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Start-Ups Verena Pausder kämpft für profitablen Frauenfußball

Verena Pausder: Verena Pausder
© Marijan Murat/dpa / Picture Alliance
Sie ist ein Star der deutschen Start-up-Szene – und Teamplayerin. Das passt zu ihrem neuesten Projekt: Verena Pausder will Frauenfußball profitabel machen.

Boah, ganz schön fies heute hier. Ein kalter Wind zieht in die Arena in Berlin-Lichterfelde, dann fängt es an zu schneien. Wird Zeit für Frühling, auch in der Fußballregionalliga Nordost der Frauen. "Wer heute kommt", sagt Verena Pausder und hüpft auf der Stelle, "beweist echtes Überzeugungstätertum".

Eine Frau, viele Facetten

Womit wir beim Thema wären. Und bei Verena Pausder. Deren Berufsbezeichnung ist, fragt man sie selbst: Unternehmerin. Andere sagen: Seriengründerin, Multi-Investorin, Digital-Lobbyistin. Fest steht: Pausder ist eine der umtriebigsten Frauen der deutschen Start-up-Szene. Schon vor zehn Jahren veranstaltete sie "Ladies Dinners" für Berliner Gründerinnen, rief Initiativen ins Leben, um Teenager fürs Gründen zu begeistern. Heute unterstützt sie als Business Angel im großem Stil junge Firmen, vorzugsweise weiblich geführte. Und immer hat man das Gefühl: Die macht das aus tiefster Überzeugung. 

Wie heute, wo gleich ihr aktuelles Lieblingsprojekt spielt: die Fußballmannschaft der Frauen von Viktoria 1889 Berlin. Pausder ist hier Investorin. Sie will das Frauenfußballteam, derzeit Drittligist, bis 2027 in die Bundesliga führen. Eine bundesweite Marke aus dem Club machen und Frauenfußball überhaupt profitabel. "Gamechanger" steht auf dem Fanschal um ihren Hals – sie will das Spiel tatsächlich verändern. Fünf weitere Frauen hat sie an ihrer Seite im Investorinnenteam, darunter die zweifache Weltmeisterin Ariane Hingst oder Tanja Wielgoß, die ehemalige Vorstandsvorsitzende von Vattenfall Wärme Berlin. Die zwei sind heute nicht da, dafür aber Lisa Währer, Felicia Mutterer und Katharina Kurz, die anderen Investorinnen, sie begrüßen Pausder jetzt auf das Herzlichste. Überhaupt: Jede und jeder hier kommt auf sie zu und drückt sie, vom Vereinspräsident bis zur Kartenkontrolleurin. Verena Pausder ist an diesem Sonntagnachmittag mutmaßlich der meistumarmte Mensch Berlins.

Wir machen das!

Die Geschichte von Viktoria Berlin begann in Los Angeles. Dort gründeten 2020 Schauspielerin Natalie Portman und andere prominente Frauen den Angel City FC, einen frauengeführten Fußballclub, der die Bedingungen, unter denen Frauen kicken, verändern will. Als Pausder davon hörte, war sie fasziniert. Und nicht nur sie – parallel machten sich auch andere Berlinerinnen aus Sport und Wirtschaft Gedanken, ob das auch in Deutschland funktionieren könnte: Frauen, die den Frauenfußball endlich profitabel machen. Man erfuhr voneinander, im November 2021 saßen sie schließlich zu sechst um Pausders großen Esstisch zusammen und schworen sich: Wir machen das. 

Sie fanden einen Verein: Viktoria Berlin. Und prominente Unterstützerinnen wie die Ex-Skifahrerin Maria Höfl-Riesch. Sie legten eine Summe fest: Eine Million Euro wollten sie sammeln, auf viele Schultern verteilt, die Beteiligungsgrenze liegt bei 15 000 Euro. Das Projekt erregte sofort größte Aufmerksamkeit. Die Million war schnell erreicht. "Muss man sich mal vorstellen", sagt Pausder. "Wir müssen Leute mit ihrem Geld wieder wegschicken."

Der Name ist Programm

Noch eine Viertelstunde bis zum Anpfiff, auf dem Platz macht sich das Team warm. Bis zur D-Jugend war Pausder selbst Spielerin, bei der TuS Hoberge-Uerentrup. Und in der Unimannschaft in St. Gallen, beim Betriebsteam der Münchner Rück. In den Pausen, in den Ferien, sie hat immer gekickt. Als sie das Frauenteam 2022 übernahmen, kauften sie keine neuen Spielerinnen. Sie investierten in bessere Trainer, bessere Plätze, Physiotherapeuten. Das erste Punktspiel der Saison gegen Union Berlin ging knapp verloren. Danach keines mehr. Seit Ende August 2022: nichts als Siege für Viktoria Berlin.

