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Neo-Broker Einfach – aber auch gefährlich?

Neo-Broker: eine asiatische Frau sitzt vor ihrem Laptop mit einem Smartphone in der Hand
© dodotone / Shutterstock
Unsere Welt wird immer schneller, immer digitaler – die Geldanlage auch: Mit einem Tipp aufs Handy können wir Aktien kaufen oder uns automatisiert unser Portfolio zusammenstellen lassen. Neo-Broker und Robo-Advisor: Wie funktioniert das?

Vor wenigen Wochen veröffentlichte das Deutsche Aktieninstitut die aktuellen Zahlen: 4,3 Millionen Frauen und 7,8 Millionen Männer haben in Aktien, Fonds, ETFs und in Sparpläne investiert. Fast 50 Prozent mehr als vor zehn Jahren. Der Einstieg in die Geldanlage ist immer einfacher geworden. Das liegt unter anderem an ETFs (das sind Investmentfonds, die sich an einem Index wie dem Dax orientieren und günstiger sind als aktiv gemanagte Fonds). Und es liegt an den neuen digitalen Anbietern, die es erst seit wenigen Jahren in Deutschland gibt:

Neo-Broker

Gib mal das Handy her, ich will Aktien kaufen

Es dauert nicht mal 30 Sekunden: Smartphone nehmen, Trading-App öffnen, den Namen des Unternehmens oder ETFs ins Suchfeld eingeben, "Kaufen" anklicken, Stückzahl eintippen, fertig. Tap, tap, trade, Wertpapier gekauft. Schnell mal an der S-Bahn-Haltestelle ins Depot schauen, Kurse checken, den Freistellungsauftrag ändern … Neo-Broker haben in den vergangenen drei Jahren die Welt der Geldanlage umgekrempelt. Als erster ging 2019 Trade Republic an den Start, mittlerweile hat das Finanz-Start-up mehr als eine Million Kunden. Weitere Anbieter sind Scalable, Justtrade, Smartbroker (gehört zum Börsenportal Wallstreet Online) und Finanzen.net Zero (gehört zum Axel-Springer-Konzern, firmierte bis vor einem Jahr unter dem Namen Gratisbroker).

Früher gab es nur die klassischen Finanzinstitute – die Deutsche Bank, Commerzbank, Sparkassen, Volks- und Raiffeisenbanken. Dann kamen die Online- oder Direktbanken wie ING, Comdirect, Consors oder DKB und machten den Geldhäusern massiv Konkurrenz, indem sie auf Filialen verzichteten und niedrigere Preise boten. Neo-Broker gehen nun noch einen Schritt weiter. Nach dem Vorbild des amerikanischen Unternehmens Robinhood konzentrieren sie sich auf den Handel mit Wertpapieren, neuerdings zum Teil auch Kryptowährungen. Das Verrechnungskonto dient nur zur Abwicklung der Käufe und Verkäufe. Die Apps sind cool designt und intuitiv zu bedienen, die Kosten winzig bis null. Eine Aktie zu kaufen geht so einfach und schnell, als tippe man mal eben eine WhatsApp.

"Die günstigen Preise machen Neo-Broker auch für Börsenneulinge spannend", sagt Stephanie Heise, Finanzexpertin der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen. "Auch wer wenig Geld hat, aber keine Beratung braucht, kann einsteigen. Das finde ich grundsätzlich positiv. Denn je geringer die Kosten, desto höher die Rendite." Allerdings gibt es eine Kehrseite: "Es kann passieren, dass die Kunden sich, eben weil es so schnell und unkompliziert geht, zu einem Kauf oder Verkauf hinreißen lassen, den sie vielleicht doch besser hätten durchdenken sollen. Dadurch ist das Risiko größer, sich nicht an selbst gesetzte langfristige Strategien zu halten."

Verführen Trading-Apps zur Zockerei?

Prof. Dr. Andreas Hackethal von der Goethe-Universität Frankfurt und drei weitere Wissenschaftler der TU München und der Indiana University haben 22 Millionen Transaktionen von 180 000 Anleger:innen bei zwei Banken ausgewertet, die auch den Handel über Mobiltelefone anbieten. Ergebnis: Wer anfängt, übers Smartphone zu traden, wird unvorsichtiger, neigt zu Impulskäufen, legt sein Geld riskanter und in Wertpapiere mit stark schwankenden Kursen an. Und das gelte nicht nur für Neulinge, es sei nicht durch die anfängliche, vorübergehende Begeisterung zu erklären, so Hackethal: Diese veränderte Anlagestrategie halte auch dann an, wenn die Person wieder am Rechner ihre Wertpapiergeschäfte abwickelt.

