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Nachhaltige Geldanlage Die neuen Regeln in der Finanzberatung

Nachhaltige Geldanlage: Pflanzen, die aus Geldtürmchen sprießen
© LIGHTFIELD STUDIOS / Adobe Stock
Darf's ein bisschen Grün sein? Diese Frage ist seit Kurzem Pflicht in der Finanzberatung, um nachhaltige Geldanlagen zu fördern. Die neuen Regeln und was sie bedeuten.

Mal angenommen, Sie stehen in einem Modeladen, die Verkäuferin fragt, wie sie helfen kann, und Sie sagen: "Ich suche eine Jeans, mittelblau, gerade Beine." Worauf die Verkäuferin sagt: "Okay. Haben Sie schon mal überlegt, wie viel Wasser der herkömmliche Baumwollanbau verbraucht und wie viele Pestizide da eingesetzt werden? Käme auch eine Jeans aus Biobaumwolle für Sie infrage?"

Das klingt für den Kauf eines Kleidungsstücks vielleicht absurd, ist aber in der Finanzbranche seit Kurzem Realität: Am 2. August 2022 trat in Deutschland eine EU-Richtlinie in Kraft, die Bankberaterinnen, Vermögensverwalter und Versicherungsmaklerinnen (und bald auch freie Finanzberater) verpflichtet,ihre Kund:innen nach deren Nachhaltigkeitspräferenzen zu fragen und dies bei den Produktempfehlungen zu berücksichtigen.

Wie grün ist unsere Geldanlage überhaupt?

Mit nachhaltigen Investments sollen Unternehmen und Projekte unterstützt werden, die einen positiven Beitrag zu ökologischen oder sozialen Entwicklungen leisten. Ende 2021 steckten hierzulande bereits rund 500 Milliarden Euro in entsprechenden Anlageprodukten, fast 50 Prozent mehr als im Jahr davor. Und der Trend geht weiter aufwärts: Der Wirtschaftsnachrichtendienst Bloomberg schätzt, dass im Jahr 2025 weltweit umgerechnet rund 50 Billionen Euro nachhaltig investiert sein werden, das wären ein Drittel aller Geldanlagen.

Und wie wird das definiert?

Das ist das Problem: Es gibt für nachhaltige Geldanlagen noch keine verbindlichen Standards. Neben ökologischen Aspekten spielen soziale Kriterien (etwa: keine Kinderarbeit) und verantwortungsvolle Unternehmensführung (etwa: keine Korruption) eine Rolle. Diese drei Punkte werden unter dem Kürzel ESG (Environment, Social, Governance) zusammengefasst, das sich in der Finanzbranche mittlerweile etabliert hat. Allerdings gibt es einen großen Interpretationsspielraum und damit einen Flickenteppich aus unterschiedlichen Auslegungen: "Die Palette von Nachhaltigkeitsansätzen reicht vom Ausschluss bestimmter Branchen, Unternehmen oder Länder bis zur Philanthropie und Impact Investing, also dem Ziel, konkret etwas Positives zu bewirken", sagt Friederike Fuchs, Finanzberaterin aus Göttingen, die seit über 20 Jahren auf nachhaltige Geldanlagen spezialisiert ist. Seit Januar 2023 gelten sogar Erdgas und Atomkraft unter Umständen als klimafreundlich, nachdem die EU-Kommission diese in ihrer sogenannten Taxonomie als akzeptable Übergangsenergien eingestuft hat.

Was soll die neue Richtlinie bringen?

Die Präferenzabfrage in der Finanzberatung ist Teil eines Aktionsplans der EU, um Investitionsgelder verstärkt in nachhaltige Anlagen umzuleiten und den Kampf gegen den Klimawandel zu unterstützen. Zu diesem Aktionsplan gehört auch die Taxonomie, ein Klassifizierungssystem, das Kriterien für nachhaltiges Wirtschaften definiert und als Informationsgrundlage für Investoren dient. Nachhaltig ist ein Unternehmen demnach, wenn es einen wesentlichen Beitrag zur Verwirklichung eines der sechs Umweltziele leistet: Klimaschutz, Anpassung an den Klimawandel, nachhaltige Nutzung von Wasserressourcen, Wandel zu einer Kreislaufwirtschaft, Vermeidung von Umweltverschmutzung und den Schutz gesunder Ökosysteme.

