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Nachhaltig investieren So gehts!

Nachhaltig investieren: Sparschwein
© Guschenkova / Shutterstock
Gutes Gewissen und gute Rendite? Ja, das ist möglich. Mehr noch: Mit unserem Geld haben wir sogar einen gigantischen Hebel, um etwas für die Umwelt zu tun. Drei Beraterinnen für nachhaltige Finanzen erklären, worauf es ankommt.

Jennifer Broeckerhoff

Es war eine Umweltkatastrophe, die Jennifer Brockerhoff zum Thema Nachhaltigkeit brachte. 1989, sie lebte damals mit ihrer Familie in Kanada, havarierte der Öltanker Exxon Valdez, über 40 Millionen Liter Rohöl flossen vor Alaska ins Meer. "Die Bilder von den verschmutzten Stränden und den verklebten Seevögeln haben mich umgehauen", erinnert sich Brockerhoff. Drei Jahre später hielt die Kanadierin Severn Cullis-Suzuki bei der Umweltkonferenz in Rio de Janeiro eine Rede, die in ihr Heimatland übertragen wurde. Suzuki war damals zwölf Jahre alt, Brockerhoff 13. "Dass ein Kind, so stark und selbstbewusst, Erwachsenen die Leviten liest, das kannte ich nicht. Das war ein richtiger Gänsehautmoment für mich. Suzuki war die Greta meiner Zeit."

Meine Eltern dachten, ich sei verrückt

Heute berät die gelernte Bankkauffrau Brockerhoff zu nachhaltiger Geldanlage. Vor elf Jahren machte sie sich selbstständig. "Meine Eltern dachten, ich sei verrückt," erinnert sie sich. Damals war sie Anfang 30, Wertpapierspezialistin bei der Dresdner Bank, saß im Betriebsrat und hatte sich zur stellvertretenden Filialleiterin hochgearbeitet. Gerade war sie gefragt worden, ob sie an einem Programm für künftige Führungskräfte teilnehmen wollte. Aber da hatte sie längst entschieden, nicht mehr so weiter-machen zu wollen wie bisher. Ihr Frust nach der Finanzkrise war zu groß.

In ihre Workshops kommen vor allem Frauen. Mit ihnen spricht Brockerhoff darüber, welche Rendite sie erzielen, welches Risiko sie eingehen möchten – und wann sie das Geld wieder brauchen. Sich darüber vorher keine Gedanken zu machen, den Fehler hat sie anfangs auch gemacht: Während ihrer Ausbildung investierte sie das erste Mal an der Börse. "Damals habe ich versucht, jeden vermeintlichen Überflieger mitzunehmen", sagt sie. Dann platzte die Internet-Blase, die Kurse stürzten ab: "Der Verlust war zum Glück überschaubar, so viel verdient man als Auszubildende ja noch nicht."

Brockerhoff weiß: Sich ein Bild darüber zu machen, wo es in Sachen Geldanlage hingehen soll, ist manchmal nicht ganz so leicht. "In meine Beratung ist bisher keine Frau gekommen, die aus der Pistole geschossen wusste: Ich will jetzt 10 000 Euro für zehn Jahre anlegen, damit sechs Prozent Gewinn erzielen und die Summe gegebenenfalls für eine Immobilienfinanzierung nutzen. Und im Gegenzug wäre ein Verlust von so und so viel Euro hinnehmbar."

Geld breit streuen und möglichst 15 Jahre investieren

Sicherheit? Verfügbarkeit? Rendite? Was ist mir bei der Geldanlage am wichtigsten? Es dauere oft, bis solche Bedürfnisse geklärt sind, sagt die Beraterin. "Und mit dem Anspruch Nachhaltigkeit wird es noch einmal herausfordernder." Bei Direktinvestments rät sie zur Vorsicht: "Es ist zwar schön zu sehen, welche direkte Wirkung ein Projekt wie etwa ein Wind- oder Solarpark oder eine Baumplantage für die Umwelt hat, man muss sich aber des Totalverlustrisikos bewusst sein", sagt sie und verweist auf die Pleite des Windenergieunternehmens Prokon 2014.

