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Versicherungslücke Welchen Schutz du wirklich brauchst

Versicherungslücke: Rettungsring auf dem Wasser
© Azer Merz / Shutterstock
Wir Frauen gehen angeblich nicht gern Risiken ein. Tun wir aber doch: bei Versicherungen. Oft sind wir nämlich nicht ausreichend geschützt. Was helfen würde: wenn wir einfach erst mal an uns selbst denken.

Sie war 31 und ihre Kinder drei und sechs Jahre alt, als ihr Mann tödlich verunglückte. "Ohne private Risikoabsicherung wäre der Tod meines Mannes auch finanziell eine Katastrophe gewesen", sagt Ines Freiboth. Das Haus war neu finanziert, und die Hypothek hätte sie aus eigenen Mitteln auch gar nicht stemmen können. Auch Unterstützung für die Kinder gab es aus staatlichen Quellen nicht. "Sie hatten nicht einmal Anspruch auf Halbwaisenrente, weil mein Mann noch nicht die erforderlichen fünf Jahre in die Rentenversicherung eingezahlt hatte."

Aus der eigenen Erfahrung gelernt

Freiboth hatte das Glück, dass sowohl ihre Eltern als auch ihr verstorbener Mann vom Versicherungsfach waren – sie hatten das finanzielle Risiko abgesichert. Seitdem hat sie das Thema nicht mehr losgelassen. 2007 begann sie bei der Allianz, 2014 hat sie sich mit einer Versicherungsagentur selbstständig gemacht und inzwischen eine zweite aufgebaut. Und macht da immer wieder dieselbe Erfahrung: "Frauen sind weniger risikobereit als Männer, gleichzeitig investieren sie aber weniger in den Risikoschutz."

Laut Statistischem Bundesamt gaben allein lebende Frauen im Jahr 2018 im Schnitt gut 77 Euro pro Monat für Versicherungen aus – und damit rund 15 Prozent weniger als allein lebende Männer. Bei Frauen, die in Beziehungen leben, ist dieser Vergleich schwieriger, da häufig gemeinsame Versicherungen abgeschlossen werden.

Sind Frauen einfach schlauer, weil sie sich keine unnötigen Policen aufschwatzen lassen? Oder gibt es neben dem Gender Pay Gap auch einen Gender Insurance Gap – also eine geschlechtsspezifische Versicherungslücke, die den Frauen am Ende finanzielle Nachteile bringt? Der Verdacht liegt nahe.

Frauen unterschätzen Risiken

"Vor allem bei elementaren Risiken sind Frauen häufig unterversichert", sagt Elke Weidenbach, Versicherungsexpertin der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen. Dazu gehört beispielsweise die Berufsunfähigkeit (BU). 73 Prozent der Frauen schätzen dieses Risiko als eher gering oder sehr gering ein, so eine aktuelle Studie der Cosmos Direkt. Doch Rücken-, Nerven- oder Herzkreislauferkrankungen, Unfälle, Krebs und zunehmend die Psyche sorgen bei jeder/jedem Vierten lange vor Renteneintritt vorübergehend oder sogar endgültig für ein berufliches Aus. Bei Frauen sind psychische Erkrankungen der häufigste Grund.

Die finanziellen Einbußen können in die Millionen gehen: Je früher die Berufsunfähigkeit einsetzt und je höher das Ein-kommen ist, desto größer der Schaden. "Die Arbeitskraft ist unser wichtigstes Kapital", sagt Renate Fritz, Geschäftsführerin und Mitinhaberin der Finanzberatung "frau & geld". Die wenigsten sichern sich gegen dieses Risiko ab. Laut einer Umfrage des digitalen Versicherungsanbieters Clark hatte im vergangenen Jahr nur jede achte Frau (zwölf Prozent) eine BU-Versicherung. Bei den Männern waren es immerhin 17 Prozent.

Der Abschluss einer Versicherung ist eine Sache; die andere, in welcher Höhe die Einkommenseinbußen abgesichert werden. "Frauen neigen dazu, ihren Finanzbedarf zu unterschätzen", sagt Renate Fritz. Mindestens 70 Prozent des Nettoeinkommens, so ihre Empfehlung, sollte die BU-Rente betragen. Sie erlebt oft, dass Frauen in ihrer Beratung dann fragen, "ob nicht auch weniger geht und ob sie diese Absicherung überhaupt brauchen."