Seit März 2021 gilt außerdem die sogenannte Offenlegungsverordnung: Anbieter von Finanzprodukten, zum Beispiel Fondsgesellschaften, müssen transparent machen, wie nachhaltig ihre Angebote sind. Artikel 6 steht für ein konventionelles Investment, bei dem kein explizites Nachhaltigkeitsziel verfolgt wird. Artikel- 8-Produkte, sogenannte "hellgrüne", berücksichtigen Umwelt- oder soziale Kriterien, und "dunkelgrüne" Artikel-9-Produkte müssen eine positive Auswirkung auf ein Nachhaltigkeitsziel nachweisen.

Und funktioniert das?

Da die ESG-Kriterien lax ausgelegt werden können, gibt es Kritik an ihrer Aussagekraft: Da sei viel Greenwashing dabei, heißt es oft, Fonds würden also als nachhaltiger und grüner dargestellt, als sie tatsächlich sind. Die Krux ist: Die Anbieter selbst nehmen die Einstufungen vor, es ist kein unabhängiges Siegel. Viele haben in den letzten Wochen die Nachhaltigkeitsversprechen ihrer Fonds nach unten revidiert. Statt sie weiter als Artikel-9-Produkte zu klassifizieren, ordnen Gesellschaften wie Blackrock, DWS, BNP, Amundi oder Pimco sie jetzt lieber als hellgrünere Artikel-8-Variante ein. Fachleute vermuten, dass dies damit zusammenhängt, dass Fonds ihre Nachhaltigkeitsmerkmale 2023 erstmals schriftlich offenlegen müssen und keine Greenwashing-Vorwürfe oder Schaden für ihren guten Ruf riskieren wollen. Immerhin hat unter anderem das internationale Medienprojekt "Great Green Investigation" gerade recherchiert, dass fast jeder zweite der über 800 untersuchten und als dunkelgrün etikettierten Fonds auch in Öl, Kohle und Luftfahrt investiert war. Zudem plant die europäische Wertpapieraufsicht ESMA strengere Auflagen, um den inflationären Gebrauch von Etiketten wie "nachhaltig" und "ESG" auszubremsen.

Finanzberaterin Fuchs erwartet trotzdem, dass die verpflichtende Präferenzabfrage die Nachfrage nach grünen Investments insgesamt befeuern wird: "Ich glaube, dass die Abfrage ein stärkeres Bewusstsein dafür schafft, was Geld bewirken kann, denn viele Leute wussten bisher nicht, was in dem Bereich überhaupt alles möglich ist."

Wie läuft so eine Finanzberatung also jetzt ab?

Bisher ging es in der Beratung vor allem um die drei Kriterien Rendite, Sicherheit und Liquidität: Höhere Rendite gibt es nur mit höherem Risiko. Wer Verluste vermeiden oder sein Geld jederzeit verfügbar haben möchte, wird sich mit weniger Rendite zufriedengeben müssen. Dieses sogenannte "Magische Dreieck der Geldanlage" wurde jetzt um eine vierte Dimension ergänzt: die Nachhaltigkeit.

Wobei die Präferenzabfrage in der Praxis sehr unterschiedlich ausfallen kann. Allerdings gibt es ein grobes Gerüst: So muss die Kundin explizit gefragt werden, ob sie das Thema Nachhaltigkeit bei ihrer Anlage berücksichtigen will. Lautet die Antwort ja, muss die Beraterin ermitteln, welcher Ansatz dafür infrage kommt: die EU-Taxonomie, Artikel-8- oder Artikel-9-Produkte nach der EU-Offenlegungsverordnung. Oder der Fokus liegt darauf, nachteilige Auswirkungen auf die Umwelt zu vermeiden (Principle Adverse Impacts, PAIs), etwa gefährliche Abfälle oder Emissionen in Gewässer.

Die nächsten Fragen: Wie hoch darf die Aktienquote sein, von null bis 100 Prozent – je nach Risikoprofil. Und: Soll ausschließlich in nachhaltige Unternehmen investiert werden oder kommen auch solche infrage, die auf dem Weg der Transformation sind? Beispiel: Lieber ein Fonds, der nur in Unternehmen aus der Elektromobilität-Branche investiert – oder können auch klassische Autobauer wie VW oder BMW enthalten sein, die erst dabei sind, ihre Produktion umzubauen?