Stattdessen empfehle sie Unerfahrenen, ihr Geld möglichst breit zu streuen und mindestens für fünf, besser 15 Jahre zu investieren. Das gelte für nachhaltige genauso wie für konventionelle Anlagen. "Und wenn eine Krise wie die Corona-Pandemie kommt, die Nerven behalten und am Plan festhalten."

Ihr Tipp

"Das Wort ,nachhaltig‘ ist gesetzlich nicht geschützt. Eine erste Orientierungshilfe (aber kein Freifahrtschein für ein grünes Gewissen) können Siegel sein. Zu den bekanntesten Siegeln für nachhaltige Geldanlagen in Deutschland gehören unter anderem das ECOreporter-Siegel (ecoreporter.de/ecoreporter-siegel) und das FNG-Siegel (fng-siegel.org) des Forums Nachhaltige Geldanlagen. Beide werden jährlich vergeben und arbeiten unter anderem mit Mindestausschlusskriterien: Unternehmen, die Geld mit Waffen, Suchtmitteln oder Tierversuchen verdienen, sind tabu. Diese Siegel werden aber immer in der Rückschau vergeben und sagen nichts über den wirtschaftlichen Erfolg der Geldanlage aus. Bis zum Jahresende sollen auch die Kriterien für ein erstes gesetzliches Umweltsiegel, das EU-Ecolabel für nachhaltige Geldanlagen, feststehen."

Claudia Müller

Alles fing im Sommer 2017 in Claudia Müllers kleinem Wohnzimmer in Frankfurt an. Hier unterhielt sie sich mit einigen Freundinnen über das Thema nachhaltige Geldanlage. "Der Raum war voll und an dem Tag war es auch noch unglaublich heiß", erinnert sie sich. Und trotzdem hingen ihre Bekannten Müller an den Lippen. "Viele wussten gar nicht, was eine Aktie ist oder wie sich ein aktiver von einem passiven Fonds unterscheidet." Müller schon, sie hat Ökonomie und Staatswissenschaften studiert und arbeitete damals bei der Bundesbank, wo sie im Bereich nachhaltige Geldanlage Präsentationen vorbereitete, Reden schrieb und Sitzungen begleitete. Die Wohnzimmer-Runde gab den Anstoß zu einer Geschäftsidee: von Frau zu Frau über Geld und Geldanlagen zu informieren.

Man ist nie zu alt zum investieren

Im Herbst 2017 kündigte sie ihren Job und gründete wenige Monate später die Bildungsplattform "Female Finance Forum". „Bei meinem ersten Vortrag war ich tierisch nervös und mein Preis noch viel zu günstig – die typischen Anfängerfehler“, erinnert sie sich. Inzwischen bietet Müller verschiedene kostenpflichtige Online-Workshops an.

Sie will vor allem Ängste nehmen. "Ich habe zu wenig Geld. Ich bin doch schon 60. Ich kann doch kein Mathe.‘ Das sind die typischen Vorbehalte, die mir in meinen Kursen immer wieder begegnen." Dabei sei man nie zu alt, um zu investieren, auch nicht mit 60. Außerdem brauche man dafür auch kein großes Vermögen. "25 Euro im Quartal reichen schon für den Anfang. Und ab und an muss man in seine Zahlen schauen und vergleichen, was etwa Kosten und Rendite angeht. Aber niemand muss viel hin und her rechnen", betont Müller. Allerdings: Ein Haushaltsbuch zu führen, ein Budget zu erstellen und einen Notgroschen aufzubauen – das seien zu Beginn die absoluten Grundlagen.

Geht das auch in nachhaltig? Diese Frage hört Müller inzwischen in jedem ihrer Seminare – egal ob sie über Festgeldkonten oder Fonds spricht. "Ich stelle die Gegenfrage: Was bedeutet denn Nachhaltigkeit für dich?" Dann erklärt Müller, dass das Kürzel "ESG" für die Investmentkriterien Umwelt, Soziales und Unternehmensführung steht. Je nach Anbieter und Produkt werden diese Kriterien aber unterschiedlich stark berücksichtigt. In ihren Seminaren geht es aber auch ganz grundlegend um das Thema Konsum. "Kein neues Handy ist beispielsweise immer noch besser als ein neues nachhaltiges Handy", sagt sie.