Woran das liegt? Mehrere mögliche Gründe: Das Smartphone hat man (fast) immer zur Hand, hat also ständig die Möglichkeit, Kurse zu checken – und die Versuchung ist größer, dann auch gleich zu handeln. Ein Wisch, ein Klick. Dazu kommt, dass mit mobilen Apps auch außerhalb der Börsenhandelszeiten – in Feierabendlaune – ge- und verkauft werden kann. Und: "Das Smartphone fühlt sich eher an wie ein Spielzeug, es versetzt in eine entspanntere Stimmung", so Hackethal. Das Handeln wird "gamifiziert", es wird zu Spiel und Spaß, traden fühlt sich an wie eine Runde Candy Crush. Auch die Stiftung Warentest warnt: "Die Möglichkeit, Aktien und ETFs fast im Minutentakt kostenlos umzuschichten, kann zum Zocken verleiten."

Trade Republic hat eine große Studie in Auftrag gegeben, um diese Kritik zu entkräften, sie wurde gerade im Februar veröffentlicht. Das Forschungsinstitut DIW Econ befragte dafür mehr als 250 000 Nutzer:innen und untersuchte anonymisierte Trading-Daten. Die Ergebnisse: 70 Prozent sind jünger als 35 Jahre, nur 15 Prozent sind Frauen. Fast die Hälfte der Befragten hat bei dem Neo-Broker erstmals Geld an der Börse angelegt. Immerhin ein Fünftel der Befragten gab zwar an: "Ich investiere vor allem, weil mir der Nervenkitzel Spaß macht" – aber fast drei Viertel sagten, dass sie langfristig und für ihre Altersvorsorge investieren. "Anlegen wie im Lehrbuch", so beschreibt es auch Erik Podzuweit, Gründer des Konkurrenten Scalable Capital. Bei den unter 30-Jährigen seien ETF-Sparpläne mit 93 Prozent die beliebteste Anlage.

Das ist eindeutig das große Verdienst der Neo-Broker: Durch sie ist Investieren noch zugänglicher und demokratischer geworden. Die Mindestraten für ETF-Sparpläne wurden immer geringer. Für viele Käufe fallen keine Gebühren an, meist gibt es auch keine Mindestanlagesumme.

Das bedeutet aber auch: "Neo-Broker bieten keine Beratung und wesentlich weniger Service, da kann man in der Regel nicht mal eben anrufen, wenn man ein Problem hat", sagt Stephanie Heise. "Wer niedrige Preise verlangt, muss eben auch die Kosten niedrig halten." Sind die Billig-Broker deshalb weniger sicher? "Da besteht kein Unterschied zu klassischen Depotbanken", so die Expertin. "Die Wertpapiere im Depot sind immer Sondervermögen und damit sicher. Sollte der Broker oder die depotführende Bank pleitegehen, gehören sie nicht zur Insolvenzmasse."

Robo-Advisor

Geldanlage ohne lästige Gefühle: Lass das mal den Computer machen!

Auch Robo-Advisor sind relativ neu in der Finanzwelt, es gibt sie bei uns noch keine zehn Jahre. Der Name setzt sich zusammen aus Roboter und Advisor (Berater). Wie bei den Neo-Brokern findet auch hier die Depoteröffnung digital statt. Der große Unterschied: Robo-Advisor sind für Leute gedacht, die sich nicht selbst um ihre Geldanlage kümmern möchten. Und während klassische Vermögensverwaltung früher nur reichen Menschen mit sechsstelligen Vermögenssummen vorbehalten war, kann man heute bei Robos mit sehr viel geringeren Beträgen, auch mit Sparplänen, einsteigen.

Anmeldung und Aufnahme der Daten passieren, genauso wie bei Onlinebanken oder Neo-Brokern, am Rechner. Dabei werden Risikobereitschaft und Anlagehorizont ermittelt, Vorkenntnisse und Anlageziele abgefragt. "Man sollte beim Beantworten der Fragen ehrlich sein", sagt Beate Balke, Robo-Expertin bei der Finanzberatung FMH. "Wie viel Geld habe ich auf dem Konto? Wie viel verdiene ich? Wie hoch sind meine laufenden Ausgaben? Ab wie viel Prozent Verlust werde ich nervös? Wie lange möchte ich anlegen? Die Anbieter sind da sehr genau, zum Teil richtig streng."