Das ist ein bisschen gefährlich, denn aus Niederlagen lernt man. Weiß auch Pausder. Sie stammt aus einer Bielefelder Unternehmerfamilie, Textilbranche, aber auf dicke Hose hat niemand gemacht bei ihr zu Hause. "Wir mussten unser Geld immer selbst verdienen." Wir, das sind sie und ihre Schwester, die Viktoria heißt, wie der Verein in Berlin. Für ihre Reitstunden hat sie gekellnert und mit einem Handstaubsauger Wollmäuse aus den Webstühlen in der elterlichen Textilfabrik geholt. Von nix kommt nix, mit der Haltung ist sie aufgewachsen. Aber auch mit: trau dich. Mach was aus deinen Ideen. "Aber Dinge tun, um was herzuzeigen", sagt sie, "das gibt’s bis heute nicht bei meinen Eltern."

Es lief nicht immer rund

Dass auch Scheitern zum Unternehmerleben dazugehört, hat sie früh gelernt. 2004 floppte eine Salatbarkette, die sie mit einer Studienfreundin gegründet hatte. Mit der Kinder-App-Firma "Fox & Sheep" war Pausder ab 2012 dagegen richtig erfolgreich. Sie hat selbst drei Kinder, zwei aus ihrer ersten Ehe, die endete, als sie 32 war und ihre Söhne noch klein. Das war auch so eine Niederlage, verlassen über Nacht, aus dem Nichts. Ihre zweite Ehe, sagt sie, sei seit zehn Jahren eine kraftspendende Patchworkbeziehung mit ihren zwei Jungs, dem Sohn ihres Mannes und der gemeinsamen, fünf Jahre alten Tochter. 

Sie ist jetzt 44, hat einen Podcast, einen Instagram-Buchclub, Viktoria. Sie hadert ein bisschen damit, dass sie jetzt in der Mitte angekommen ist. Doch sie sieht auch, dass älter zu werden innerlich stärken kann. Zum Beispiel sei das Gefühl, unzulänglich zu sein, nun weg. "Seit vier, fünf Jahren bin ich angekommen. Ich bin entflammbar für Dinge, die sich richtig anfühlen. Und dann mache ich es, auch wenn ich genug zu tun habe."

Einsatz für einen gesellschaftlichen Mehrwert

Sie mag es, Dinge profitabel zu machen, die darauf basieren, dass Leute sich engagieren. Findet, dass sich Ehrenamt finanziell lohnen darf und soll. Wirtschaft, die nur davon handelt, Menschen reich zu machen, ohne dass die Gesellschaft profitiert, "damit kann ich nichts anfangen". Auch das Thema Digitalisierung treibt sie an, sie hat den Verein "Digitale Bildung für Alle e.V." gegründet und während der Lockdowns eine Homeschooling-Website erstellt. Vor eineinhalb Jahren schrieb sie zudem ein Buch, eine Art Gebrauchsanleitung, wie man das bräsige, das gelähmte Deutschland anders denken könnte. "Das neue Land" heißt es, Untertitel: "Wie es jetzt weitergeht".

Auf dem Platz geht es nach dem Anpfiff erst mal zäh weiter. Blau-Weiß Hohen Neuendorf ist ein unbequemer Gegner, die erste Viertelstunde ist zerfahren, aber jetzt bricht Nina Ehegötz über links durch, passt zurück an die Strafraumgrenze, wo Corinna Statz den Ball annimmt und ins lange Eck schlenzt. "Ja!", brüllt Verena Pausder, springt auf; ihre Mitinvestorinnen, die weiter unten stehen, drehen sich zu ihr um und jubeln ihr zu. 

Viktoria gewinnt am Ende 3:0. Später im Clubheim schenkt das Team Pausder eine gerahmte Fotokollage "für alles, was du für uns tust". Sie freut sich, es gibt, einmal mehr, Umarmungen. Und sagt: Das geht hier doch nicht um mich. Wenn Viktoria Tabellenführer bleibt, warten im Juni Aufstiegsspiele zur 2. Bundesliga, dann sollen aus den 150 Zuschauer:innen von heute 2000 werden, mindestens, darum geht es hier. Und um die Sichtbarkeit des Frauenfußballs, darum, dass er endlich ein profitables Geschäft wird.

Brigitte

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