Nachhaltigkeit ist keine Garantie für den Erfolg eines Unternehmens

Privat investiert die 34-Jährige in ETFs (Exchange Traded Funds). Diesen börsengehandelten Indexfonds hat sie noch einige nachhaltige Einzelaktien und einen nachhaltigen aktiven Fonds beigemischt. "Nachhaltigkeit ist aber keine automatische Garantie für einen Unternehmenserfolg", warnt sie.

Im Nebenjob verwaltet Müller das Vermögen einer reichen Familie, die ihre Geldanlage komplett nachhaltig angeht. Hier geht es um mehrere Millionen Euro. Genaueres will sie nicht verraten. Aber im Grunde verfahre sie nicht anders, als wenn sie Geld für ihre Patenkinder oder ihre Eltern anlege. "Ich kann aber sehr viel langfristiger investieren, 40 Jahre und länger, und ich kann auch mehr ins Risiko gehen." Derzeit sucht sie nach Unternehmen aus den Themenfeldern erneuerbare Energien, nachhaltige Landwirtschaft und Medizintechnik.

Um die passenden Unternehmen zu finden, durchforstet Müller Branchendienste und Bilanzen. Und versucht Lösungen für ein typisches Dilemma nachhaltiger Geldanlage zu finden: "Schließe ich beispielsweise ein Unternehmen, das sowohl Solarenergie als auch Kohle fördert, automatisch aus?" Statt das Unternehmen direkt von ihrer Liste zu streichen, könne sie sich auch vorstellen, mit Umsatzgrenzen zu arbeiten. "Liegt der Umsatz mit Kohle dann beispielsweise unter einem bestimmten Prozentsatz, wäre das in Ordnung", erklärt Müller. Selbst die Profi-Anlegerin muss sich da noch entscheiden.

Ihr Tipp

"Verlieren Sie die Kosten nicht aus dem Blick. Ein Prozent Verwaltungsgebühren pro Jahr für einen aktiven Fonds zu bezahlen, mag vielleicht auf den ersten Blick nicht viel erscheinen. Über einen längeren Zeitraum läppert sich das aber. Genau hinschauen lohnt sich auch, wenn es darum geht, in welche Unternehmen Ihre Bank oder Ihr Fonds investiert. Informieren können Sie sich beim Fair Finance Guide (fairfinanceguide.de) oder Sie schauen direkt in den Verkaufsprospekt. Wenn Sie hier beispielsweise direkt Amazon oder Apple unter den ersten zehn Unternehmen finden, können Sie davon ausgehen, dass Ihr Finanzprodukt nicht wirklich nachhaltig ist."

Veronika Sepp

Als kleines Kind wollte sie ihre Essensreste nach Afrika verschicken. Als Studentin arbeitete Veronika Sepp gemeinsam mit einigen Kommilitonen im Kölner Schokoladenmuseum und kaufte Optionsscheine, um auf steigende Kakaopreise zu wetten, in der Hoffnung, dass dann vielleicht mehr bei den äthiopischen Kleinbauern hängen bliebe. "Natürlich ist diese Wette nicht aufgegangen, aber das war uns damals egal", erinnert sich die Umweltökonomin. Ihre Diplomarbeit schrieb sie schließlich darüber, wie ein Preis für die Emissionen von Kohlenstoffdioxid aussehen könnte.

Ich wollte damals eigentlich nur noch raus und weg von der Börse

Nach dem Studium arbeitete Sepp zunächst als Umweltreferentin für die Industrie- und Handelskammer (IHK). Ihr Job: Unternehmen über neue Gesetze zu informieren und bei der Umsetzung zu beraten. "Damals habe ich auch mitbekommen, was für einen Druck Anleger auf Unternehmen ausüben können", sagt Sepp. In dieser Zeit begann sie an der Börse zu investieren. "Das war 1999, es gab einen regelrechten Run auf Wertpapieranlagen, und dann kam der Crash. Ich wollte damals nur noch raus und mit der Börse nichts mehr zu tun haben." Es war ihr Mann, der sie motivierte, am Ball zu bleiben. Sie investierte unter anderem in einen Betreiber eines Solarparks und verlor wieder Geld. "Ein Bekannter meinte, es sei doch schon lange klar, dass dieses Unternehmen schlecht dasteht. Aber der arbeitete auch in der Finanzbranche. Mir als Privatperson war das damals überhaupt nicht bewusst."