Auf der Basis all dieser Daten stellen die Computerprogramme dann für jede Kundin, jeden Kunden ein Portfolio zusammen, das zum jeweiligen Risikoprofil und Anlagehorizont passt. Von defensiv oder konservativ (geringeres Risiko, höherer Anteil von Anleihen) bis offensiv oder spekulativ (hoher Aktienanteil, höhere Renditechancen, aber auch höheres Risiko). Aber natürlich handelt die künstliche Intelligenz nicht komplett eigenständig: Jedes Programm wird von Menschen geschrieben. Die Algorithmen stellen nach diesen vordefinierten Regeln das Portfolio zusammen, werten täglich riesige Mengen an Börsendaten aus und passen das Depot automatisch an ("Rebalancing"), wenn die Zusammensetzung nicht mehr dem ermittelten Risikoprofil entspricht.

Ende 2021 hatten die Deutschen den Robo-Advisors insgesamt rund 14 Milliarden Euro anvertraut – eine Verdoppelung gegenüber dem Vorjahr. Rund 40 Robos gibt es inzwischen. Teils sind es Finanz-Start-ups, teils gehören sie zu großen Finanzinstituten oder Vermögensverwaltungen. Sie bieten unterschiedlich viele Anlagestrategien an. Bei Growney sind es zum Beispiel zehn, der Algorithmus von Smavesto, dem Robo der Bremer Sparkasse, bietet sogar rund 200 mögliche Portfoliokonstruktionen.

Und was ist da drin?

Die meisten Robo-Portfolios bestehen aus ETFs, also passiven Indexfonds, manche setzen auf einen Mix mit gemanagten Fonds, Rohstoffen oder Einzelaktien. Fidelity Wealth Expert nutzt ausschließlich aktiv gemanagte Fonds, Solidvest packt Einzelaktien und Anleihen in die Depots. Auch beim Grad der Automatisierung gibt es Unterschiede: Mal wird der gesamte Prozess von Algorithmen bestimmt, mal ist nur das Anmeldeprozedere digital und das Portfolio wird von menschlichen Expert:innen erstellt, manchmal ist auch eine persönliche Beratung möglich. Bei den meisten Anbietern gibt es inzwischen auch nachhaltige Portfolios. Der Neuzugang my-SI (My sustainable Impact) etwa setzt ausschließlich auf grüne Anlagen.

Und was kostet der Robo-Service? Die Gebühren liegen laut dem Verbraucherportal Biallo.de bei durchschnittlich 0,82 Prozent pro Jahr. Günstiger wäre es, selbst bei einer Onlinebank oder einem Neo-Broker anzulegen. Aber wer selbst investiert, ist seinen Emotionen ausgeliefert. Robo-Advisor dagegen kennen keine Panik, keine Gier, kein "Bauchgefühl". Sie geraten nicht in die typischen Psychofallen bei der Geldanlage.

Allerdings: Die digitalen Vermögensverwalter sind noch nicht lang genug auf dem Markt, als dass man wirklich beurteilen könnte, wie sie sich auf Dauer bewähren. Wer sich gut informieren möchte, schaut in mehrere Vergleiche, die Medien, Finanzplattformen oder "Finanztest" regelmäßig anstellen. Das Magazin "Capital" analysiert seit fünf Jahren die Leistungen der digitalen Geldverwalter: nicht nur die Performance, sondern auch die Kosten, wie gut sie ihre Kund:innen und deren Anlagewünsche ergründen und wie transparent sie ihre Anlagestrategie erklären. Schon bei den Renditen gibt es massive Unterschiede: In der jüngsten Auswertung (Portfolios mit mittlerem Risiko, Zeitraum von Juni 2019 bis Juni 2021) lagen sie zwischen elf Prozent (Smavesto) und minus 4,9 Prozent (Scalable). Nicht alle Algorithmen reagierten in der Coronakrise im Frühjahr 2020, als die Kurse rapide in den Keller gingen, rechtzeitig und schlau. Doch Geldanlage an der Börse sollte sich immer über mehrere Jahre erstrecken. Erst dann wird sich zeigen, welche Robos dauerhaft gut das Vermögen verwalten

Brigitte

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