Die gesetzliche Anforderungen

Da die gesetzlichen Anforderungen teilweise noch nicht ausformuliert sind und viele Unternehmen noch nicht ausreichend Daten über ihre Nachhaltigkeit veröffentlichen, kann es passieren, dass am Ende der Beratung nur wenige Produkte übrig bleiben – womöglich sogar gar keins. Gerade die strikten EU-Taxonomie-Vorgaben bieten aktuell kaum Anlagemöglichkeiten. Die Anlegerin kann dann ihre Präferenzen ändern und so das potenzielle Produkt-Universum vergrößern. Wichtig: Das muss im Beratungsprotokoll dokumentiert werden.

Mittlerweile gibt es Leitfäden und Checklisten für die Beratung, mit denen sich auch Anleger:innen darauf vorbereiten können. Sparkassen-Mitarbeiter:innen etwa navigieren mit dem Leitfaden des Forums für Nachhaltige Geldanlagen (FN) durch die komplexe Beratung (siehe unten). Auch bei den Genossenschaftsbanken gibt es vorformulierte Fragen- und Erläuterungen, die im Rahmen eines hauseigenen Großprojekts entwickelt wurden. Der Vorteil der standardisierten Nachfrage: "Die Berater kommen automatisch an allen wichtigen Aspekten vorbei", sagt Anja Bauermeister, Abteilungsleiterin Publikumsfonds bei Union Investment.

Wie kann ich mich vorbereiten?

Tatsächlich ist es sinnvoll, vor dem Termin zur Anlageberatung zentrale Punkte für sich abzuklären: Welche Aspekte sind mir wichtig? In welche Geschäfte möchte ich auf keinen Fall investieren – fossile Energien? Palmöl? Tierversuche? Wo wären Kompromisse möglich? Denn ohne die wird es meist nicht gehen: "Die eierlegende Wollmilchsau gibt es auch bei der nachhaltigen Geldanlage nicht", sagt Finanzberaterin Fuchs. Je mehr Nachhaltigkeit gewünscht ist, umso kleiner ist die Auswahl an passenden Finanzprodukten.

Eine gute Info-Adresse ist zum Beispiel die unabhängige Onlineplattform MeinFairMögen. "Anlegerinnen sollten sich bewusst machen, was sie wirklich mit ihrem nachhaltigen Investment erreichen wollen, denn die Frage nach den Zielen greift in der Praxis meist zu kurz", sagt Nicola Stefan Koch, Leiter Forschungsbereich Kleinanleger bei der 2° Investing Initiative, die hinter MeinFairMögen steht. Seiner Beobachtung nach wollen viele Anlegerinnen zum Beispiel einen direkten Impact haben, also eine unmittelbar nachweisbare positive Wirkung – die aber oft nicht messbar ist.

Klar ist: Die wachsende Sensibilisierung für Klimawandel, Artensterben und soziale Ungerechtigkeit dürfte die Nachfrage nach ESG-Anlagen vorantreiben. "Die Bewusstseinsänderung ist da und jede kleine Investition, auch wenn sie nur leicht grün ist, führt zu einer Wirkung", sagt Friederike Fuchs. "Wenn Geld die Welt regiert, warum nutzen wir es dann nicht, um die Welt zu verändern?"

Friederike Fuchs ist Finanzberaterin in Göttingen und auf nachhaltige Geldanlagen spezialisiert

Vor der Beratung: sich schlaumachen

Der "Leitfaden zur Abfrage der Nachhaltigkeitspräferenz (MIFID II)" des Forums Nachhaltige Geldanlagen erklärt gut die Begriffe und Regelwerke. forum-ng.org, Reiter "Weiterbildung"

Was möchten Sie ausschließen – Unternehmen, die gefährliche Pestizide produzieren? Anleihen von Staaten, in denen Kinderarbeit verbreitet ist? Firmen, die keine Frau im Vorstand haben? Die Plattform MeinFairMögen bietet in ihrer Datenbank Filteroptionen für rund 12 000 europäische Fonds sowie einen Fragebogen, der vorab ausgefüllt und als Grundlage mit ins Beratungsgespräch genommen werden kann. meinfairmoegen.de

… und danach noch mal checken

Nicht gleich unterschreiben: Nehmen Sie die Unterlagen aus dem Beratungsgespräch mit nach Hause, prüfen Sie bei den empfohlenen Produkten die Risikohinweise und, ganz wichtig, auch die Kosten. Infos zu den angebotenen Fonds gibt es z. B. im Fondsvergleich auf test.de.

Brigitte

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