Die "Mini-BU"

Daten des Versicherungsanalysehauses Morgen & Morgen bestätigen das. Zwar wurden von den bestehenden BU-Verträgen immerhin 44 Prozent von Frauen abgeschlossen. Doch während knapp 14 Prozent der Männer eine Rente von 2001 Euro und höher versichert haben, sind es bei den Frauen nur sechs Prozent. Fast jede zweite Frau wird im Versicherungsfall gerade einmal 500 bis 1000 Euro pro Monat ausbezahlt bekommen. Für Berufseinsteigerinnen ist solch eine Schmal-Police eventuell sinnvoll, wenn später ohne Gesundheitsprüfung aufgestockt werden kann. Als Dauer-Absicherung jedoch taugt das nicht. "Da freut sich nur das Sozialamt", erklärt Anke Tislauk, Geschäftsstellenleiterin der HanseMerkur Krankenversicherung AG in Berlin: Denn mit einer solchen Mini-BU wird gerade einmal die eigene Grundsicherung finanziert, die sonst aus der Staatskasse käme.

Frauen ticken einfach ganz anders.

Woran liegt es, dass Frauen an elementarem Versicherungsschutz sparen? "Sie verdienen oft deutlich weniger und haben weniger Geld zur Verfügung", sagt Tislauk. Aber das ist nicht der einzige Grund, glaubt die Versicherungsfachfrau, die ihr Büro gemeinsam mit ihrer Tochter Viktoria betreibt. "Frauen ticken ganz einfach anders." Die Haltung "Ich zuerst" sei vor allem für Mütter keine Option. "Mütter sichern zuerst ihre Kinder ab und klammern den eigenen Risikoschutz oft erst einmal vollkommen aus." Doch wer spät beginnt, zahlt drauf. Die Prämien steigen mit jedem Lebensjahr, und die obligatorische Gesundheitsprüfung könnte zum Stolperstein werden, weil sich mit zunehmendem Alter das ein oder andere gesundheitliche Problem eingestellt hat. Das gilt auch für die Risikolebensversicherung (siehe rechts).

Je früher, desto besser: So ist es auch bei der Altersvorsorge. Doch der Fokus auf die Kinder höre bei Frauen nie auf: "Die Enkelkinder haben dann mit 18 ein Auto, aber Oma selbst hat im Alter nichts", sagt Viktoria Tislauk, 22, die ihre jüngeren Kundinnen sensibilisieren will. "Viele Frauen machen sich erst nach der Familienpause Gedanken, und dann ist es deutlich schwerer, eine private Absicherung aufzubauen."

Angst vor der Altersarmut

Mehr als jede dritte Frau rechnet damit, nur eine Rente von maximal 1000 Euro zu bekommen, so das Ergebnis der aktuellen BRIGITTE-Studie "Mein Leben, mein Job und ich". 60 Prozent gaben an, dass sie sich Sorgen um ihre Finanzen im Alter machen. Zwar legen genauso viele Frauen wie Männer Geld für das Alter zurück, aber sie investieren deutlich weniger. "Bei Rentenversicherungen haben Frauen Nachholbedarf", sagt Beraterin Renate Fritz. "Eine Flugbegleiterin, die heute in den Ruhestand geht, hat eventuell ausgesorgt. Aber wer gerade erst mit dem Job beginnt, wird im Alter ohne substanzielle Eigenvorsorge finanzielle Probleme haben, denn das Absicherungssystem ist erodiert."

Nachholbedarf gibt es auch bei der Risikolebensversicherung. "Viele Paare glauben, es reicht, wenn nur für den Hauptverdiener – meist der Mann – eine Versicherung abgeschlossen wird", sagt Verbraucherschützerin Weidenbach. Gegenseitige Absicherung macht aber durchaus Sinn, wenn beide zum Beispiel in eine Immobilie investiert haben und eine*r allein die Raten nicht abtragen könnte. Und: Mit einer Risikolebensversicherung ist auch der Nachwuchs abgesichert; stirbt ein Elternteil, muss beispielsweise auch Geld für die Kinderbetreuung da sein. Fast jeder zweite Haushalt mit Kindern hat eine entsprechende Police. Bei den Alleinerziehenden – zumeist Frauen – sind es dagegen gerade einmal rund 15 Prozent. Dabei wäre gerade für sie und ihre Kinder eine Absicherung besonders wichtig – und sie ist nicht einmal teuer.

Die eigene Gesundheit im Blick behalten

In manchen Bereichen allerdings haben Frauen den Männern in Sachen Vorsorge sogar was voraus. Zum Beispiel beim Thema Gesundheit: Gut zehn Millionen Frauen, die gesetzlich krankenversichert sind, haben sich mit einer Privatpolice einen zusätzlichen Schutz gesichert – und nur 7,65 Millionen Männer. Allein für Zahnzusatzversicherungen weist der Verband der Privaten Krankenversicherung (PKV) zwei Millionen Verträge mehr als bei Männern aus.