Also nahm sie das Thema nachhaltige Geldberatung selbst in die Hand. Absolvierte eine Ausbildung zur Finanzanlagenkauffrau und machte sich 2013 selbstständig. Ein Jahr später legte sie für einen Kunden bereits ein kohlefreies Depot auf. "Das war damals sehr aufwendig. Ich musste die Investmentgesellschaften einzeln abtelefonieren, um an Informationen zu kommen, nach welchen Kriterien die Unternehmen ausgewählt werden", sagt Sepp. Heute sei das anders – Nachhaltigkeit ist in der Finanzbranche angekommen. Dass sich immer mehr Menschen für das Thema begeistern, freut sie. Einerseits. Auf der anderen Seite sieht Sepp den Hype auch skeptisch. Viele Anbieter versuchten, ihre Produkte möglichst grün zu vermarkten. Diese gäben das aber zum Teil gar nicht her. "Die Namen einiger ETFs hören sich super nachhaltig an", sagt sie. "Aber beim genauen Hinschauen investieren die dann doch in fossile Energieträger." Die neue EU-Offenlegungsverordnung verpflichte Anbieter seit März dieses Jahres zwar zu mehr Transparenz. Systematisch kontrolliert werde das aber noch nicht.

Mit nachhaltiger Geldanlage lasse sich generell unglaublich viel bewegen, gerade wenn, wie Sepp findet, in der Politik nicht genug passiere. "Als der norwegische Staatsfonds entschieden hat, seine Gelder mehr und mehr aus der Kohle abzuziehen, sind viele diesem Beispiel gefolgt. Mit solchen Desinvestitionen können wir ganze Branchen umkrempeln." Auf der anderen Seite bekämen nachhaltige Unternehmen Aufwind, gerade weil zunehmend in diese Richtung investiert werde.

Geld in das anlegen, was man gerne unterstützen möchte

Wer anlegt, sollte sich aber gut überlegen, wie viel Zeit er dafür aufwenden will. "Wer einen ETF oder einen aktiv gemanagten Aktienfonds kauft, muss nicht jeden Tag in sein Depot schauen und irgendwelche Börsenkurse und Nachrichten verfolgen. Bei Einzelaktien ist das anders", sagt Sepp. Sie selbst hat trotz ihrer anfänglichen Fehler in allen Risiko- und Anlageklassen investiert. "Ich habe Geld in ETFs, Fonds, Mikrofinanzen, Bäumen, Wohngenossenschaften und erneuerbare Energien angelegt, alles, was sinnvoll ist und ich gerne unterstütze."

Unter anderem ist sie auch direkt an einigen Unternehmen in ihrer Nähe beteiligt. Darunter ist eine kleine, lokale Brauerei. Die zahlt ihre Dividende jährlich aus: entweder in Geld oder in Bier.

Ihr Tipp

"Streuung bringt Sicherheit. Viele Anlegerinnen und Anleger, denen Nachhaltigkeit am Herzen liegt, setzen auf Direktinvestments, etwa sogenannte Crowd-investments, und können dabei schnell ihr ganzes Geld verlieren. Starten Sie lieber mit einem Wertpapierdepot, das weltweit investiert ist, etwa in aktive Fonds, ETFs und Anleihen. Darauf aufbauend können Sie immer noch in weitere etwas spezialisierte Produkte gehen. Eine meiner Kundinnen ist beispielsweise Veganerin: Sie setzt auf ein breites ETF-Depot. Zusätzlich hat sie sich einige Fonds und Direktinvestments rausgesucht, die zwar in weniger Unternehmen investieren, dafür aber zu 100 Prozent Tierversuche, Agrarchemie und Gentechnik ausschließen. Einen schnellen Überblick, wie nachhaltig ein Fonds oder ein ETF ist, finden Sie auf der Seite Fondsweb (fondsweb.de)."

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19/ 2021 Brigitte

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