice und Engagement für mentale Gesundheit unverhandelbar", sagt Petra von Strombeck, CEO der New Work SE, die dazu regelmäßig Studien veröffentlicht. Und die TAS ist das beste Beispiel dafür, dass gerade kleine und mittlere Firmen hier punkten können. Weil der Draht zwischen Belegschaft und Führung oft direkter ist als in Konzernen – und der Druck stärker, sich als Arbeitgeber gegenüber den Großen zu profilieren. Zusammen mit zehn anderen Unternehmen hat es die TAS daher dieses Jahr in die 5-Sterne-Gruppe der BRIGITTE-Arbeitgeberstudie geschafft. 135 weitere Firmen wurden jeweils mit vier Sternen ausgezeichnet. "Modern Work" lautete unser Studienmotto diesmal, was heißt: Mit der Personalmarketingagentur Embrace und unserem Expertinnenbeirat haben wir nicht nur die Aufstiegschancen von Frauen und die Maßnahmen für Flexibilität und Vereinbarkeit untersucht, sondern auch geprüft, wie sehr sich die Firmen um Nachhaltigkeit oder Mitbestimmung bemühen und wie offen man ist für neue Ideen wie Viertagewoche, agile Arbeitstechniken oder Jobrotationen.

Das ist möglich, wenn Firmen Veränderung wirklich wollen

Repräsentativ sind unsere Ergebnisse nicht, die Teilnahme an der Studie war freiwillig. Doch sie zeigen, was alles möglich ist, wenn Unternehmen Veränderung wirklich wollen:
• Sokönnen in fast jeder sechsten befragten Firma die Beschäftigten komplett selbst bestimmen, wo sie arbeiten, ähnlich häufig dürfen sie vollkommen frei entscheiden, wann sie arbeiten.
Jobsharing wird in jeder dritten Firma praktiziert, meist bis in die oberste Führungsebene.
• Rund jeder vierte Studienteilnehmende hat eine Betriebskita eingerichtet, ähnliche viele haben Plätze in externen Kitas reserviert.
• Vier Prozent haben eine mindestens einwöchige bezahlte Freistellung nach der Geburt für Väter oder gleichgeschlechtliche Partner:innen eingeführt; 18 Prozent stellen ihre Mitarbeitenden für die Pflege von Angehörigen länger als zehn Tage bezahlt frei.
• Ebenfalls auffällig: die Offenheit für neue Ideen. Mehr als die Hälfte der befragten Firmen bietet zumindest in einigen Bereichen Jobrotationen an. Jede zehnte testet in manchen Bereichen die Viertagewoche oder hat sie schon eingeführt. Vier Prozent lassen die Führungskräfte von den Mitarbeitenden wählen.

Zum Beispiel das Hamburger Fintech Tomorrow, das sich auf nachhaltiges Banking spezialisiert hat. Die 84 Beschäftigten arbeiten rollenbasiert, sprich: Statt die Aufgaben auf starre Positionen zu verteilen, kann jede:r bestimmte Rollen einnehmen und bei Bedarf weitergeben oder anpassen.Das sorgt nicht nur für Flexibilität, sondern kann auch Talenten Auftrieb geben, die in konventionellen Unternehmen gern mal durchs Raster fallen. Silke Lucas etwa, dreifache Mutter mit Teilzeit-Vertrag, ist hier seit drei Jahren Operational Lead – weil ihr Team sie genau dorthin wählte. Die Gruppe hatte zuvor Fähigkeiten festgelegt, die eine Leitung mitbringen sollte, dann wurde abgestimmt, wer am besten zum Profil passt. "Mir gab das so viel Rückenwind", sagt die 43-Jährige. "Ich hatte erst gezögert, ob ich mir das zutraue, es war im Lockdown, die Kinder hatten Homeschooling ... Doch so war klar: Das Team glaubt, ich schaffe das. Also schaffe ich das."

Freitags = Frei-Tag

Am anderen Ende von Deutschland, in der Brauerei Clemens Härle im schwäbischen Leutkirch, hat man wiederum sehr gute Erfahrungen mit der Viertagewoche gemacht. Schon 2014 wurde hier gemeinsam beschlossen: Freitags haben die Fahrer frei. Dafür arbeiten sie in der restlichen Woche auch mal zehn Stunden pro Tag, um das Wochensoll von 38,5 Stunden zu erfüllen. Und auch sonst ist der Traditionsbetrieb gern vorn dabei: 2009 war man als erste Brauerei Deutschlands klimaneutral. 2016 holte der kinderlose Brauereierbe und damalige alleinige Geschäftsführer Gottfried Härle dann die 27-jährige Esther Straub als Co-Chefin an seine Seite, seither leiten sie die Firma als Tandem – ein Novum unter Familienbetrieben, wo es selbst die Töchter der Firmeninhaber als Nachfolgerinnen oft schwer haben.