"Frauen mögen Versicherungen, deren Nutzen sie kalkulieren und die sie direkt in Anspruch nehmen können", sagt HanseMerkur-Beraterin Anke Tislauk. Für Kronen und Implantate, die fast jeder irgendwann braucht, werden schnell ein paar Tausend Euro fällig. Da lässt sich leicht ausrechnen, wann sich so eine Versicherung lohnt.

Für Rechtsschutzversicherungen dagegen geben Frauen weniger aus als Männer. Sie schließen seltener solch eine Police ab – aber sie sind auch in deutlich weniger Streitfälle verwickelt. "Frauen trauen sich vielleicht weniger, ihr Recht einzufordern", glaubt Maxine von Grumbkow vom digitalen Versicherungsanbieter Getsafe. Dabei verändere sich die Haltung, wenn man eine Rechtsschutzpolice im Rücken habe und keine hohen Kosten befürchten muss: "Wer abgesichert ist, kann sich bei Streitigkeiten kostenlos an die Anwaltshotline wenden und klagt sein Recht dann im Zweifel auch selbstbewusst ein."

Bei vielen Versicherungen – wie zum Beispiel Haftpflicht oder Hausrat – sind Frauen oft über ihre Partner mitversichert. Das kann durchaus sinnvoll sein, trotzdem sollten Frauen auch da den Überblick behalten.

Viele Frauen verlassen sich auf ihre Partner.

"Es ist nicht wichtig, wer eine Versicherung abschließt, sondern wie die Police ausgestaltet ist", sagt Verbraucherschützerin Elke Weidenbach.Und das gelte für alle Policen. "Viele Frauen verlassen sich auf ihre Partner", sagt die Verbraucherschützerin und berichtet von einem Ehepaar, bei dem die Frau ihren Mann gutgläubig alles machen ließ. "Der schloss dann eine Unfallversicherung für sie ab, trat aber selbst als Versicherungsnehmer und Berechtigter auf." Später trennte sich das Paar, die Frau erlitt einen Unfall und ist seitdem ein Schwerstpflegefall. "Das Geld aus der Police ging dann an den Ex", so die Verbraucherschützerin. "Die Frau erhielt keinen Cent, denn sie hatte vergessen, die Versicherung nach der Trennung anpassen zu lassen oder für einen eigenen Vertrag zu sorgen."

Nicht am falschen Ende sparen!

Für Familien und Alleinerziehende ist eine Risikolebensversicherung wichtig, solange die Kinder noch klein sind und wenn Schulden, etwa für eine Immobilie, abbezahlt werden müssen. Die Versicherung zahlt im Todesfall – und nur dann. Das macht sie auch vergleichsweise erschwinglich. Wenn die Laufzeit endet und nichts passiert ist, bleiben die Beiträge im großen "Risikotopf" für alle Versicherten.

Faustregel für die Höhe der Versicherungssumme: das Drei- bis Fünffache des Jahreseinkommens, oder die Höhe der Schulden plus eine Reserve. Je jünger man bei Abschluss ist, desto günstiger sind die Tarife, auch der Gesundheitszustand und der Beruf spielen eine Rolle (ebenso bei der BU).

Beispiel für eine Versicherungssumme über 200 000 Euro und eine Laufzeit von 20 Jahren: Eine 35-jährige Vertriebsleiterin, verheiratet, ein Kind, zahlt nach Berechnungen von Morgen & Morgen dafür ab ca. 108 Euro im Jahr.

Eine Berufsunfähigkeitsversicherung (BU) braucht jede Frau, die ihren Lebensunterhalt nicht anderweitig bestreiten könnte, falls Krankheit sie zum Jobausstieg zwingt. Sie zahlt, sobald Sie Ihren Beruf nur noch zu 50 Prozent oder weniger ausüben können.

Die monatliche BU-Rente sollte mindestens 70 Prozent Ihres Nettoeinkommens betragen. Je "gefährlicher" (also auch: körperlich belastender) Ihr Beruf ist, desto teurer wird leider die Police. Beispiel für eine BU-Rente von monatlich 1500 Euro: Laut Morgen & Morgen zahlt eine 45-jährige Bürokauffrau monatlich ab ca. 78 Euro, eine gleichaltrige Krankenschwester ab ca. 164 Euro.

Für alle Versicherungen gilt: Gute Beratung hilft sparen. Oft geht der Versicherungsschutz am Bedarf vorbei. Behalten Sie den Überblick: Auch bei gemeinsamen Policen sollten Sie Ihren konkreten Versicherungsschutz kennen. Vergleichen Sie! Bei Sachversicherungen kommen Sie mit neuen Verträgen oft günstiger weg. Und: Prüfen Sie Ihre Policen, wenn sich Ihre Lebenssituation ändert, und passen Sie die Versicherungen an.

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17. Juni 2021:
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15. Juli 2021:
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Wie können wir unser Geld "sauber" investieren, wie erkennt man ökologische Anlageprodukte?

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