Straub findet es deshalb schade, dass sich die Debatte um eine moderne Arbeitswelt oft auf klassische Bürojobs konzentriert: "Klar, Homeoffice können wir nicht bieten. Dafür aber Sinnhaftigkeit und extra viel Wertschätzung für unsere Mitarbeitenden. Es gibt so viele Möglichkeiten, auch im Handwerk und in der Industrie moderne Arbeitskultur zu leben."

Beispiele wie diese machen Mut. "Es gibt aber leider einen Bereich, in dem sich die meisten Studienteilnehmenden als wenig fortschrittlich erweisen", sagt Studienleiterin Ana Fernandez-Mühl von Embrace, "beim Frauenanteil in Führungspositionen." Nur 24 Prozent Frauen haben die befragten Firmen im Schnitt auf der ersten Führungsebene, 36 auf der zweiten.

Frauenanteil im Vorstand fast verdreifacht

Dass es auch anders geht, zeigt die Allianz in Deutschland: Hier konnte man den Frauenanteil auf Vorstandsebene seit 2016 im Schnitt auf 31 Prozent fast verdreifachen. Für die Branche ist das beachtlich, die Durchschnittsquote in den Vorständen von Finanz- oder Versicherungsfirmen lag 2023 laut Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung nur bei 16 Prozent.

So haben wir die Umfrage gemacht

Um die besten "Modern Work Unternehmen" zu ermitteln, hat BRIGITTE mit der Personalmarketingagentur Embrace und einem Expertinnenbeirat Ende 2023 die HR-Abteilungen und Geschäftsführungen von Firmen in ganz Deutschland aufgerufen, einen Online-Fragenbogen auszufüllen. Abgefragt wurden Maßnahmen zu fünf Bereichen, die wir bei dem Thema als wichtig erachten: Vereinbarkeit & Flexibilität, Gleichstellung & Diversität, Empowerment, Unternehmenskultur und -struktur sowie Karriereförderung. In jedem Bereich waren ein bis fünf Punkte erreichbar. Die Gesamtwertung (Sterne) ist der aufgerundete Durch- schnittswert dieser Fünf-Punkte-Ergebnisse. 204 Firmen füllten den Fragebogen aus. 146 erzielten Bestwertungen von vier oder fünf Sternen.

Das Rezept? Ein Mix aus bekannten Maßnahmen – doch gepaart mit dem Willen, sie wirklich durchzusetzen. So ist Frauenförderung auf Vorstandsebene in den Zielvereinbarungen verankert. Ab mittlerem Management muss mindestens eine Frau im Bewerbungspool sein, sonst wird extern ausgeschrieben. Und es wird Wert gelegt auf Flexibilität: Nur an vier Tagen pro Monat herrscht Präsenzpflicht bei der Allianz in Deutschland. Dass sich Eltern zur Kinderbetreuung zeitweise aus- klinken können, ist selbstverständlich.

Gerade diese Zeitsouveränität helfe ihr sehr, ihren Führungsjob mit dem Familienleben zu vereinbaren, sagt Jessica Weber. Die 40-Jährige ist seit 2022 Head of Sponsoring, zudem Mutter von zwei Töchtern, drei und acht. "Ich habe hier immer das Gefühl, dass man mir vertraut, auch wenn ich wegen der Kinder mal zwei Stunden nicht erreichbar bin. Dazu kommt: In meinem bisherigen und aktuellen Arbeitsumfeld wurde mir stets das Gefühl gegeben, dass man Frauenförderung und die Vereinbarkeit von Karriere und Familie ernst nimmt."

Auf jeder Karrierestufe sei sie in Mentoringprogrammen gefördert worden. Außerdem habe sie viel von den Kontakten ihres Netzwerks sowie von denen des Firmennetzwerks women@allianz profitiert. Aktuell nimmt Weber an einem weiteren Führungskräfteprogramm teil, das sie auf die nächsten Schritte vorbereiten soll. Ein Aufstieg in die höchste Ebene? Sie lächelt: "Warum nicht?"

Hier findet ihr die Ergebnisse der BRIGITTE Modern Work Studie 2024.

Brigitte

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